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„WAR OF THE WORLDS“! Ein Titel wie Donnerhall im Ohr des Science-Fiction-Fans. Ende des 19. Jahrhunderts schuf H.G. Wells diesen Roman, nicht unbedingt seinen besten, aber einen wegweisenden für das Genre: Zum ersten Mal wurde eine Invasion von überlegenen Aliens auf der Erde durchgespielt, die die Menschheit vernichten wollen. Wells nahm das –eigentlich ziemlich einfache– Szenario zum Anlass, für ihn typische Kritik an Gesellschaft und Zivilisation unterzubringen. Konkret drehte er die damaligen Verhältnisse um: Das mächtige Britannien, das ein erdumspannendes Kolonialreich geschaffen hatte und viele Völker unterdrückte, wurde plötzlich selbst zur wehrlosen Kolonie und zum Opfer einer scheinbar überlegenen Rasse.

Der Plot war neu und wie geschaffen, nicht nur im Medium Buch erzählt zu werden. Orson Welles brachte den Stoff ins Radio – und wie! Er machte 1938 seine legendäre Pseudo-Reportage daraus, als die Menschen tatsächlich voller Panik auf der Flucht vor den Aliens durch die Straßen liefen.
Auch fürs Kino perfektes Futter: 1953 gab es eine erste Verfilmung, die in Sachen Special Effects für Jahre Maßstäbe setzte und dafür auch den Oscar kassierte.
Und schließlich nahm sich noch das Fernsehen des Stoffs an, um daraus eine leider nur ziemlich peinliche TV-Serie zu kreieren, die Gott sei Dank in der Versenkung verschwand.

Der „Krieg der Welten“ wurde aber so nicht nur selbst ziemlich ausgewrungen, sondern brachte auch eine Unmenge an Variationen und Plagiaten mit sich. Der letzte Blockbuster, der auf diesem Plot beruhte, war „Independence Day“, treffend als „das größte B-Movie aller Zeiten“ bezeichnet. Und auch Shyamalans „Signs“ war eine Reminiszenz an den Weltenkrieg.
Also: Was konnte aus diesem Stoff denn noch herausgepresst werden, Mr. Spielberg?
Der brachte ja schon zweimal Aliens auf die Erde: In den 70ern mit seiner „Unheimlichen Begegnung der dritten Art“ und natürlich in den 80ern den knuddeligen E.T. – das erste Alien in der Filmgeschichte, das einfach nur freundlich nach Hause telefonieren wollte. Und jetzt wollte er für ihn erstmals bösartige Außerirdische auf der Erde wüten lassen. Na gut, aber warum nur? Haben wir das nicht schon oft genug gesehen?

Das Tolle an Spielbergs Erfolg ist ja, dass er für seine Filme dermaßen viel Geld in Hand nehmen darf, dass effektemäßig nichts zu wünschen übrig bleibt. So auch wieder hier: In seinem „Krieg der Welten“ sehen wir atemberaubende Szenen, wie grandios getrickste dreibeinige Maschinenmonster auf der Erde wüten (nicht nur einfache UFOs wie in der ersten Verfilmung), spektakuläre Massenszenerien und hervorragende Katastrophen-Action. Allein die Szene, als das erste Alien-Objekt aus der Erde bricht, lässt den Atem stocken (wobei übrigens die Idee, dass diese Maschinen schon lange in der Erde ruhen, genauso glaubhaft ist, als ob sie –wie in der Vorlage– vom Mars kommen: nämlich gar nicht). Allerdings sind solch eindrucksvolle Spezialeffekte heutzutage im Prinzip Standard - zu einem wirklich überzeugenden Film gehört mehr.

Was also ist mit dem Plot – dem Stoff, der ja immerhin den für uns größtanzunehmenden Krieg aller Zeiten zum Thema hat, mit all seinen Konsequenzen. Die abrupte Auflösung der Zivilisation, die die Menschheit über Zehntausende Jahre so mühsam aufbauen musste. Eine Situation, in der plötzlich das Gerangel der Staaten der Welt untereinander völlig bedeutungslos wird, weil ein gemeinsamer, übermächtiger Feind auftritt. Da kann man durchaus was draus machen!

Und was macht nun Spielberg daraus? Würden –wie in seinem „Jurassic Park“– Kritik und Tiefgang aus der Buchvorlage hinter dem Effektegewitter gänzlich verschwinden? Die Antwort ist: nein. Und anders als man annehmen durfte.

Die Geschichte wurde (natürlich) in die USA verlegt, aber das war in den Umsetzungen zuvor auch schon gemacht worden, und es passt durchaus: Wie bei Wells die damalige Kolonialmacht England steht jetzt die einzig verbliebene Weltmacht Amerika Knall auf Fall völlig wehr- und hilflos einem gigantischen Feind gegenüber. Die Aliens machen kurzen Prozess mit ihr, die US-Armee ist chancenlos, Städte fallen in Schutt und Asche. Dabei bedient sich Spielberg passender Erinnerungen an alte traumatische Bilder: Die Terroranschläge vom 11. September 2001 kommen dem Zuschauer unweigerlich in den Sinn beim Blick auf den Staub im Gesicht von Hauptfigur Ray und beim Anblick der Trümmer des Flugzeugabsturzes. Als Ray sich im Keller vor den nahe donnernden Maschinenangriffen verkriecht, denkt man an Bombenangriffe im 2. Weltkrieg. Hiroshima findet ganz explizit Erwähnung und auch auf den Holocaust gibt es Anspielungen. Alles Situationen, in denen die menschliche Zivilisation auf erschreckende Weise versagte, in denen eine Gesellschaft oder ein Volk nicht nur vernichtend geschlagen, sondern ihre Existenz an sich zum Teil ausgerottet werden sollte.

Diese Völker- und Massenmord-Allegorie und damit auch die Modernisierung des Kernelements aus der literarischen Vorlage ist zwar einigermaßen gelungen, aber etwas verschwindet dabei fast völlig: Die hintergründige Kritik an England bei Wells ist hier in Bezug auf Amerika kaum erkennbar. Stattdessen schafft der Film lieber unmittelbar beängstigende, aber realistische Szenarien: In den Massenszenen herrscht der pure Sozialdarwinismus. Ray muss sein Auto aufgeben, weil es von hunderten Menschen umlagert wird, die alles daran setzen, es selbst benutzen zu können. Die Flucht auf die Fähre vor den Alien-Maschinen gerät zur Massenhysterie. Auch im Kleinen zeigt der Film die Kurzsichtigkeit der Menschen. Ray ist im Keller eingeschlossen mit seiner Tochter und einem Fanatiker, der an nichts anderes denkt als an den Kampf aus dem Untergrund gegen die Invasoren. Dabei bringt er durch sein Draufgängertum das Leben der Tochter in Gefahr, ohne dass er tatsächlich etwas gegen die übermächtigen Aliens ausrichten könnte. Dies könnte vielleicht als Parabel gesehen werden auf umstrittene kurzsichtige Staatspolitik, Feinde mit bloßer Waffengewalt zu bezwingen, ohne einen genauen Plan fürs Danach zu haben und zu bedenken, dass dabei am Ende viel Schlimmeres herauskommen könnte…

Der Plot hat nicht wenige Logiklücken: Wieso zum Beispiel kommt allein Ray auf die Lösung, wie ein Auto wieder zum Fahren gebracht werden kann, während alle anderen zu Fuß gehen müssen? Dies sei verziehen, denn ansonsten überzeugt der Handlungsverlauf. Denn er ist kein typischer Invasions-Sci-Fi-Plot, in dem die Menschen mit technischem Einfallsreichtum glorreich den Feind bezwingen, sondern er orientiert sich am Horrorfilm: Der Zuschauer ist immer unmittelbar beim Protagonisten Ray und seiner Familie – ein völlig normaler Amerikaner, ein völlig normaler Mensch gerät in eine Situation, in der er von einem Schrecken in den nächsten gejagt wird. Als Monster dienen die riesigen dreibeinigen Maschinen, die unbezwingbar scheinen und jede Ecke ausloten, ob sich da noch menschliches Leben verbirgt, um es auszulöschen. Der Film ist durchgehend spannend – scheinbare Ruheszenen wechseln sich ab mit umso beunruhigenderen Schockszenen; jeden Augenblick kann dem Zuschauer ein neuerlicher Schreck in die Glieder fahren.
Dagegen gibt es keine pathetischen Universalszenerien. Der Zuschauer weiß zwar, dass ganz Amerika und die gesamte Welt betroffen ist, gezeigt wird davon –im Gegensatz zu den meisten dramaturgisch ähnlichen Katastrophenfilmen– allerdings fast überhaupt nichts. Auch mit näheren Erläuterungen hält sich der Film wohlweislich zurück. Dies unterstreicht den ganz persönlichen, unerklärlichen Horror, der die Familie ereilt.

Einen für ihn ungewöhnlich düsteren Film hat Spielberg hier geschaffen (auch durch eine gräuliche Farbfiltrierung), aber in gewisser Hinsicht doch wieder einen typischen: Wieder haben wir bei ihm eine Familienstory. Nie steht bei Spielberg etwa die Liebe zwischen Mann und Frau im Vordergrund. Es ist stets das Ideal einer intakten Familie. Dabei übersieht Spielberg leider immer die Gefahr der Überkitschung. Hier ist Ray von seiner Frau getrennt, mit der er zwei Kinder hat. Beide respektieren ihn anfangs nicht wirklich, erst am Ende erkennen sie und die anderen selbstverständlich, dass er ein wahrhaft guter Vater ist. Diesen Familienbezug braucht Spielberg offensichtlich, es sei ihm in diesem Falle aber vergönnt. Denn die Lovestory in der Verfilmung von 1953 war mindestens genauso überflüssig, und die Bedrohung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft durch einen äußeren Gegner ist ja durchaus nachvollziehbar und bietet eine geeignete Identifikationsfläche.

Tom Cruise als Familienvater ist ideal gewählt: Im Kleinen korrespondiert die Rollenwahl mit der großen Story von der wehrlosen Weltmacht: Den so häufigen Filmhelden Cruise sieht der Zuschauer hier als getriebenes Opfer auf der Flucht. Ein einfacher Dockarbeiter und überforderter Vater sucht verzweifelt den Weg aus der Gefahr. Dabei geht auch er bisweilen durchaus rigoros und notgedrungen egoistisch vor.
Schlechter gewählt sind die Charakterisierungen seiner Kinder. Tochter Rachel erweist sich zunächst als typisch naseweises Hollywood-Blag, das man gerne freiwillig den Aliens zum Fraß vorgeworfen hätte. Ihre spitzen Schreie in Bedrohungslagen erhöhen die Sympathie nicht gerade. Dafür kann Darstellerin Dakota Fanning nichts, die Rollenkonstrukteure aber schon. Auch Rays Sohn Robbie macht eine reichlich unglaubwürdige Wandlung durch: Vom pubertierenden Lümmel ohne Interesse an der Außenwelt mausert er sich in kürzester Zeit zum heroischen, selbstlosen Patrioten. Muss das wirklich sein?

Sehr mutig ist dagegen das Filmende gestaltet. Denn es ist gemessen am Hollywood-Standard gänzlich unspektakulär und unheldenhaft. Aber es ist genauso, wie H.G. Wells es aus gutem Grunde schuf: Die Fähigkeiten der Menschheit sind begrenzt, überleben vermag sie nur mit Hilfe unbedeutender, ja eher als schädlich eingestufter Kreaturen. Der Gedanke jedenfalls, dass der Mensch die unangefochtene Elite der Lebewesen sei (oder im schlichten Spielberg-Sprech: die Krone der Schöpfung), ist perdu.

7,5 von 10 Punkten.

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