„Face/Off“ ist Woos dritte Regiearbeit in der Geldfabrik Hollywood und – Überraschung: Der Altmeister kann es tatsächlich noch. Für Fans seiner Frühwerke dürfte „Im Körper des Feindes“ sein bester US-Streifen sein, ganz einfach aus dem Grund, dass er auf eine geradlinige Krawumm-Story verzichtete, sondern mehr Tragik in die Geschichte brachte. Das kann er immer noch, was gleich beim farblosen Vorspann deutlich wird, bei dem man fast weinen möchte, kaum ist der Film zwei Minuten alt.
Was folgt, ist eine geniale Weiterführung der Story, die zwar nicht immer glaubhaft ist, bei der aber die innere Logik überraschend selten versagt, wie etwa beim Ausbruch Archers bzw. Castors aus dem Hochsicherheitsgefängnis. Interessant ist der Persönlichkeitstausch allemal, weil in dieser Form in einem Actionthriller noch nie da gewesen. Die Charaktere Castors bzw. Archers wirken wie aus den alten Filmen Woos. Ein abgrundtief Böser und ein vermeintlicher Held, der jedoch im Verlauf seine weiße Weste verliert, stehen sich gegenüber. Am Ende kommt es zum finalen Duell in einer Kirche mit Tauben („The Killer“ lässt grüßen), wo eine Menge zu Bruch geht. Anschließend geht es sogar noch zu einem Motorbootfight über, denn es war ja genügend Geld vorhanden. Mir persönlich dauert der Showdown sogar etwas zu lange, so spektakulär er auch ist. Über die letzten Szenen, die im Kitsch regelrecht ersaufen, verliere ich hier besser keine Worte, daran sieht man nur wieder, dass in Hollywood ein Happy End unverzichtbar ist.
Woos Ruf als „Mozart der Zerstörung“ bewahrheitet sich aufs Neue: Endlich durfte er hier mit einem Riesenbudget arbeiten, was man an allen Ecken und Enden sieht. Gleich mehrere der spektakulärsten Actionsequenzen der letzten Jahre sind in „Face/Off“ zu sehen. Herausragend hierbei die Shootouts auf dem Flugplatz, in Castors Wohnung und in der Kirche. Zeitlupen- und Gewaltästhetik wird ebenfalls genug geboten, wobei Blut zwecks R-Rating nicht unbedingt viel fließt, aber der Härtegrad ist dennoch beachtlich. Trotz der Menge an Action kommen auch die dramatischen Momente nicht zu kurz, die zwischendurch aber immer wieder ein wenig den Erzählfluss unterbrechen.
Die Besetzung ist in den Titelrollen ziemlich namhaft, Travolta und Cage liefern sich ein bemerkenswertes Psychoduell. Umso herausragender die Leistung der beiden, wenn man bedenkt, dass sich beide über weite Strecken des Films in die Rolle des anderen versetzen mussten. Ein wenig nervt allerdings die Überheblichkeit, welche die beiden an den Tag legen, aber das ist man bereits aus anderen Filmen gewohnt.
Für Fans des anspruchsvollen Actionkinos wird sich in den 90ern wenig vergleichbares finden. „Face/Off“ hat seine Längen und seine kleinen Schwächen, aber dank fulminanter Action, großer Schauspieler und einer tiefgehenden Story voller Tragik kann das als Woos beste westliche Arbeit gelten. Dass sein nächster Hollywoodfilm „Mission Impossible 2“ sein sollte, ist umso ärgerlicher, aber das ist eine andere Geschichte...