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Tony Scott ist der Proll-Filmer vor dem Herren! Man könnte fast glauben, dass der Junge nach jedem Take erstmal die Kamera zerdeppert, so sehr giert jede seiner Einstellungen nach Rock'n'Roll! Verlangt mit der Hand im Schritt nach größtmöglicher Beachtung und bleibt am Ende doch nur Pose.
Aber guter Rock'n'Roll ist auch eine Kunst! Eine Kunst, die Scott meisterlich beherrscht und ihm durchaus so etwas wie einen Ausnahmestatus unter den Regisseuren verleiht, der Junge hat also definitiv eine eigene Handschrift.
Die Kompromisslosigkeit, die Freude am Spiel mit Bildern und die Ignoranz gegenüber der Sehgewohnheiten erinnern frappierend an Rob Zombies "The Devils Reject". Aber Rob ist (naturgemäß) der bessere Rocker. Haben beide noch die erfrischende Spontanität einer augenscheinlich konzeptionslosen Kamera-Arbeit gemein (und sind damit interessanterweise von den Trierschen Dogma-Ansätzen gar nicht mal so weit entfernt) huldigt Zombie mit seiner Umsetzung einer gewissen Authentizität und gleichzeitig dem wüsten amerikanischen Horror-Kino der 60er und 70er Jahre. Scott dagegen hat keine höheren Absichten ausser einer preiswerten Clip-Ästhetik, denn hinter dem Bildergewitter versteckt sich selten mehr als Farbtonwert- oder Filter-Speränsken.
Trotzdem will der Umgang mit "After Effects" und Konsorten gelernt sein! Scott und seine Mannen verstehen ihr Handwerk und man kann "Domino" ohne Skrupel den Status eines audiovisuellen Kunstwerks zugestehen...

...mehr aber auch nicht. Filmisch versagt das Teil wie schon "Man on Fire" komplett. Den Darstellern wird keinen Raum geboten, selbst ein Walken kann nur Akzente setzen. Man mag auch keinem der Figuren richtige Sympathie aufbringen, so lächerlich ist teilweise das Rumgemacke. Das hat nichts mehr mit "fast wahren Geschichten" zu tun, das sind lediglich entnervende Attitüden.

Das wird besonders in der letzten Einstellung prägnant. Scott gönnt der echten - bereits verstorbenen - Domino einen sekundenlangen Auftritt ...und dann lächelt auch jemand zum ersten mal.
Das verleiht "Domino" plötzlich Menschlichkeit. Es ist das herzliche Lächeln einer Frau ohne jeglichen aufgesetzten glamourösen Tough-Bitch-Look. Ohne dunkel geschminkte Augen oder prahlerische Tattoos, ohne ein "Fuck" auf den Lippen. Der einzige ehrliche Moment während Tony Scott zweistündiger One-Man-Show.
Und genau dann hat man den Verdacht, dass diese Frau so einen Nachruf nicht wirklich verdient hat...

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