Manchmal ist weniger eben doch mehr. Am Beispiel dieses nervtötenden Films sei all den reaktionären Filmemachern, die ruhig und gelassen ihre Geschichten erzählen, ein großes Lob ausgesprochen – sie haben nach „Domino“ auch meine volle Legitimation. Regisseur Tony Scott („Man on Fire“) brachte es einmal mehr fertig, einen Hauch von Story in einen visuellen Overkill von Videoclip-Ästhetik zu verpacken, dass dem Zuschauer nach Ansicht dieses tumben Machwerks aufgrund der Wackelkamera, schneller Schnitte und eines willkürlichen Soundtrack-Breis um R`n`B, Rap und Choral die Augen schmerzen und die Ohren dröhnen. Einige nennen das sicherlich zeitorientiertes und großes (Avantgarde-)Kino, ich nenne es im höchsten Maße verwirrend und problematisch. Denn es kann nicht sein, dass die Ur-Konvention des Kinos mit dem Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, durch einen zugegebenermaßen virtuos komponierten, aber inhaltsarmen und selbstverliebten Bildersturm ersetzt wird.
Zur Story nach einer wahren Begebenheit: Die gelangweilte Amazone Domino Harvey (Keira Knightley, „Fluch der Karibik“) heuert bei einer Truppe von Kopfgeldjägern unter der Leitung von Kautionsbürger Clermont (Delroy Lindo, „One Hour Photo“) an. Unter ihnen der raue Ed (Mickey Rourke, „Sin City“), welcher sofort Feuer und Flamme für Dominos „Charme“ ist. Als das Fernsehen auf sie aufmerksam wird, werden sie Stars einer Reality-TV-Show. Bei einem der nächsten Aufträge soll die Bande 10 Mio. $ wiederbeschaffen, die einem Casinobesitzer geklaut wurden. Dabei soll ein Finderlohn von 300 000 $ herausspringen, welcher eine lebensnotwendige Operation für Clermonts Enkelin finanzieren soll. Die angeblichen Täter sind schnell gefasst und ausgeliefert, jedoch befinden sich unter ihnen 2 Söhne eines Mafia-Bosses und der Diebstahl wurde von Anderen begangen. Damit gehen die Probleme erst richtig los, denn Papi ist sauer auf Domino & Co. …
Hört sich kompliziert und komplex an? Ja, ist es auch – und dieser Eindruck wird durch zahlreiche Zeitsprünge, verwirrende Bild-Collagen mit Wackelkamera und Stakkato-Schnitte noch verstärkt. Dabei fröhnt die Optik allerdings dem bloßen Zweck der Selbstdarstellung und die Figuren um die zutiefst unsympathische, da biestige Domino bleiben blass und die dazugehörigen Schauspieler sträflich unterfordert. Stars wie Raubein Mickey Rourke oder Christopher Walken („God`s Army“) – der in einer Nebenrolle als geldgeiler Fernsehproduzent verheizt wird – hätte der Film nicht gebraucht, nur verleihen diese dem wirren und unsinnigen Werk etwas Würde. Dazu sind zahlreiche Szenen wie die Talkshow-Einlage, das Arm-Abschießen oder die (auch finale und in diesem Kontext hirnverbrannte) Motivation des Afghanen Alf so überzogen gewalttätig, sinnfrei und brutal, dass zuweilen unfreiwillige Komik aufkommt. Selbige Schießerei im Hochhaus erinnert stark an „True Romance“- auch von Tony Scott. Nur war diese besser inszeniert und vor allem übersichtlicher. Der Schluss wirkt dann angesichts der zuvor zelebrierten Anarchie zu versöhnlich und wie ein Schlag ins Gesicht. Kein Wunder also, dass die echte Domino Harvey da kurz vor Kinostart starb.
Fazit: Für Fans des gelackten Big-Budget-Trashs ist „Domino“ sicherlich ein gefundenes Fressen – wenn auch auf Kosten von Augenschmerzen. Die pseudo-innovative Bildsprache mit wirrer Clip-Ästhetik verhunzt leider den ansonst (zumindest in Ansätzen) interessanten Film. Letztendlich nichts weiter als ein überlanger und unreflektierender Werbefilm für grenzdebile Kopfgeldjäger.