"Max, der Taschendieb" gehört nicht zu den Filmen innerhalb des Rühmannschen Gesamtwerks, die besondere Erwähnung finden - zu häufig hatte er einen anständigen und sympathischen Kerl gespielt, dem das Publikum seine kleinen Fehltritte gerne verzieh. Hier verrät schon der Filmtitel, welche Abweichung von der Norm er sich leistet, denn Max Schilling (Heinz Rühmann) verdient seinen Unterhalt als Taschendieb. Doch darüber hinaus ist er ein Muster an Zuverlässigkeit und Bescheidenheit, ein liebevoller Ehemann und treusorgender Vater zweier halbwüchsiger Kinder. Kurz, eine Kunstfigur, der nur Heinz Rühmann Leben einhauchen konnte, dem man abnimmt, dass er sich zwar an die Regeln der "Unterwelt" hält, gleichzeitig aber nie in Versuchung gerät, jemals über seine Position als kleiner Dieb hinaus zu wollen. Zudem verbreitet der Film die Mär, dass Max nur wohlhabende Leute bestiehlt, was angesichts seiner eigenen Aussage, im letzten Jahr hätte er nur durchschnittlich acht DM in den Portemonnaies gefunden, kaum möglich sein kann.
Mit dieser Bemerkung wollte er gegenüber seinem alten Freund und ständigen Partner im Taschendiebstahl-Geschäft, Arthur (Hans Hessling), der auf Grund eines Gips-Fußes gerade pausieren muss, begründen, dass die Zeiten generell schlechter werden (ein historisch interessanter Aspekt, da die Wirtschaft nach 1960 nur langsamer wuchs als zuvor, was damals offensichtlich als Verschlechterung empfunden wurde - noch mehrmals redet Max von schwierigen Zeiten). Arme Leute zu bestehlen, macht keinen Spaß, erwähnt Max noch, womit die Verzeihlichkeit gegenüber seiner Profession zunimmt. Konsequenterweise wird Max nur bei Anlässen in Aktion gezeigt, zu denen gut situierte Menschen zusammen kommen, womit der Film weiter auf der Klaviatur der Verharmlosung spielt, als ob das Ausbaldowern viel versprechender Gelegenheiten nicht zum alltäglichen Handwerk eines Diebes gehört. Gepaart mit Rühmanns häufig schuldbewusster und sorgenvoller Miene, die ihn auf die Stufe jedes kleinen Malochers stellt, der nur möchte, dass seine Frau zum Friseur gehen kann und es seine Kinder einmal besser haben werden, verliert sein Job jeden kriminellen Gestus. Betont wird das noch durch die Figur des Kommissars, der Max sehr schätzt und seine "Verfehlungen" nur leicht vorwurfsvoll rügt.
Vielleicht liegt es an dieser vollständig konstruierten Figur, dass "Max, der Taschendieb" in sämtlichen Publikationen als Komödie eingeordnet wird, obwohl der Film keinerlei komödiantische Story-Elemente aufweist, sondern im Gegenteil von zwei brutalen Morden erzählt, darunter an einem unmittelbaren Familienmitglied. Schwarzer Humor, verbunden mit einem unrealistischen Umfeld, bildete schon häufig den Hintergrund für gelungene Gauner-Komödien, in denen der Protagonist augenzwinkernd nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen gängige moralische Standards verstoßen durfte, aber "Max, der Taschendieb" ist abgesehen von seinem "Unterwelt" - Sujet, dass sich auf die Kneipe von Lizzy (Lotte Ledl) beschränkt, in dem ihr Freund Joe (Harald Maresch) die lokale Ganoven-Größe gibt, zutiefst bürgerlich und konservativ. Der einzige wirkliche Schwerverbrecher im Film, der US-Amerikaner Charlie Gibbons (Benno Sterzenbach), ist Ausländer.
"Max, der Taschendieb" ist kein Film, der mit einer leicht individuellen Lebensweise sympathisiert, wie es der Titel vermuten lassen könnte, sondern der im Gegenteil die totale Anpassung an die gesellschaftliche Norm predigt. Die Figur des Fred (Hans Clarin) wird als warnendes Beispiel für den Fall präsentiert, dass ein Mensch seine Stellung innerhalb der Gesellschaft nicht akzeptiert, wofür er hart bestraft wird. Dass ihm zudem Egon (Friethjof Vierock), Max jugendlicher Sohn, mit Sätzen Jean-Paul Sartres den Kopf verdrehte, gab Rühmann in seiner Rolle die Gelegenheit, an Hand klischeehaft aus dem Zusammenhang gerissener Zitate, die damals unter Jugendlichen populären existentialistischen Thesen zu verunglimpfen - natürlich leicht ironisch. Auch das Fred seine Freundin Desiree (Ruth Stephan) schwängerte - von Max gegenüber seiner 12jährigen Tochter Brigitte (Helga Anders) als Ausnahme von der Regel bezeichnet - passt in das Gesamtbild eines jungen Menschen, der sich nicht an die Regeln hielt. Obwohl es sich bei Fred immerhin um den jüngeren Bruder von Max' Frau Pauline (Elfie Pertramer) handelt und er eine schwangere Frau hinterlässt, vermittelt der Mord an ihm keine wirkliche Tragik - eine solcher Typus war offensichtlich verzichtbar, weshalb sein Tod auch die generelle Einordnung des Films als "Komödie" nicht weiter störte.
Neben dieser Charakterisierung eines Außenseiters, fällt auch das sehr konservative Frauenbild des Films auf. Geradezu unangenehm ist die körperliche Auseinandersetzung zwischen der schwangeren Desiree, die sich Babywäsche strickend schon als zukünftige Ehefrau sieht, mit der Barfrau Lizzy, die sie als "Schlampe" bezeichnet, weil ihr Fred in den Ausschnitt gesehen hatte. Max muss die Furien wieder trennen, was die Rolle seiner Ehefrau Pauline als Hausfrau und Mutter noch zusätzlich idealisiert. Wenn sie - nachdem Max ihr mitteilte, dass er nicht mehr weiter stehlen will und deshalb nicht weiß, wie er Geld verdienen soll - ihm antwortet, ihr sei das egal, hauptsache sie bekäme wie immer pünktlich ihr Haushaltsgeld, dann wirkt das nicht nur aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch, sondern auch für das Entstehungsjahr des Films nicht mehr zeitgemäß.
"Max, der Taschendieb" wirkt wie ein letzter Versuch, das Rad der Zeit nochmals zurück zu drehen. Auch die zuvor von István Békeffy und Hans Jacoby gemeinsam geschriebenen Drehbücher zu den Rühmann-Filmen "Ein Mann geht durch die Wand" (1958), "Der Jugendrichter" (1960), "Das schwarze Schaf" (1960) oder "Der Lügner" (1961) vermittelten noch den Zeitgeist der 50er Jahre in der Bundesrepublik und trafen damit den damaligen Publikumsgeschmack, aber der "kriminelle" Hintergrund des Protagonisten zwang sie offensichtlich dazu, die Anstandsschraube möglichst weit hochzudrehen.Trotz dieses inhaltlichen und zeitlichen Kontextes wäre der Film aus heutiger Sicht nur noch schwer erträglich, gelänge es Heinz Rühmann dank seines schwerelosen Spiels nicht, sowohl die in der Grundanlage ernsthafte Story, als auch den reaktionären Subtext zu verschleiern, weshalb der Film seinen unterhaltenden Charakter beibehalten konnte. Diesem hat "Max, der Taschendieb" auch seine "Komödien" - Klassifizierung zu verdanken, vielleicht die einzige Möglichkeit, den Film nicht allzu ernst zu nehmen. Heinz Rühmann spielte hier das letzte Mal den "einfachen Mann aus dem Volke", womit "Max, der Taschendieb" doch eine Sonderstellung in seinem Gesamtwerk zukommt - wenn auch nicht aus qualitativen Gründen (4/10).