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Anfang der Achtziger, als der Western, ähnlich wie der Katastrophenfilm, eigentlich schon abgedankt hatte und Reformatoren die amerikanische Filmlandschaft entscheidend umwandelten, gaben James und Stacey Keach, die „The Long Riders“ schrieben, produzierten und nebenher noch die Hauptrollen übernahmen, Regisseur Walter Hill („48 Hrs.“, „Red Heat“) die Chance dessen Vorbild Sam Peckinpah („The Getaway“, „The Wild Bunch“) zu huldigen.
Diese Aufarbeitung der Geschehnisse um den Mythos Jesse James, der zum Beispiel in der modernen Interpretation „American Outlaws“ gründlich verklärt wurde, hält sich im Wesentlichen an der Wahrheit und stilisiert die Hauptfigur nicht zum Robin Hood des Wilden Westens. Nein, es soll, wenn auch keine Abrechnung, immerhin ein Abgesang auf den Wilden Westen sein

Hinsichtlich der Besetzung muss natürlich erwähnt werden, dass der Film, umso authentisch wie möglich zu wirken, gleich drei Brüderpaare (Keach, Quaid und Guest) und ein –trio (Carradine) vereinte, die als Überbleibsel des Bürgerkriegs sich die gesellschaftliche Struktur ihrer Heimat Missouri zunutze machen, um regelmäßig Banken auszurauben, die Beute zu verprassen und erneut loszuziehen – ohne wirklichen Fortschritt im Leben.

Diese Bande um Jesse James raubt höflich aber bestimmt Banken, Postkutschen oder Züge aus und benötigt gar keine Maskierung, weil sie eine so breit gefächerte Verwandtschaft besitzt, dass das Untertauchen eine Leichtigkeit ist, bis die Pinkerton-Detektei auf sie angesetzt wird.

„The Long Riders“ ist ein stilechter Western vom alten Schrot und Korn, der einmal mehr von Walter Hills Stammkomponist Ry Cooder („Southern Comfort“, „Last Man Standing“) zeitgemäß begleitet wird und von Kameramann Ric Waite („48 Hrs.“, „Cobra“) in erdige, leicht ausgebleichte Bilder verpackt wurde. Inszenatorisch passt hier wirklich alles und man spürt Walter Hills Liebe zum Western, die in seine folgenden Filme immer prägen sollte stets an, nur leider macht das Drehbuch nicht mit.

In gerade mal 90 Minuten versucht Hill nun ein reichlich gerafftes Skript zu erzählen, dass sich, und da werden leider viele Chancen vertan, einen Dreck um die Hintergründe und Nebenereignisse schert, sondern sich lediglich Jesse James (James Keach) und seiner Gang widmet. Immerhin, das muss man dem Film lassen, räumt er mit dem Heldenimage Jesse James auf ohne zu sehr ins Negative zu verfallen. Der Mann hatte lediglich die Beute im Sinn, scherte sich nicht großartig um den Rest der Bande und vertraute höchstens seinem Bruder Frank (Stacy Keach, „Roadgames“, „Mike Hammer“), will aber auch nicht unbedingt weitere Familienmitglieder mit in sein Unternehmen hineinziehen.
Dennoch verbindet sie alle eine Gemeinsamkeit, denn letztlich, trotz ihrer Raubzüge, ist es ihr Ziel eine Frau zu finden, sesshaft zu werden und eine Existenz zu gründen. Daran hält sich der Film auch leider zu lange auf, ohne romantisch zu werden. Die Suche nach Ruhe und einem Schlussstrich unter diesem ungewissen Leben ist allgegenwärtig.
Während dessen rückt ihnen die Pinkerton-Detektei auf den Pelz, reagiert allerdings falsch und tötet wehrlose Familienmitglieder, um sich darauf den Hass der vollständigen Sippe zuzuziehen.

Der gesamte Hintergrund um ihre von der Presse forcierten Mythenbildung und die Rolle der Eisenbahn wird leider knapp behandelt, die Bedeutung der Detektei nur in wenigen Szenen deutlich, der Film bleibt seinen Helden und gibt Walter Hill damit die Gelegenheit auf den Pfaden seines Vorbilds zu wandern. Exzessiv, ästhetisch und Peckinpah ebenbürtig sind die Gewaltausbrüche Hills. Ihr erster Shootout, der mit der Flucht der James-Younger-Gang endet, soll nur der Vorgeschmack auf ein Finale in Northfield sein, das in aller Ausführlichkeit „The Wild Bunch“ zitiert, wenn nicht sogar toppt. Die von Craig R. Baxley („Predator“, „I Come in Peace“) koordinierten Stunts sind spektakulär, die Inszenierung brillant und der uneingeschränkte Höhepunkt des Films. Hill steigert sich hier in einen wahren Rausch, nimmt den Ton raus und verlangsamt den Showdown in Zeitlupe, lässt nur das Surren der Kugeln erklingen und zelebriert mit blutigen Shootouts die zuschnappende Falle, die ein Großteil der Gang schwer verletzten und letztlich auch fangen soll. Minutenlang verweilt er in diesem Stil, lässt seine Reiter mitsamt Pferd durch Fenster springen und stürzen, lässt sie sich in ihrem Blut wälzen und verzweifelt wehren. So durchschnittlich der Film sich auch oft gibt, hier zelebriert Hill sein Handwerk.

Die Charaktere und komplexen Beziehungen untereinander kommen dabei viel zu kurz. David Carradine („Kung Fu”, „Kill Bill”) hat als Cole Younger ein paar lichte Momente und darf dann auch etwas mehr aus seiner Figur machen, ansonsten bleiben sie aber weitestgehend unterentwickelt und kommen über ein paar Frauengeschichten nicht hinaus. Der Zynismus dringt selten durch, die Konflikte untereinander existieren quasi nicht und selbst der zu einer persönlichen Sache ausartende Kampf gegen die Pinkerton-Agentur enttäuscht, weil deren auch nicht ganz legale Methoden kaum Erwähnung finden.
Ich weine den verpassten Möglichkeiten hinterher, denn aus dieser Konstellation hätte sich locker ein Epos lassen machen können. Wenigstens das Ende von Jesse James, so wie es wirklich passierte, hat man zumindest beibehalten.


Fazit:
Der Komplexität dieses Mythos wird „The Long Riders“ leider nie gerecht, denn das arg knappe Drehbuch kümmert sich herzlich wenig um die politischen Hintergründe oder Nebenfiguren und dringt auch nie in die weitestgehend oberflächlich bleibenden Charaktere ein. Walter Hills tolle Inszenierung, die final dann ihren unvergesslichen Höhepunkt findet, allein reißt es heraus. Der Bilderstil bleibt bis zum Schluss trüb und farblos, stellt den Westen nicht als Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern einen Ort, in dem man ums Überleben kämpft dar. Die erfolgreichen Überfälle werden durch die Eingespieltheit der Gang ermöglicht, vor dem Tod oder der Gefangennahme bewahrt sie das letztlich nicht. Hill bringt die Action mit den Figuren und ihren Sehnsüchten in Einklang, scheitert aber am schwachen Drehbuch, das vor allem viele Einblicke in Jesse James schuldig bleibt und kaum ein Wort über die Entstehung dieser Gang, nämlich eine ehemalige Guerilla-Einheit der Südstaaten, verliert. Deswegen wird man auch stutzig, warum die Jungs in einer Szene das Lied des Nordens hassen...
Richtig gut inszeniert, solide geschauspielert, aber leider ein völlig enttäuschendes Drehbuch, das den gesamten historischen Stoff lieblos verschenkt und im ersten Drittel arg zerfahren daherkommt. Immerhin bleibt man hier ausnahmsweise mal bei der Wahrheit.

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