Review

So ganz das Regiedebüt ist „Three Burials“ nicht, zumindest wenn man den TV-Film „The Good Old Boys“ (ebenfalls) von und mit Tommy Lee Jones mitzählt. Und dennoch darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass „Three Burials“ mit seiner exzellenten Bildsprache, einer wirkungsvollen Geschichte, einer packenden Figurenzeichnung, einem fantastischen Drehbuch und fesselnden Darstellerleistungen zu den besten Neo-Western der letzten Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, gezählt werden darf. Betrachtet man einmal die Namen, die sich hinter dem Film verbergen, so kann man durchaus attestieren, dass dieses kleine Meisterstück dann doch nicht ganz so überraschend kam, wie oft behauptet wird, denn Drehbuchautor Guillermo Arriaga verfasste schon die Skripts zu den gefeierten Episodenfilmen Alejandro González Iñárritus („Babel“; „Amores Perros“). Zwar waren selbst diese von Kritikern hoch gelobten Filme nicht gänzlich frei von Mängeln (so stieß die Erzählweise und das Konstrukt rund um Zufälle und Verbindungen immer wieder mal sauer auf), doch ließ sich mit jeder Szene die Handschrift des Regisseurs und Drehbuchautors herauslesen und spielten immer noch Klassen über glatt gebügelte Genrefilme à la „L.A. Crash“.

„Three Burials“ erzählt im Gegensatz zu „Babel“ und Konsorten nur eine einzige Geschichte. Zwar arbeitet Lee Jones auch hier, zumindest in den ersten vierzig Minuten, mit Perspektivwechseln, Zeitsprüngen und einer non-linearen Erzählweise, doch lässt gerade diese (ja, doch moderne) Erzählweise den Film in den ersten Minuten wie eine Detektivgeschichte den Mord an Melquiades Estrada Schicht für Schicht enthüllen, um sich schließlich zum Klimax empor zu klimmen, bei dem die eigentliche Geschichte rund um eine Reise zum inneren Frieden für alle Beteiligten erst beginnt und die moderne Erzählweise einer klassischen, stringenten Westernerzählung weicht. Inmitten dieses Szenarios passt ein gealterter, nein – eher gereifter Tommy Lee Jones wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Er scheint wie geschaffen für die schwülen Bilder inmitten der flirrenden Hitze des Grenzgebietes zwischen den USA und Mexiko, wenn er gesattelt auf dem Pferd durch die Wüste reitet. Er gehört da hin, und nicht woanders. Er nimmt innerhalb der Geschichte immer mehr die Rolle des Eigenbrödlers an, welcher durch seine (alterskluge) Überlegenheit einer letzten guten Tat hinterher eilt und vielleicht dadurch inneren Frieden sucht. Grenzpolizist Mike (Barry Pepper) bildet da den Gegenpol. Der junge unreife Mann ist mit sich und seiner Umwelt unzufrieden und achtet weder sich, noch seine Frau. Vordergründig sucht er Alternation nur durch das Ausleben seines ungehaltenen sexuellen Triebes. Und gerade in einem dieser Momente soll sich sein Leben komplett verändern, indem er den mexikanischen Freund von Pete Perkins (Tommy Lee Jones) tötet. Perkins entführt schließlich Mike und zwingt ihn die Leiche seines Freundes auszugraben, um ihn in seinem Heimatort bei seiner Familie zu begraben. Und beide Männer sollen auf dieser Reise erkennen, was Wünsche, Hoffnung, Anerkennung und Wertschätzung eines jeden Einzelnen bedeuten soll.

Stets lässt Jones sozialkritische Komponenten in die Geschichte mit einfließen, welche nicht nur politische Hintergründe aufarbeiten, sondern an die Menschlichkeit eines jeden appellieren. Da geht Lee Jones noch einen Schritt weiter als Iñárritu, welcher in „Babel“ schon eine ähnliche Thematik aufarbeitete. Illegale Einwanderer werden hier wie Vieh behandelt, welches aus dem Stall ausgebrochen ist. Da sitzt der Finger am Abzug ziemlich locker, da wird schon einmal grundlos zugeschlagen. Und doch erzählt jede Person eine Geschichte. Exemplarisch sei hier der kurze Abstecher zu dem alten Blinden genannt, welcher offensichtlich gut mit seinem Leben klar kommt, obschon er nichts sieht, und obwohl er ganz alleine in der Prärie lebt und nur alle paar Wochen Besuch von seinem Sohn bekommt. Doch als sich die unerwarteten Besucher von ihm verabschieden, so stellt er die simple alles verquerende Frage, ob sie ihn töten können, da sein Sohn vermutlich an einer Krebskrankheit gestorben ist und ihn wohl nicht mehr besuchen kommt und ihn mit Nahrung versorgt. Die Idylle weicht der bitteren Wahrheit. Es steckt so viel mehr hinter den Dingen.

Auf die gesamte Laufzeit bezogen arbeitet der Film mit eben dieser Metapher. Jeder Mensch erzählt seine eigene Geschichte, lebt sein eigenes Leben. Das wird auch der gewalttätige, verbitterte Grenzpolizist - intensiv aufspielend und in der besten Rolle seiner Karriere: Barry Pepper – am eigenen Leibe erfahren, wenn gerade die illegale Einwanderin, die er bei einem Einsatz schlug, ihm später das Leben rettet (erinnert an „L.A. Crash, ist aber nicht ganz so plakativ gelöst).

Überhaupt lässt sich die Inszenierung als äußerst erwachsen und in den wichtigen Szenen als bedächtig und behütet bezeichnen. Jones lässt es sich auch nicht nehmen immer mal wieder etwas Humor in die ansonsten so ernüchternde Stimmung einfließen zu lassen. Vergleiche mit Klassikern wie Eastwoods „Erbarmungslos“ tun sich aber immer wieder dann auf, wenn Jones die Idylle der Landschaft durch bestimmte Fixpunkte ad absurdum führt. Alleine die langsam verwesende Leiche, welche die beiden Männer auf ihrem Weg begleitet, wirkt in Anbetracht der Panoramaaufnahmen der Wiesen und Felder wie ein Krebsgeschwür, welches die Vollkommenheit um sich herum langsam aufzufressen scheint.

„Three Burials“ ist vielleicht kein Meisterwerk, aber ein waschechter desillusionierter Neo-Western, wie man ihn lange nicht mehr gesehen hat. Und Jones beweist, dass er nicht nur hervorragend vor, sondern auch hinter der Kamera agiert.

Details
Ähnliche Filme