„Dad? Ich habe einen Splitter im Finger!“
„Soll ich ihn dir raus holen?“
„Nein! Spinnst du? Mein Körper wird den Splitter schon von selbst abstoßen…“
Steven Spielberg kehrt nach seinem Kinderfilm „E.T.“ wieder ins Science-Fiction-Fach zurück und konfrontiert die Menschheit ein weiteres Mal mit außerirdischen Wesen. Diesmal sind es jedoch keine kleinen, netten Besucher, die nach Hause telefonieren wollen, sondern blutrünstige, berechnende und dem Menschen weitaus überlegene Wesen, die uns für ihre Zwecke benutzen wollen.
Gleich in der ersten Einstellung sehen wir in grobkörnigen, blassen Bildern, wie Tom Cruise in einem Kran einen Container mit höchster Präzision auf den anderen abstellt. In der nächsten Szene fährt er in rasender Geschwindigkeit nach Hause und Spielberg zeigt, dass dieser Mann alles andere als perfekt ist. Er lebt geschieden von seiner Frau und seine beiden sich von ihm entwöhnten Kinder sind zu Besuch. Keinerlei familiäre Idylle, wie wir es sonst von Spielberg gewohnt sind. Keinerlei Harmonie zwischen den Familienmitgliedern, die auf die Probe gestellt werden könnte. Es kann als purer Zynismus von Spielberg gedeutet werden, dass er jene schablonenhafte und immer wieder gern benutzte Plattform der Familienidylle und des Zusammenhaltes umkehrt und dieses Gefühl erst während des Grauens und der Katastrophe wachsen lässt.
Nach dem kurzen Vorstellen der Protagonisten sieht man sich schon gleich inmitten eines Katastrophenszenarios, welches in seiner Machart, Konsequenz und der fantastischen Dramaturgie ein wahres Meisterstück ist; zumindest in den ersten dreißig Minuten des Filmes. Hier zeigt Spielberg in schonungslosen Bildern, zu was das Kino heutzutage im Stande ist. Die Einstellungen erinnern an jene verwackelten Aufnahmen des 11. September, in denen die Menschen ebenfalls wild und kreischend vor den herannahenden Staubwolken der zusammengestürzten Twin-Tower flohen. Chaos, Zerstörung und Schrecken bestimmen das Szenario. Kein Spielberg, wie wir es gewohnt sind. Dabei ist vor allem auch die Soundkulisse zu erwähnen, die durch die fantastische Musikuntermalung von John Williams glänzt, welche sich adäquat in das Gesamtbild mit dem ohrenbetäubenden Tosen der Tripods zusammenfügt.
Nach dem grandiosen Einstieg fängt sich der Film wieder und fährt einige Gänge zurück. Spielberg konzentriert sich nunmehr auf die zweite Konfliktebene des Filmes: Die Familie. Doch macht Spielberg hier nicht den Fehler auf die Kitschebene abzurutschen, sondern er zeigt psychologisch nachvollziehbare Handlungen der Beteiligten, die durch die beeindruckenden schauspielerischen Fähigkeiten (vor allem von der damaligen Newcomerin Dakota Fanning) nochmals unterstützt werden.
Die immer wieder auftauchenden Anspielungen auf zeithistorische, wie auch neuzeitliche Aspekte sind für einen Spielberg-Film erstaunlich erwachsen. So erinnert der brennende Zug an jene aus dem dritten Reich, in welchen die Juden ebenfalls geradeaus den Weg in den Tod nahmen. Auch das abgestürzte Flugzeug weckt wieder Erinnerungen an den 11. September; und die Hilflosigkeit der Armee im Kampf gegen die Tripods könnte als eine Replik auf die Kriegstreiberei von Bush interpretiert werden, bei der unzählige Soldaten im aussichtslosen Kampf im Irak ums Leben kommen.
Bildet ein Groß des Filmes das typische Run-and-Hide-Spiel, so wendet Spielberg gegen Ende des Filmes dramaturgisch das Blatt um 180° Grad. Aus dem Versteckspiel wird nunmehr ein höchst interessantes Kammerspiel, in welchem der tolle Tim Robbins noch einmal glänzen darf. Zwar wird dabei auf Action größtenteils verzichtet, doch die Spannungskurve steigt drastisch an. Nun wird auf ausgeklügelte Weise der Grad zwischen Irrsinn und Hoffnung offenbart… Wer ist nun verrückt? Der Mann, der seine Tochter nach Hause zu ihrer Familie bringen will, oder der Mann, der am liebsten raus rennen würde, um die Aliens zu vernichten?
In diesem Sinne passt auch das von vielen Kritikern verspottetete, obligatorische Spielberg-Ende sehr gut in die Dramaturgie hinein. Alles andere würde dem Tenor des Filmes zuwiderlaufen und die Intention von Spielberg komplett verschwimmen lassen.
„Krieg der Welten“ ist Popcorn-Terror in Perfektion. Spielberg schafft es auf beeindruckende Art und Weise eine Non-Stop-Achterbahnfahrt der Grausamkeiten auf den Zuschauer niederprasseln zu lassen. Langweilig wird es nie und manch eine Szene wird man so schnell nicht wieder vergessen.
8/10