Endlich kommt mal wieder frischer Wind in das Science-Fiction-Genre, das in jüngster Vergangenheit eine viel zu lange Durststrecke durchmachen musste. Die Enterprise fliegt nicht mehr und auch Darth Vader ruht sich auch auf seinem Todesstern aus. Die Zukunft liegt weitestgehend brach, zumindest im Kino.
Im amerikanischen Fernsehen allerdings sorgte Joss Whedon, Schöpfer von „Buffy the Vampire Slayer“, sowie dessen Ableger „Angel“ und Drehbuchautor von Filmen wie „Toy Story“ und „Alien: Resurrection“ mit seiner Serie „Firefly“ für Furore. Rasend schnell entwickelte sich nach den ersten Ausstrahlungen eine riesige Fancommunity um die Serie, bis der Sender Fox urplötzlich, nach gerade einmal 14 Folgen, die Serie trotz des Erfolgs absetzte. Angeblich reichten die Einschaltquoten nicht aus, um die teure Serie weiterhin am Leben zu erhalten. Ein ähnliches Schicksal wiederfuhr bekanntlich vor etlichen Jahren auch „Space: Above and Beyond“, die ich für eine der besten Science-Fiction-Serien halte, die jemals fürs Fernsehen produziert worden sind.
Das Potential erkennend, sprang letztlich Universal in die Bresche, um Joss Whedon doch eine Fortsetzung zu seiner Serie zu ermöglichen und zwar im Kino. Das Endresultat kostete 40 Millionen Dollar, heißt „Serenity“, sieht, gemessen am Budget, nicht nur verdammt gut aus, sondern präsentiert sich zwei Stunden lang auch als unterhaltsame Kurzweiligkeit, die ein wenig auf Kosten des Drehbuchs geht.
Natürlich erfindet Whedon das Genre in diesen zwei Stunden nicht neu, will er auch gar nicht. Viel wichtiger ist ihm der Filmspaß und einen erfolgreichen Spagat zu gestalten, der „Firefly“ – Fans wie auch den Mainstream, also Nichtkenner der Serie, gleichermaßen zufrieden stellt, was ihm auch relativ gut gelingt.
Das ist im Grunde auch das einzige Problem, das „Serenity“ letztlich, für sich stehend, hat. Whedon kann nicht noch einmal alles erklären, was vorweg in den 14 Folgen erzählt wurde und deshalb ist der Film rein von der Geschichte her etwas flach.
Das 500 Jahre in der Zukunft spielende Szenario geht davon aus, dass die Menschheit die Erde letztlich verlassen musste, weil alle Ressourcen aufgebraucht waren, allerdings ein neues Planetensystem fanden, das sie mithilfe von Terraforming komplett bewohnbar machten.
Die Allianz, jene von Menschen geschmiedete Regierung, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, über alle Planeten zu herrschen und sie zu verwalten, wovon einige Randwelten, die ihre Unabhängigkeit bevorzugten, wenig begeistert waren. Es kam zum Bürgerkrieg, die Allianz siegte, herrscht nun über die Galaxis und versucht, notfalls mit Gewalt, ihre Ansicht der perfekten, harmonischen Welt in die Tat umzusetzen.
Die „Serenity“ und ihre Crew sind Relikte dieses Krieges. Sie kämpften auf Seite der Rebellen und verdingt sich nun als Mannschaft für spezielle, meist illegale Aufträge...
Diese Exposition geht flott vonstatten und weckt auch gleich definitiv Hunger auf mehr, zumal so eine Ausgangsposition seit „Star Wars“ ungemein viel Potential beherbergt. Whedon baut hier und später viele Reminiszenzen mit ein, die vom erwähnten Genrekönig über „Forbidden Planet“ bis hin zu „Blade Runner“ reichen. Vermutlich dürfte ich auch noch einige übersehen haben.
Der eigentlich Erfolg seines Konzepts begründet sich aber in seinem schrillen, stilistischen Mischmasch, der überraschend gut miteinander harmoniert.
Gleich die Vorstellung der Crew passiert in einem mehrminütigen Take, bei dem Captain Mal (Nathan Fillion, „Water's Edge“, „Slither“), während einer sehr holprig-unsanften Planetenladung, die einzelnen Stationen seines Schiffs besucht und seine Crew vorstellt, indem er sie kurz in Dialoge verwickelt. Zoe (Gina Torres, „The Matrix Reloaded”, „Hair Show”) ist eine alte Weggefährtin und Kämpfernatur, ihr Mann Wash (Alan Tudyk, „A Knight's Tale“, „I, Robot“) der Pilot, Inara (Morena Baccarin) Mals später dazustoßende Ex, Jayne (der heimliche Star: Adam Baldwin, „Full Metal Jacket“, „The Patriot“) der konfrontationslustige Waffennarr und Kaylee (hot: Jewel Staite) die Bordmechanikerin. Zusammen geben die ein eingespieltes Team, eine Familie, die sich aufeinander verlassen kann und zurzeit zwei weitere Passagiere beherbergt: Den Arzt Simon (Sean Maher, „Living 'til the End“) und seine geheimnisvolle Schwester River (hot: Summer Glau)...
Jeder von ihnen ein Individuum mit kräftigen Macken. Simon und Wash werden zwar während des Films grob vernachlässigt, aber bei der Masse von Charakteren musste der Fokus auf die wichtigeren Figuren gelegt werden. Mir persönlich hat es Jayne angetan, der ständig, egal wohin, möglichst maximale Handfeuerwaffen mitnehmen will, seine Mitstreiter über alle Maßen versorgt und hin und wieder auch mal reichlich impulsiv reagieren kann und nicht der Allerhellste ist.
Der Wortwitz und die Oneliner sind, neben den Westerneinflüssen (von County-Musik bis hin zu ähnlich gestalteten Bars) der klare Pluspunkt des Films. Hier scheint man sich auch bei der deutschen Synchronisation die nötige Mühe gegeben zu haben. Keine noch so aussichtlose Lage, die nicht trocken kommentiert wird, kein Dialog ohne spitze Anspielungen oder Sarkasmus, keine Notsituation ohne überheblichen Kommentar. Die Jungs und Mädels nehmen sich gegenseitig auf die Schippe wo es nur geht und können selbst im Angesicht übermächtiger Feinde nicht die Klappe halten. Man nimmt sich und das Abenteuer nicht sonderlich ernst und tut gut daran. Wie grandios um Ernsthaftigkeit bemühte, ambitionierte Science Fiction nach hinten los gehen kann, haben beispielsweise „Wing Commander“ oder jüngst „The Chronicles of Riddick“ eindrucksvoll bewiesen.
Die knapp zwei Stunden vergehen dabei auch wegen des Humors wie im Flug. Der Geschichte um River, die ein Medium darstellt und von der Allianz einer Art Gehirnwäsche unterzogen wurde, um sie als unbezwingbare Waffe einzusetzen, fügt das Skript während des Films nur wenig hinzu. Die Pre-Credit-Sequence eröffnet mit River, die durch die Hilfe ihres Bruders aus den Testlaboren der Allianz flüchten kann und später an Bord der Serenity landet, um bald gejagt zu werden. Lange passiert auch nicht mehr.
Die Substory, die dann auch die Reever, ein paar unfreundliche, entstellte Zeitgenossen dieses Universums, mit ins Spiel bringt und das Team um Mal auf einen entvölkerten Planeten zwischenlanden lässt, bauscht den schwachen Spannungsbogen jedoch immerhin noch ein wenig auf.
Die Crew bekommt übrigens erst im Verlauf spitz, was River eigentlich ist und wird erbarmungslos von einem Operator (Chiwetel Ejiofor, „Amistad“, „Four Brothers“) der Allianz gejagt. Der hat nicht nur schneidende Argumente, sondern löscht auch jeden aus, der einen Fehler beging oder ihm nicht mehr von Nutzen ist. Charismatisch macht Ejiofor leider nicht soviel her, aber dafür hat er ein paar tolle Duelle mit Mal.
Action gibt es ohnehin viel und ausführlich. Die kurz vor Ende stattfindende Weltraumschlacht wird zwar, ich vermute aus Budgetgründen (Die Jungs von KNB machen trotzdem einen super Job), für den Zuschauer schnell abgehandelt, aber da muss die „Serenity“ auch nur zu sehen, dass sie sich heil durch die beiden bekämpfenden Parteien manövriert. Ansonsten gibt es, natürlich, einige Schießereien und Belagerungen, die, westernlike, dann mit futuristisch angepassten Revolvern, Schrotflinten und Gewehren ausgefochten werden, Schlägereien (inklusive etwas Martial-Arts), Hackereien mit archaischem Gerät und Verfolgungsjagden auf Planetenoberflächen. Die für eine PG-13-Produktion relativ explizite Darstellung von Gewalt überrascht dabei, denn in Körpern steckende Schwerter, von einem Pfeil durchbohrtes Bein, offene Schusswunden, tropfendes Blut, Gnadenschüsse und knackende Knochen sind, vor allem in dieser Masse, höchst überraschend. Freilich baden die Akteure nie in roten Pfützen, aber „Serenity“ liegt graphisch deutlich über dem, was man gegenwärtig an PG-13-Action gegenwärtig aus Hollywood geboten bekommt. Der Tod spielt hier eine ungewohnt große Rolle, denn werden auch Beteiligte vom Schicksal heimgesucht, von denen man den Abgang nicht erwartet. Das macht das Finale, einen mit letzten Kräften geführten, verzweifelten Kampf auf Leben und Tod auch so kribbelig für den Zuschauer. Man kann sich nicht sicher sein, wer den Film überlebt.
Hinzu gesellt sich ein Interieur, das stets den richtigen Ton trifft. Von der Serenity, die einen schön maschinell-industriellen, schmutzigen Eindruck hinterlässt (Eben so, wie ein Raumschiff eben aussehen soll.), gibt es eindeutig von Western-Saloons inspirierte Bars und geschäftige Märkte und Gassen im Stil von „Blade Runner“. Sterile Außenwelten werden genauso besucht, wie Siedlungen in Wüstengebieten. Optisch steckt viel Abwechslung in den einzelnen Zwischenstationen.
Recht bewundernswert fand ich hinsichtlich der visuellen Vielfalt, der Kurzweiligkeit und der relativ hohen Frequenz an Actioneinlagen, dass Whedon auch noch ein paar ruhige Momente findet, die er vorzugsweise seinem Captain widmet. Denn Mal ist, auch wenn er sich rhetorisch gern in Sackgassen manövriert, ein relativ tragischer Charakter, der einst, unter seinem Befehl, im Krieg viele Männer verlor und Inara seine Gefühle nicht gestehen kann. Er ist es, der die Crew zusammenhält und schließlich zu einer selbstlosen Mission auffordert, die keine Credits einbringt, aber den Menschen die Augen in Bezug auf die Allianz öffnet und dafür ihr Leben lassen könnte. Obwohl seine Crew das nicht immer einsehen will, muss er stets zwischen Verantwortung und Gewissen entscheiden, was in dieser Situation, verfolgt von der Allianz, nicht immer einfach ist.
Whedons Welt bietet für jeden Science-Fiction-Fan etwas. Von den typischen, aber individuell gestalteten Figuren, von denen jeder seinen persönlichen Liebling herausfiltern darf, über ein paar wichtige Geheimnisse, die nach und nach gelüftet werden, jede Menge gut getrickster Action, grandiosen Dialogen und trockenen Onelinern, einige Überraschungen und einer, gemessen an den verfügbaren Finanzen, auch überzeugenden Inszenierung seitens Whedon, der eine enorm kraftvolle Soundkulisse erschuf und sich auch in visueller Hinsicht nicht vor George Lucas, dessen Flagschiff tricktechnisch natürlich trotzdem in einer anderen Liga spielt, verstecken braucht. Ganz im Gegenteil mir gefiel der bodenständigere und realistische „Serenity“ sogar mit seinen ironischen Eigenheiten (u.a. Dino-Figuren auf den Armaturen) besser als Lucas künstliche CGI-Welten.
Letztlich wünsche ich Joss Whedon, dass „Serenity“ mindestens seine 80 Millionen Dollar weltweit einspielen wird, damit Universal einer Fortsetzung grünes Licht geben wird. Ich werde jedenfalls schnellstens die 15 Folgen der Serie nachholen und dann Ende November den Film noch mal besuchen, um ihn dann mit mehr Hintergrundwissen vielleicht aus anderen Augen zu sehen und das Review auch noch einmal zu überarbeiten. Gepackt hat mich die Crew jedenfalls allemal.
Fazit:
„Serenity“ ist kein bahnbrechendes Science-Fiction-Epos der Superlative, aber dafür ein verdammt sympathisches Stück Film, das eigentlich nur Schwächen im Drehbuch offenbart. Die im Hintergrund stets agierende Allianz wird nie zu einer rechten Bedrohung, viel wird schnell abgehandelt und der Plot ist auch nicht so ungemein spannend. Alles wirkt etwas gehetzt und zu fix abgehandelt, weil die Komplexität einer Serie freilich nicht soviel Platz in einem Kinofilm findet. Dafür fühlen die fast durchgängig noch jungen Schauspieler sich nach drei Jahren wieder sichtlich wohl in ihren alten Rollen und wachsen dem Zuschauer zumindest teilweise auch ans Herz. Whedons souveräne Inszenierung, die ein hohes Tempo vorlegt, auf Kurzweiligkeit setzt und auf viel Action, sowie zündenden Wortwitz Wert legt, besorgt den Rest. Erst einmal springen für „Serenity“ euphorische 8 Punkte heraus. Ob der Film die halten kann, wird die Serie entscheiden. Neuen Abenteuer bin zumindest ich nicht abgeneigt. Der Science-Fiction-Film atmet wieder.