Mit „Domino“ geht Tony Scott mal wieder einen optisch extravaganten Weg, doch inhaltlich lässt das Script dieses Mal sehr zu wünschen übrig.
So ist es vielleicht kein Nachteil, aber auch keine Bereicherung, dass Domino Harvey (Keira Knightley) ihre Geschichte rückblickend der FBI-Agentin Taryn Miles (Lucy Liu) erzählt – einfach Voice Over hätte vielleicht gereicht. Doch bereits in den ersten Minuten merkt man, dass Tony Scott es hier ebenso wild, vielleicht sogar noch wilder als in „Man on Fire“ treibt: Farbfilter vor fast jeder Szene, schnelle Schnitte, eine fast nie stillstehende Kamera mit ausgefallenen Fahrten, massig modisch gemachte Untertitel und dergleichen. Scott treibt die Videoclipästhetik mal wieder zum Exzess, doch schon allein dadurch vermeidet er, dass Langweile aufkommt.
Den Mangel an Authentizität gibt „Domino“ früh zu, wobei die ersten rund 40 Minuten noch recht wahrheitsgetreu das Leben von Domino erzählen: Als Tochter des Schauspielers Laurence Harvey geboren durchläuft sie das übliche Jetset-Leben mit Reichtum, Collegeausbildung usw., hat sogar eine Karriere als Model, ist aber bald angewidert von dem Ganzen. Sie entwickelt sich zur Rebellin, trainiert mit Waffen und gibt sich auch nicht sonderlich damenhaft. Sie entschließt Kopfgeldjägerin zu werden und steigt bei dem alten Hasen Ed Mosbey (Mickey Rourke) und dessen Partner Choco (Edgar Ramirez) ein.
Doch nach dieser Einführung steigt „Domino“ erst in den eigentlichen, zumindest größtenteils fiktiven Plot ein: Sie und ihre Partner sollen vier angebliche Kautionsflüchtlinge einfangen, die für den Überfall auf einen Geldtransporter verantwortlich. Doch der Job ist Teil einer großen Verschwörung, in die das Trio so unwissentlich verstrickt wird…
Der Plot stammt von „Donnie Darko“-Regisseur Richard Lynch und zeigt teilweise dessen Talent zum um-die-Ecke-denken (z.B. scheinbare Wahrheiten, die durch eine Art Zurückspulen revidiert werden). Allerdings ist „Domino“ stellenweise einfach nur konfus, gelegentlich sogar überfrachtet, z.B. der Subplot um die Reality-TV-Show, die man um das Trio stricken will. Ebenjenen Subplot sowie einige andere Elemente (z.B. das total bescheuerte, sinnfreie Auftauchen des Predigers in der Wüste) hätte man weglassen können, ohne „Domino“ großartig verändern zu müssen. Solche Hänger killen öfters die Spannung, obwohl „Domino“ mit seinen Wendungen teilweise wirklich noch überraschen kann (oder liegt dies nur daran, dass die Story wirrer ist, als sie sein müsste?).
Bei dem Namen Tony Scott denkt man neben schicker Optik natürlich an handfeste Action, aber in diesem Punkt hält sich „Domino“ zurück. Ein paar herbe Konfrontationen gibt es, doch diese sind meist kurz. Wenn Scott im Showdown dann mal wieder sein großes Abräumen aus „True Romance“ kopiert, dann sieht das schick aus (vor allem die Heli-Attacke und die Kamerafahrten rund um den Tower), aber es könnte durchaus mehr davon sein. Zudem wird hier noch mal sehr deutlich, dass der Hauptplot kaum zu einem Biopic reicht, denn abstürzende Hubschrauber, eine Massenschießerei mit dutzenden Toten und eine Megaexplosion inmitten von Las Vegas sind einfach nur Schauwerte, die es im Leben der echten Domino Harvey wohl kaum gab.
Auch im Bereich Charaktere bleibt „Domino“ einfach zu sehr an der Oberfläche, um als Biopic durchzugehen, das wirklich an dem Leben seiner Hauptfigur interessiert ist. Die unterschwellige Anziehung zwischen Domino und Choco wird kaum behandelt und trotz diverser Backgroundinformationen bleiben die meisten Charaktere oberflächlich – aber dies immerhin auf sehr coole Weise.
Denn Gespür für Coolness und Humor hat „Domino“ auf jeden Fall und dies hilft ihm über die Runden. Die Sprüche von Ed sind stets coole Oneliner (z.B. ein saloppes „Jetzt werde ich nie wissen, wie der Film ausgeht.“ als Choco den Fernseher zertrümmert, in dem gerade ein Porno läuft) und auch die Idee mit den beiden „Beverly Hills 90210“-Stars Ian Ziering und Brian Austin Green, die sich selbst spielen und auf die Schippe nehmen, hat etwas für sich. Auch der cholerische Produzent Mark Heiss (Christopher Walken), sein Assistentin Kimmie (Mena Suvari) und die Jerry Springer Einlage sind nur komödiantische Einlagen, doch die Gags treffen ins Schwarze.
Keira Knightly schlägt sich in der Hauptrolle ziemlich gut und man kauft ihre die toughe Kopfgeldjägerin ab. Mickey Rourke ist einfach nur cool und kann noch mehr herausragen, aber auch der unbekannte Edgar Ramirez macht gute Arbeit. Daneben sind Jacqueline Bissett, Christopher Walken, Delroy Lindo, Mena Suvari und Lucy Liu nur Stichwortgeber, leisten aber ebenfalls gute Arbeit.
Bleibt unterm Strich hübsch anzusehender Durchschnitt, der vor allem durch famose Optik, nette Gags und kleine Actioneinlagen überzeugt, dessen Plot jedoch etwas konfus, teilweise sogar leicht debil daherkommt.