"Was ist unter mir wenn ich im offenen Meer schwimme?" Diese beunruhigende Frage stellten sich plötzlich Millionen von Kinobesuchern. Der Grund: "Jaws", die Verfilmung von Peter Benchleys gleichnamigem Bestseller. In Deutschland "Der weiße Hai" getauft durchbrach der Film als erster überhaupt die 100 Millionen Dollar Grenze und verschaffte Regisseur Spielberg den absoluten Durchbruch.
Beides zu Recht, denn das Horror/Action/Abenteuer ist ein Paradebeispiel für Spannungserzeugung, dem Spiel mit den Nerven des Zusehers, sowie dem Einsatz von Filmmusik.
Jeder Schock ist perfekt gesetzt, John Williams weltberühmtes Theme sorgt für Gänsehaut.
Spielberg setzt sie bis gut zur Hälfte des Films, zusammen mit einer Unterwasserkamera ein um die Anwesenheit des Hais deutlich zu machen. Zu sehen ist das Ungeheuer lange nicht. Einzig einen etwas genaueren Blick, durchs Wasser hindurch erlaubt der Regisseur seinen Zusehern.
Dieser sparsame Einsatz, vielleicht tatsächlich auch aus technischen Schwierigkeiten geboren, ist die größte Stärke dieses Horrorfilms, erlaubt sie doch das Spiel mit der Erwartungshaltung des Zusehers.
Das erste Auftauchen seines Weißen Ungetüms ist dann auch eine wahre Freunde, kommt hier doch Spielbergs Plan zur Vollendung. Steht’s fühlte sich der Zuschauer durch Musik und Kamera gewarnt, wusste bislang immer das etwas im Busch war, was freilich die Spannung nicht trübte, aber das Geschehen ein Stück vorhersehbar machte. Doch nun gibt es keine Musik, keine verräterische Kameraeinstellung - nein mehr noch: Scheider entspannt die Zuseher mit lockeren Sprüchen und prompt taucht er auf. Der folgende Ausspruch "Wir brauchen ein größeres Boot" schrieb Filmgeschichte, ebenso wie Bruce, der mechanische Har, der für „Jaws“ gebaut wurde. Gut, heutzutage sicherlich überholt, aber schlicht 100 Mal charmanter als jegliche digitale Produktion und einfach "greifbarer". Wenn dieses Monstrum im späteren Verlauf das Schiff zerstört, ist jegliches technische Defizit vollkommen egal, so packend ist der Todeskampf zwischen dem Hai und seinen drei Jägern inszeniert.
Roy Scheider, Richard Dreyfuss und Robert Shaw, die großartigen Darsteller dieser herrlichen Charaktere. Ein wasserscheuer Cop, ein Meeresbiologe und der raue Seebär, der einst durch die Hölle ging. Sie stellen sich dem Kampf auf dem offenen Meer.
Dank des exzellent ausgewählten Drehorts ist die Illusion der Jagd fernab der Küste perfekt. Kein rettendes Ufer in Sicht, niemand der ihnen helfen könnte. Gerade das macht den Film in der zweiten Hälfte so ungemein spannend. Der Hai scheint unbezwingbar, taucht immer wieder ab, trotz mehrerer an den Körper harpunierter Bojen, nur um dann noch stärker zurückzuschlagen, bis schließlich das Boot gänzlich zerstört ist.
Packend auch die realen Haiaufnahmen die extra für Jaws gedreht wurden. Hier verfing sich ein Hai im Seil des Haikäfigs - ein Glücksfall für den Film, sieht es doch so aus als würde die Fressmaschine den Käfig unbändig zerstören. Und so geht die Spannungskurve immer weiter hoch bis es schließlich Mann gegen Hai heißt und Scheider das weiße Biest spektakulär in die Luft jagt. Ein Finale, das später in den ganzen Kopien des einzig wahren Haihorrorfilms noch oft "zitiert" wurde.
Fazit: Die Schocks verlieren nach mehrmaligen Ansehen recht schnell an Wirkung, doch nichts desto trotz unterhält "Jaws" immer und immer wieder. Es ist das perfekte Spannungspiel in der ersten und die grandiose Mischung aus Action-, Abenteuer- und Horrorfilm in der zweiten Hälfte, die diesen Streifen so brillant machen. Hinzu kommen die fantastischen Darsteller, die mehr als nur das Salz in der Suppe sind.
Trotz der, völlig unnötigen, Nachfolger und der unzähligen Haihorrorfilme, die folgten und eh im Prinzip meist nur Jaws frech kopierten, ist und bleibt "Der weiße Hai" der absolute König dieser Gattung des Horrorfilms. In der Darstellung dieser bedrohten Tierart sicherlich umstritten, aber als Horrorfilm eine Wucht. 10/10