Steven Spielberg machte sich 2004/05 an ein Remake von KAMPF DER WELTEN (THE WAR OF THE WORLDS, USA 1953, Regie: Byron Haskin). Dieser wiederum basierte auf dem berühmten Hörspiel von 1938, welches angeblich eine Massenhysterie in der amerikanischen Bevölkerung auslöste. Und dieses Radiohörspiel wiederum, inszeniert von Orson Welles, basierte auf dem Science-Fiction-Klassiker WAR OF THE WORLDS (1898) von H. G. Wells.
Rein visuell und bildästhetisch mag ich – also streng subjektiv, aus der Sicht eines Kunstpädagogen und Kunsthistorikers, der reinen Bildwert schon genießen kann – den kompletten Film ja sehr. Denn Steven Spielberg gelingt es hochgradig beeindruckend den Vernichtungs- und Verwüstungskrieg der Aliens unter Rekurs auf die Bildästhetik seit 9/11 darzustellen (nebst der anfangs vermuteten Terrorangriffe ist vor allem wichtig, dass der Staub der zerborstenen WTC-Türme durch die Asche verglühter Menschen ersetzt wurde). Von dessen erschütternden und eindrucksvollen Beginn bis hin zur kompromisslosen Ausführung des Genozids ist der Film durchgehend atemberaubend inszeniert. Schlaglichtartige Einblicke generieren dabei tolle und nachhaltig wirksame Bilder einer hoffnungslos unterlegenen Spezies im Todeskampf (der Erstschlag in der Großstadt, das abgestürzte Flugzeug, die Leichen im Fluss, die Flüchtlingsströme, die Fähre etc.). Aber dann schafft es Spielberg eine Interpretationsebene in den Film einzuziehen, die seine – zweifelsohne meisterlich eingefangene – Bildgewalt vollständig desavouiert und zugleich alle ursprünglichen Intentionen der Geschichte zerstört. Und im Schwerpunkt schafft er das mit nur 5 Minuten Spielzeit – den letzten 5 Minuten, um ganz genau zu sein.
Orson Welles wollte ursprünglich mit seiner Geschichte eine kritische Betrachtung der kolonialen Bestrebungen Großbritanniens in Tasmanien erwirken – und zwar bei seinen Lesern, den Briten. Dazu attackierten seine dreibeinigen marsianischen Kampfmaschinen (Tripods) das britische Empire, also das Mutterland der Leser, und zwangen die Rezipienten so in die Opferperspektive.
Mehrere Elemente der (britischen) Kolonialgeschichte fließen in diesem Science-Fiction-Roman variiert zusammen. Eine militärische Übermacht infiltriert für Raubbau und Ausbeutung ein Land, welches der außerirdischen Technologie nichts entgegenzusetzen hat. Zur Lösung der ausweglosen Situation bediente sich Wells der ironischen Umkehrung des realen Problems, dass die ursprünglichen kolonialen Invasoren Krankheiten mit sich führten, welchen die Ortsansässigen und ihre Immunsysteme nichts entgegenzusetzen hatten. Die primitivsten und kleinsten Lebensformen bringen folglich die aggressive und vermeintlich unbesiegbare Übermacht zu Fall, so wie sie es in der Geschichte von Eroberung und Fremdherrschaft vielfach auch real taten – allerdings eben mit Einheimischen. An dieser Stelle nun wirft Welles seinen Lesern den Ball zu und zwingt sie zur selbstkritischen Reflexion:
„And before we judge [the Martians] too harshly we must remember what ruthless and utter destruction our own species has wrought, not only upon animals, such as the vanished bison and the dodo, but upon its inferior races. The Tasmanians, in spite of their human likeness, were entirely swept out of existence in a war of extermination waged by European immigrants, in the space of fifty years. Are we such apostles of mercy, (…) as to complain if the Martians warred in the same spirit?“ – Orson Welles
Spielberg überträgt das ganze Schema nun auf Amerika – passend eigentlich, wütet man zeitgenössisch doch gerade im Nahen Osten. Man infiltriert also mit einer unbesiegbaren militärischen Übermacht ein Land (ja, womöglich um dessen Rohstoffe auszubeuten). Aus Sicht der Angegriffenen, die Spielberg hier als Menschen – genauer: als Amerikaner – zeigt, ist die einzige Gegenmaßnahme ein Partisanen- oder Guerillakrieg (so sahen wir es auch täglich in den Medien). Militärtheoretisch spricht man hier auch von einem asymmetrischen Krieg. Diesem liegt zu Grunde, dass die schwache Partei nur eine wirkliche Ressource hat: Die Zeit! Genau diese wird von der starken Kriegspartei stets gefürchtet, da Zeit Geld kostet, Ressourcen und Material verschlingt und den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung schwinden lässt (und den Aliens am Ende auch zum Verhängnis wird). D. h., vornehmlich sehen wir den Überlebenskampf der Spezies, pars pro toto am Beispiel einer kleinen Patchwork-Familie, die lediglich den Vorteil des eigenen Bodens nutzen kann – sprich: die schwache Partei hat Rückhalt in der Bevölkerung und kennt – im Gegensatz zum Angreifer – das Terrain. Viel mehr Vorteile gibt es nicht zu verbuchen. Eben darum fallen solche Gefechtssituationen stets und gerade zu Beginn sehr verlustreich aus.
Für diesen klassischen Ausgangspunkt asymmetrischer Kriege findet sich bereits biblisch ein metaphorisches Bild: Der Kampf David gegen Goliath. Allgemein bekannt ist, dass David diesen Kampf gewinnt. Und so ist eine bestimmte Sache an Spielbergs WAR OF THE WORLDS doch unter ideologischen Gesichtspunkten anmerkens- und bedenkswert! Die metaphorische Funktion der ursprünglichen Geschichte wird hier gefährlich indoktrinierend verklärt und ihrer selbstkritischen Ebene beraubt. Denn während die USA international stets als Goliath auftreten, geben sie sich in filmischen Reflexionen realer Kriegs- und Krisenereignisse stets die Rolle des David (so dürfte nachvollziehbar sein, warum Vietnamkriegsfilme nie die große Invasion des Landes zeigen, sondern stets nur hochdramatisiert kleinere Truppen in arger Bedrängnis illustrieren – Täter- und Opferrollen werden hier verdreht, die Übermacht wird stets dem Feind zugeschrieben). Das passiert auch in Spielbergs Film. Der Amerikaner bekommt die David-Rolle, ohne dabei metaphorisch über sich selbst hinaus auf etwas anderes zu verweisen. Der Amerikaner bleibt eben Amerikaner! Und so kann er sich die Opferrolle auch im Postmillennium schmackhaft machen, während im Nahen Osten Raketen niedergehen, die von unbemannten Drohnen abgefeuert wurden, die wiederum – ohne Gefahr für Leib und Leben – aus irgendwelchen Kommandozentralen in großer Distanz per Knopfdruck abgefeuert werden (quasi wie Blitze aus dem Himmel, die in den Asphalt schlagen). Ob man merkt, dass die Amerikaner hier die eigentlichen Aliens sind? Schwerlich, denn die letzten Worte des Films referieren auf die unendliche Weisheit Gottes, dessen Beistand man sich bewusst sein kann.
Ideologisch wird hier entsprechend alles kaputt gemacht, was man nur kaputt machen konnte. Dieser Film spendet plötzlich Sicherheit, gibt innere Zufriedenheit. Das genaue Gegenteil war einst die Intention der Geschichte. Das sollte man im Hinterkopf behalten, während man sich von der Augenwischerei (ja, ein wenig negativen Beiklang musste ich hier beimischen, obwohl ich den Film ästhetisch genießen kann) wegblasen lässt. Denn visuell bleiben gut 90 Min. der Laufzeit absolut empfehlenswert, sind sie doch ein rauschhaftes Vernichtungserlebnis im stetigen Wechsel mit kleinen, ruhigen Momenten. Ein sehr zweischneidiges Schwert, dieser Film!