Review

Ich werde eins Steven Spielberg nie vorwerfen: nämlich, daß er einen uninteressanten Film gedreht hat. Deswegen muß mir aber noch lange nicht alles gefallen, was er produziert. „Krieg der Welten“ ist so eine Bodenwelle von Film, die den Zuschauer in Schwingungen versetzen kann und aus Gründen der Fairness hab ich erst mal eine Woche gewartet, bis ich mich an den Text gemacht habe.
Andernfalls hätte ich in das gängige Horn gestoßen, den Blockbuster als verdammt coole, düstere Unterhaltung oder enttäuschenden Schwachsinn abgetan und die Schwebeteilchen ignoriert. Da die überwiegende Masse der Zuschauer frißt und verdaut (nicht nur während des Films, auch den Film selbst) und nur auf das Sättigungsgefühl hört, wollte ich mal lieber erst alles in den Kühlschrank stellen.

Hoch anrechnen will ich dem Meister, daß er auch hier wieder eine ureigenste Vision eines Romans bzw. eines Drehbuchs zusammenbekommen hat, auch wenn es nicht gleich an allen Ecken und Kanten nach Spielberg schnuppert. Das ist ja schon mal nicht schlecht.
Ferner folgt der Film in seiner modernisierten Variante noch halbwegs ordentlich H.G.Wells literarischer Vorlage, was auch schon mal relativ inspirierend rüberkommt.
Aber weiß das Publikum diese Bemühungen zu schätzen, denn was hier ins Gehege kommt, ist die Präsentation des fertigen Werks als potentieller Sommerblockbuster, ein Genre, das sich weniger durch erzählerische Feinheiten auszeichnet, sondern sich über Schauwerte definiert, Ausnahmen jederzeit gern gesehen.

Wer mit der Blockbustererwartungshaltung herangeht, den erwartet eventuell eine böse Überraschung, denn Spielberg widersteht der Versuchung den x-ten Aufwasch einer ID4-ähnlichen Alieninvasion mit dem üblichen Ami-Patriotismus zu inszenieren. Vergleichsweise hart und manchmal ein wenig bösartig zeigt er den Angriff auf die Menschheit aus der Perspektive des einfachen Mannes (und seiner Kinder), stellt die Attacke als gut ausgearbeiteten Genozid dar und stellt die Reaktionen auf die Katastrophe, der Verlust des rationalen menschlichen Verhaltens in den Mittelpunkt.
Hauptfigur Ray Ferrier kommt über die komplette Laufzeit nur selten zu mehr, als zu kurzfristigen Reaktionen auf die sich ständig verändernde Lage, das „An-sich-selbst-Denken“ wird zur Überlebensmaxime, während die Gesellschaft um ihn herum in Schutt und noch mehr Asche versinkt.
Da wird buchstäblich alles vom Erdboden getilgt, was einmal da war, am Ende bleibt nichts als kahle Landschaft, wo einmal blühendes Leben war. In ausgeblichenen Farben kommt das Ende der Welt über den Zuschauer, und das mitreißende Tempo talabwärts wird es wohl sein, was die positiven Stimmen letztendlich bewogen hat, so zu urteilen.

Aber alles hat auch eine negative Seite und die beginnt damit, daß es für Spielberg und seine Autoren zwar hier keinen Abgrund gibt, der tief genug wäre, der Meister aber wieder mal nicht umhin kann, das Loblied auf den familiären Verbund anzustimmen. Der einzige Anker bleibt der Zusammenhalt der Familie, Rays Ziel stets Boston, um seine Kinder bei ihrer Mutter abzuliefern. Dabei läuft ihm sein Sohn aufgeputscht durch Zorn und Verlust in eine Flammenhölle, seine Tochter schreit sich die Seele aus dem Leib und das Ziel dieser „Mission“ ist höchst fraglich. Steht denn Boston überhaupt noch?

Gott, was wäre das für ein Finale gewesen, aber in den entscheidenden Momenten seines (O-Ton) direktesten und bösesten Films kneift Spielberg. Just, als das zerbrechliche Konstrukt (Vater/Tochter) endgültig durch Tim Robbins durchgeknallten Überlebenden in Lebensgefahr gerät, blendet die Regie ab. Hitchcock hat seinerzeit drauf gehalten, gezeigt, wie schwer es sein kann, einen Menschen in einer Notsituation wirklich von diesem Leben ins Nächste zu befördern. Hier sehen wir angsterfüllte Kinderaugen (nicht, da von einer Augenbinde verhüllt) und eine sich schließende Tür – für Spielberg kann der Mensch nicht auch noch zum Barbaren werden.
Und zum guten Schluß kommt dann tatsächlich noch das Gefühl der totalen Verlogenheit auf, wenn Boston nicht nur steht, sondern auch lediglich so aussieht, als sei Schützenausmarsch gewesen und Ferriers (Ex-) Familie die wohl einzige Amerika ist, die noch keinen Verlust erlitten hat, selbst der in normalen Maßstäben längst tote und knusprig gegrillte Sohnemann steht sonnenuntergangsbeschienen ohne nennenswerte Kratzer auf dem Asphalt und fällt Daddy in die Arme.

Ist das jetzt fehlende Konsequenz? Aus meiner Sicht schon, aber da muß angeführt werden, daß durch diese Ausrichtung auf die Wirkung der Invasion wesentliche typische SF- oder Katastrophenfilmbestandteile außer acht gelassen werden. Der Film beinhaltet somit nichts als eine einzige Flucht, führt das Militär nur als Randfiguren in einem scheinbar hoffnungslosen Fight auf und begründet nie so ganz, warum man EMP-Impulse in Wohngegenden einsetzt, aber strategische Militärbasen davon nicht lange genug betroffen waren, um sie als erstes zu zerstören.

Natürlich fallen auch sonst einige Fragen an, wie eben die nach den seit Jahrtausenden im Boden liegenden Maschinen, die nie geortet und nie gefunden wurden; den EMP-Impulsen, die durch Magnetschalteraustausch beizukommen ist (worauf aber lange niemand kommt); einem Fluß voller treibender Leichen aus einem Kampf oder Absturz (ein eindrucksvolles Bild, nur tauchen Leichen eben erst nach ein paar Tagen wieder auf) oder natürlich der eindrucksvollen Leistung des Protagonisten, im Showdown mit einer Hand zwei Handgranaten ziehen bzw. zünden zu können.

Da der Film eine einzige Flucht ist, durchbricht er auch das gängige Schema dramaturgischer Abläufe und besitzt weder einen finalen Höhepunkt, noch interessiert er sich für die Auflösung des Konflikts, bleibt aber mit seiner Mikrobenlösung immerhin vorlagenkonform. Trotzdem gabs weitschweifig Minuspunkte für diese Auflösung, denn diese Szenen wirken als halbe Alibifunktion für einen Abschluß, wobei natürlich das Publikum nicht gern auf das Fazit „Schwein gehabt!“ hingeführt wird, sondern mit „wir schlagen zurück!“ rechnet. Wie wenig hier auf Publikumserwartungen geschaut wurde, beweist schon die Erzählerklammer an Anfang und Ende, die uns nicht nur berichtet, was gleich passieren wird, sondern auch zusätzlich noch das Ende erklärt, was sonst für zusätzliche Fragen gesorgt hätte (hat es trotzdem). Kurzfristige Schauwerte wie das „rote Gras“ haben leider keinerlei weitere Funktion, die Aliens an sich erinnern mit ihrer latenten Niedlichkeit mehr an Spielberg-Komödien. Und selbst die suspense-gefüllte Sequenz mit dem Ortungsauge im Keller verweist so deutlich auf eine ähnliche Sequenz in „The Abyss“, daß es nie richtig kribbelt.

Das alles wäre noch beeindruckender gewesen, hätte nicht Spielberg ein gewaltiges Gewicht an den Füßen mit sich herum geschleppt: Tom Cruise!
Ich nehme ihm persönlich in keiner Phase den einfachen Lagerarbeiter ab, vielmehr scheint er Regieanweisungen gefolgt zu sein, ohne zu merken, daß ihn Dakota Fanning locker an die Wand spielt, obwohl sie selbst so viel kreischen muß, daß es ihrer Reputation kaum gut tut. Cruises Charisma und seine spezielle Ausstrahlung machen leider jeden Film mit ihm zu einem Cruise-Film (nur „Magnolia“ konnte das diesbezüglich ausgleichen) und da hier mit „everymans“ gedealt wird, wäre ein weniger fixierter Schauspieler (z.B. Robbins selbst oder Edward Norton) hier prägnanter und passender gewesen, allein weil keiner glaubt, Cruise könnte effektiv in Gefahr kommen. Die Szenen mit den Kinder sind selten mehr als verzweifelt bemüht, obwohl Cruise sich stark an die Kandarre nimmt. Bisweilen, z.B. in der Schlafliedsequenz, wirkt das Bemühen sogar zum Quietschen peinlich.

Das alles hat mich persönlich kaum mitfiebern lassen, das Ergebnis war ein ermüdender Lauf von Frustrationen mit Schauwerten, die man eben schon aus anderen Filmen kennt.
In manchen Momenten läßt der Film wirklich nur schwer atmen, z.B. wenn die Dreibeiner über den Berg zur Fähre erscheinen, die Menschen für das Gras verwurstet werden oder die Todesstrahlen lautlos Menschen pulverisieren und Cruise in Leichenasche nach Hause taumelt, dann hat er sein Ziel erreicht. Aber die „Überlebensgröße“ ist hier für die Macher nur von sekundärer Bedeutung und so wird es zu einer zerfahrenen Mischung aus Blockbuster und quälendem Kammerspiel.
Für mich persönlich hat es nicht funktioniert, ich mußte den Film deswegen mehr ertragen als erfahren. Ein Totalflop ist es nicht, aber für eine Seite sich zu entscheiden, wäre der Qualität vielleicht zuträglicher gewesen.
Was jetzt nicht mehr von Interesse ist, da die halbe Milliarde Kinodollars in Reichweite kommt. Mission erfüllt! (5/10)

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