Review

Achtung Spoiler.


Nachdem die letzten Spielberg-Werke (bis auf Minority Report) eher zu perfekt konstruierte Hochglanzprodukte waren, wartete man (oder zumindest ich) natürlich wieder auf einen Hammer a la Jurassic Park o. Jaws. Das die Arbeit auf dieses Ziel hin aber dermaßen untypisch für Spielberg ausfällt, ist überraschend und erfreulich zugleich. Aber alles der Reihe nach.

Der Film beginnt mit einer "Einweisung", welche die Handlung vorwegnimmt. Eine weise, übergeordnete Erzählerstimme erklärt in einer kurzen Einstellung, dass die Menschheit schon seit geraumer Zeit beobachtet wird. Eine leise Kritik am Überlegenheitsgedanken des Menschen (und, wenn man spätere Dialoge betrachtet, eine klare Abkehr zur momentanen Weltpolitik) wird klar und die Szene wird recht gut auf- und eingebaut. Wenn dann der eigentliche Film beginnt, fühlt man sich schon nicht mehr wohl, da man genau weiß, dass die Menschheit einfach keine Chance gegen diese Übermacht hat.
Wenn dann die ersten Blitze einschlagen und Spielberg den entscheidenden Moment berechnend hinauszögert und zeigt, wie die Menschen verängstigt auf der Straße herumirren und die ersten abstrusen Theorien über die Ursache aufstellen, läuft einem der erste Schauer über den Rücken. Der ganze Aufbau dieser Szene ist perfekt und fesselnd inszeniert, hat aber trotzdem genug Überraschungspotential um den Ausgang des Ganzen, den man schon vorher kennt, nicht plump erscheinen zu lassen: Zuerst die Blitze, anschließend Ratlosigkeit. Dann ein Ruck, die Erde bricht auf und plötzlich erhebt sich ein gigantisches Objekt aus dem Boden, das so beeindruckend erscheint, dass man die Reaktion der Menschen auf der Straße nachvollziehen kann: Nicht weglaufen, staunen!
Der Auftritt des Dreibeiners erinnert an das offene Meer und einen Blauwal, der aus dem Nichts auftaucht und zuerst friedlich seinen Körper der Luft präsentiert, um anschließend wieder abzutauchen. Allerdings schlüpft der Dreibeiner nicht wieder in sein Loch sondern "blickt" zuerst umsich, um dann eiskalt den Moment der allgemeinen Veriwrrung auszunutzen und die Menschen ausrottet. Mit beeindruckender Härte wird diese Szene inszeniert. Kein Erbarmen mit seinen Statisten zeigt Spielberg und als Zuschauer sitzt man nur hilflos im Kinosessel und kommt aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Panik, Angst, die Menschen wissen nicht, wohin, verstecken sich an Häusermauern, laufen ratlos durch die Straßen, während der Dreibeiner seelenruhig und unbeeindruckt herumzieht und die Massen auflöst.
Wenn Cruise dann nach diesem ersten Anschlag nach Hause kommt, gelb vom Staub und total paralysiert, lässt sich die Anspielung auf den 11.September nicht mehr leugnen. Ob als Mittel zum Zweck oder als Statement gegen den Krieg eingesetzt, lässt sich nicht so genau sagen, die Wirkung verfehlt diese Szene allerdings nicht.
Auch interessant ist die Szene, in der Cruise mit seinen Kindern flüchtet und diese zuerst an einen terroristischen Anschlag denken. Die allgemeine Angst und der Irrglauben, man sei die Nummer Eins, werden hier eiskalt entlarvt und dafür muss man Spielberg auf jeden Fall loben.
Diese Szenen mehren sich im ganzen Film, laufen aber immer nach dem selben Schema ab.

Nachdem die erste Flucht gelingt, komm das Aufatmen, verflüchtigt sich aber schnell wieder und man weiß: Es gibt keine Aussichten auf Erfolg. Die Menschen stehen dieser unbekannten Bedrohung einfach rat- und mittellos gegenüber, jeder Gegenschlag schlägt fehl, da kann man noch so viele Soldaten verheizen. Was aber keineswegs bedeutet, dass der Film ab jetzt dahinplätschert. Spielberg macht auch nicht den selben "Fehler" wie in A.I., als er gamelike eine Szene an die andere ohne erkennbaren Zusammenhang angereiht hat. Stattdessen konzentriert er sich beinhart auf den Überlebenskampf der Menschheit und präsentiert die ganze Brachialität des Krieges: Keine coolen Sprüche, kein Gemeinschaftsdenken, konsequente Ausrottung aus Eigeninteresse. Eine dermaßen schonungslose Darstellung in einem FSK 12 Film ist man von Family Entertainement-Meister Spielberg eigentlich nicht gewohnt (sieht man von Schindler's List und Private Ryan ab), weshalb der Film noch wesentlich bösartiger wirkt. Gewisse Szenen (z.b. die, in der Cruise sich zwischen seinen Kindern entscheiden muss) erzeugen eine emotionale Wucht, die man von einem Blockbuster sonst nicht erwarten darf, und das muss man Spielberg auf jeden Fall zu Gute halten.

Der dritte Part des Filmes konzentriert sich dann allerdings zu sehr auf Tim Robbins, der den einsamen "Untergrundkämpfer" zwar gut mimt, allerdings zu unmotiviert in die Handlung eingebaut wird. Leider gerät dieser Part des Films etwas außer Kontrolle und wirkt fast schon langweilig, vor allem das Versteckspiel mit dem Greifarm ist eine ziemlich unnötige Szene. Die darauffolgende, in der Cruise Robbins umbringt, um seine Tochter zu schützen, ist aber wieder eine dieser emotionalen, menschlichen Szenen, die wirklich überraschen. Wieder zögert Spielberg den entscheidenen Moment hinaus, schmückt ihn mit den klassischen menschlichen Ängsten und entlarvt wieder den Irrglauben, im Krieg würden die Menschen zusammenhalten.

Leider gerät der Film dann komplett außer Kontrolle. Die Szene, in der Cruise und seine Tochter von einem Dreibeiner aufgesammelt werden, ist gut und spannend inszeniert, aber als die beiden dann nach Boston kommen, begeht Spielberg den größtmöglichen Fehler. Es ist nicht das Happy End an sich, das stört, sondern das, was es aus- bzw. auflöst. Die komplette Tragik des Films, die reine Apokalypse, die der Film beschwört, verschwindet im Nichts; Die Szene, in der Cruise sich zwischen seinen Kinder entscheiden muss, wird durch das Überleben des Sohnes relativiert und mehr oder weniger sinnlos; das Sterben der Aliens kommt zu plötzlich und die Erklärung für deren Sterben ist wirklich eine Beleidigung. Eine Rasse, die schon vor Millionen Jahren Raumschiffe platziert hat, welche die Menschheit seit Jahrtausenden beobachtet, kommt nicht auf die Idee, Schutzanzüge zu tragen? Oder vorher noch einmal zu kontrollieren, ob die Atmosphäre auch für das Überleben geeignet ist? Kein Mensch (und die sind doch die unterentwickelten, sich selbst überschätzenden Wahnsinnigen) würde auf die Idee kommen, auch nur einen Fuß in ein verseuchtes Gebiet zu setzen, auch wenn dort ein paar Kakerlaken herumlaufen. Lieber Mr. Spielberg, so genial Ihr Film ist, aber das Ende ist schlecht. Es ist einfach unwürdig für einen dermaßen atmosphärischen und kompromisslosen Film.

Das Ende ist auch der Grund, warum ich momentan noch keine Note vergebe. Der Film ist ein Meisterwerk und vielleicht einer der besten Filme Steven Spielbergs und bislang auch der mit Abstand beste Blockbuster des Jahres, aber dieses Ende macht zu viel kaputt als dass man aus der ersten Euphorie heraus eine 9 oder 10 vergeben kann.


Nachtrag: Dieser klassische Antiamerikanismus ist hier so dermaßen fehl am Platz, das es wirklich massiv nervt. Warum kann man einen Film nicht sehen, ohne auf jede kleine amerikanische Flagge zu achten? Ich finde es einfach unangebracht, den Film nicht als Film sondern als Kundgebung der Überlegenheit der Amerikaner zu sehen (obwohl es diese in diesem Film offensichtlich nicht gibt). Ist es nicht nach 4 Jahren langsam an der Zeit, sein stupides Weltbild zu überdenken? Es ist doch seltsam, das genau die Leute, welche die Schwarz(Weiß-Denkerei der Amerikaner kritisieren, sind, die genau das selbe tun. Es sind nicht alle Amerikaner dumm und es haben nicht alle Europäer die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Ich weiß, das gehört nicht in eine Filmkritik, aber angesichts einiger Kritiken muss das wirklich mal gesagt werden...

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