SPOILER
Was macht ein Filmregisseur eigentlich, wenn er einen Film endgeschnitten und abgeliefert hat? Lehnt er sich entspannt zurück, sieht sich seine Kontoauszüge an und freut sich mit steigendem Scheißegal-Gefühl hinsichtlich der Kritiken über die für sein Bankkonto aufgeführten Zahlen? Oder hängt er sich ans Internet oder geht in einen Zeitschriftenladen, um sich mal die eine oder andere Kritik zu seinem Film durchzulesen?
Hinsichtlich seines Streifens „Krieg der Welten“ müßte Spielberg sich in letzterem Fall die Frage stellen, ob er überhaupt nochmal einen Film drehen soll, denn was einige Kritiker an Rezensionen veröffentlichen, offenbart geradezu schmerzhaft, mit welchen Augen heutzutage Filme angesehen werden.
Da weiden sich Heerscharen von Nichtschauspielern in hämischen Kommentaren hinsichtlich der schauspielerischen Leistungen von Tom Cruise und nutzen die Gelegenheit, ihm einen reinzuwürgen, schließlich macht er kein Geheimnis aus seiner Mitgliedschaft bei den bösen Scientologen. So einen muß man ja grundsätzlich schon mit Kritik überziehen.
Da finde ich es wirklich schade, daß Keanu Reeves keiner Sekte angehört.
Hinsichtlich der Story wird bemängelt, daß die großangelegte Invasion von ein paar Bakterien zurückgeschlagen wird, daß die Invasoren dreibeinige Maschinen verwenden, wo doch schon das „Original“ aus den Fünfzigern die guten alten Ufos gezeigt hat, daß die flüchtenden Menschen sich angesichts der hoffnungslosen Situation geradezu strunzdumm verhalten und beispielswiese auf eine gerade ablegende Fähre aufspringen, um sich zu retten, von der es dann kein Entkommen mehr gibt.
Die Figuren seien platt, klischeehaft und nervig, und angesichts der Tatsache, daß All-American-Boy Cruise im Lauf des Films zum Vorzeigedaddy mutiert, ohne daß auch nur ein kleiner Seitenblick auf die Situation in Europa geworfen wird (hey, Ihr Kritiker: es gibt auch noch Afrika und Asien, gar nicht zu reden von den Polen, wobei hier Nord- und Südpol gemeint sind), muß man selbstverständlich davon ausgehen, daß wir es hier wieder einmal mit einem typisch amerikanischen Beispiel von Hurra-Patriotismus zu tun haben.
Ich bin immer davon ausgegangen, daß eine Filmkritik das Für und Wider eines Films zum Gegenstand haben sollte, stattdessen nutzen einige Rezensenten sowohl die Printmedien, als auch diverse Internetplattformen, um ihre eigene Genialität darzustellen. Ein Filmregisseur, dem seine eigene Arbeit auch nur halbwegs etwas bedeutet, wird sich vor diesem Hintergrund irgendwann den Teufel um Filmkritiken scheren und nur noch Simpelfilmchen mit größtmöglicher Chance auf dicken Reibach abliefern.
Auch hier wird wieder deutlich, daß sich das Publikum seinen Markt selbst schafft und genau das bekommt, was es sich offensichtlich so sehnlich wünscht.
Womit haben wir es bei „Krieg der Welten“ zu tun? Mit einem SF-Film? Oder einer Demo, die zeigen soll, wie leistungsfähig die aktuelle CGI-Hardware ist? Einem Remake eines ollen Klassikers oder vielleicht einer Geldsammelaktion für Scientology? Oder der Erkenntnis, daß wir der Hollywood-Mafia wieder einmal auf ihre unseriöse Schliche gekommen sind?
Der Film stellt eine Familie in den Mittelpunkt, und keine Aliens in dreibeinigen Maschinen. Diese Familie besteht nicht aus einem Nobelpreisträger und seinem Anhang, sondern einem Malocher, seinen von ihm zusammen mit der Ex-Frau geschiedenen Kindern und dem Hotshot, für den eben diese Ex-Frau ihn verlassen hat.
Der Mann lebt in einer Bruchbude inmitten eines ganzen Blocks von Bruchbuden und damit abseits von der in anderen Filmen so oft verwendeten Stereotypen-Familie mit Haus, Hund und Familienauto.
Und um zu zeigen, daß es in Amerika nicht nur von Malochern bewohnte Bruchbuden gibt, wird auch das Domizil oder besser die Vorstadtvilla des Hotshots gezeigt, in dem die beiden Kinder des Malochers viel lieber ihren Daddy sehen, als in Ray (Cruise), der sich nunmal in erster Linie für sein Auto interessiert.
Wer jetzt bestreitet, daß es sich hier um eine interessante Ausgangssituation handelt, auf deren Basis zwischenmenschliche Konflikte ohne überladen oder konstruiert zu wirken angesprochen werden, überlege sich, wie der Film wohl ausgesehen hätte, wenn Emmerich ihn gedreht hätte.
Im Gegensatz zu beispielsweise „Independence Day“, wo sich ungeachtet von Glauben, Hautfarbe und kultureller Herkunft die ganze Menschheit plötzlich lieb hat, zeigt Spielberg, daß es schon nicht einfach ist, sich innerhalb der kleinsten sozialen Zelle gegenseitig zu respektieren. Dieser Grundton wird im Augenblick des Angriffs der Aliens konsequent fortgeführt, wo sehr eindrucksvoll gezeigt wird, daß sich im Augenblick der Erkenntnis der Gefahr jeder selbst der Nächste ist.
Dies findet seinen ersten Höhepunkt in der Szene, in der alle ohne jede Überlegung auf die Fähre flüchten. Cruise und seine Kinder schließen sich dem Herdentrieb an, obwohl jedem, auch dem Zuschauer, klar ist, daß man sich hier sehenden Auges in eine Todesfalle begibt. Der Vorteil auf Seiten des Zuschauers liegt hier allerdings in der Sicherheit, mit der er das Geschehen aus dem Sessel verfolgen kann.
Ich denke, Spielberg bekommt es hier überzeugend hin, daß man sich als Zuschauer die Frage stellt, wie man sich selbst in einer solchen Situation verhalten würde, wobei er es sehr geschickt anstellt, dem außenstehenden Betrachter zunächst nur eine begrenzte Grundlage zur Meinungsfindung zur Verfügung zu stellen.
Denn bisher hat Cruise kaum etwas Unrechtes getan, sieht man einmal von einem Autodiebstahl ab, er versucht lediglich sich und seine Kinder am Leben zu halten.
Wer könnte sich damit nicht identifizieren?
In der häufig als überflüssig und zu lang geraten kritisierten Kellersequenz mit Tim Robbins geht Cruise dann einen Schritt weiter.
Zunächst bricht er sich geradezu einen ab, Robbins davon abzuhalten, dem endoskopischen Kameratentakel mit dem Beil zuzusetzen oder die Aliens mit der Schrotflinte zu beharken, er geht sogar so weit, den Mann, der ihm und seiner Tochter Schutz gewährt hat, umzubringen, weil er befürchtet, er könnte das Versteck verraten, nur um letzten Endes selbst auf den Tentakel einzuprügeln.
Besonders diese Szene zeigt, daß Menschen in Katastrophen oft jeden Sinn für Pragmatismus verlieren, und dies ist die eigentliche Kernaussage des Films. Angesichts der sehr sparsam dosierten Militärpräsenz und auch der CGI-Effekte, die der Film zeigt, stelle ich mir die Frage, wie man dem Film die in anderen Werken bis zum Erbrechen gezeigte typisch amerikanische „Wir-sind-die-Größten“-Mentalität nachsagen kann. Bezogen auf die Situationen, die Cruise in Zweisamkeit mit seiner Tochter zeigen, kann von einem solchen Selbstverständnis insbesondere keine Rede sein, auch hier stellt die Kellersequenz einen Höhepunkt dar, als Cruise ihr Schlaflieder vorsingen soll, deren Texte er nicht kennt. Diese Szene ist durchaus gefährlich für die Glaubwürdigkeit des Films bis hierher, da sie von ihrer Prämisse her ein Potential für ein Abrutschen in den von Spielberg früher bis zum Exzess dargestellten süßlichen Kitsch bietet. Cruise macht seine Sache hier sehr gut, obwohl er Scientologe ist.
Hieraus wird dann auch klar, daß der Film sich weder als Remake des Fünfziger Jahre Klassikers noch als werkgetreue Verfilmung des Wells-Romans versteht. Er nutzt lediglich dessen Inhalte, um Aussagen zu treffen, mit denen man innerhalb des SF-Genres bisher nicht in diesem Maße konfrontiert wurde.
Bevor nun ein falscher Eindruck entsteht, ich würde den Film ausschließlich mit Lob überschütten wollen, kommt jetzt die Kritik. Ich stimme vielen Rezensenten uneingeschränkt zu, was daß Ende des Films betrifft (dabei meine ich nicht die Tatsache, daß die Bakterien den Aliens das Handwerk legen, denn so endet schließlich auch der Roman).
Jeder muß sich selbst fragen, ob er damit leben kann, daß die Maschinen Boston auf der Landkarte offenbar nicht gefunden haben. Vielleicht täuscht auch der Insider-Gag, den Spielberg hier eingebaut hat, ein wenig über diesen Wermutstropfen hinweg (die Großeltern werden von Gene Barry und Ann Robinson, denn Hauptdarstellern der alten Verfilmung dargestellt). Was jedoch nur noch als Schuß in den Ofen bezeichnet werden kann, ist die Tatsache, daß der Sohn seinem Vater, den er den ganzen Film hindurch nicht wirklich leiden konnte, wohlbehalten in die Arme läuft. In diesem Zusammenhang hat Spielberg den bereits angesprochenen süßlichen Kitsch, den er in der Kellersequenz noch so gekonnt vermieden hat, aus der Mottenkiste geholt, als wolle er dem Zuschauer zum Schluß noch einmal den Mittelfinger zeigen.
Der Sohn, der aus falsch verstandenem Pflichtgefühl in eine Feuersbrunst läuft, die außer Clark Kent kein Mensch jemals überleben könnte, steht dort vor ihm und trägt dabei auch noch dieselben versifften Klamotten, die er bei seinem Abgang getragen hat, wahrscheinlich, damit man ihn auch wieder erkennt.
Mir erscheint dies besonders deshalb kritikwürdig, weil man einfach nur darauf hätte verzichten müssen, den Sohn nochmal zu zeigen, ohne daß dies zur Notwendigkeit geführt hätte, ein ganz anderes Ende zu konstruieren.
Was Spielberg wohl nicht ausreichend bedacht hat, ist die Tatsache, daß sich so eine mehr als an den Haaren herbeigezogene Wendung am Schluß auf die Bewertung des ganzen Films auswirken muß, weil sie das bereits genannte Stichwort „Glaubwürdigkeit“ deutlich relativiert.
Aber wie gesagt, das Publikum bekommt letzten Endes immer das, was es sich wünscht.