Review

Langsam aber sicher entwickle ich mich zu einem Fan von Anders Thomas Jensen. Nachdem ich mir „Dänische Delikatessen“ und „Old men in new cars“ näher gebracht habe, habe ich eine weitere dänische Delikatesse ausfindig gemacht: „Adams Äpfel“. Jensen war hier sowohl Regisseur als auch Drehbuchautor und zeigt ein weiteres Mal seine ganze Klasse. Auch Nikolaj Lie Kaas, den ich ebenfalls schätze, darf man in einer kleinen Nebenrolle als Nazi Holger bewundern. Zurecht ist dieser Film auch auf der Filmdatenbank sehr gut bewertet und man muss sich doch fragen, warum? Denn der Humor, dem wir hier begegnen, ist doch recht speziell und derbe. Ähnliches gilt übrigens für South-Park. Da frage ich mich ebenfalls, warum die ganzen Kritiker keine Bewertungen abgeben. Unsere Filmschau-Gruppe hatte nämlich zwei Mitglieder, die dem Film überhaupt gar nichts abgewinnen konnten. Nicht ein einziges Mal zogen sie die Mundwinkel nach oben, während andere sich die erste Hälfte des Films vor Lachen kaum auf dem Sofa halten konnte.

Die Story ist dabei zweitrangig. Nach ein paar Minuten war ich der Erste, der fragte: „Ist da eigentlich auch eine Handlung enthalten?“ Es geht um den Neonazi Adam (Ulrich Thomsen), der doch sehr stark an den Vorzeigecharakter Harald (Kim Bodnia) aus „Old men in new cars“ erinnert. Dieser wurde soeben frisch auf Bewährung aus dem Knast entlassen und soll vom Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen, auch aus „Dänische Delikatessen“ sowie „James Bond: Casino royale“ bekannt) resozialisiert werden. Neben ihm leben in der Resozialisierungskirche zwei weitere ehemalige Verbrecher. Einmal der fette Gunnar (Nicolas Bro), der zu Alkoholismus und Vergewaltigung neigt und leicht kleptomanische Züge hat, außerdem Khalid (Ali Kazim), der gerne Tankstellen ausraubt und nicht sehr eloquent ist. Ein wirklich skurriler Haufen ist das, den Ivan verwalten soll. Dabei scheint es so, als sei für ihn das Böse auf der Welt leicht mit Hilfe von Gott zu bekämpfen und böse Dinge, die passieren, sind Proben, die vom Teufel ausgehen. Adam soll angeben, was sein Ziel während der Resozialisierung sein soll. Das nimmt er natürlich nur peripher ernst und meint, er wolle einen Apfelkuchen backen. Ivan zögert keine Sekunde und hält das fest. In der Folge stellt sich heraus, dass Ivan eigentlich die meisten Probleme von allen hat: Als Kind wurde er vergewaltigt, seine Frau ist tot und sein Sohn ist behindert. Als wäre das nicht schlimm genug, hat er zusätzlich einen tennisballgroßen Tumor in seinem Kopf, der ihn zu Grunde richten wird. Adam macht es sich zum Ziel, das Weltbild des Pfarrers zu zerstören und bringt ihn dadurch fast ins Grab.

Wichtiger als die Story sind die Charaktere, die mal wieder phänomenal sind. Allesamt. Ich kann gar keinen hervorheben. Diese Charakterzeichnung ist die große Stärke des Anders Thomas Jensen, für die ich sehr dankbar bin. In Verbindung mit seinem skurrilen Humor entsteht eine wahrhaftig unwiderstehliche Mischung, die abendfüllende Unterhaltung garantiert. Das zieht sich bis zum Randcharakter Dr. Kolberg (Ole Thestrup), der nur selten auftritt und trotzdem sehr feinfühlig gezeichnet wurde. Er hat das Problem, sehr direkt zu sein und hat wenig Respekt vor seiner Umwelt. Jeder einzelne Protagonist ist also gut durchdacht und hat seine speziellen Eigenschaften. Unterstützt wird das ganze von Jeppe Kaas’ Musik, die immer passt und nie zu aufdringlich wird.

Interessant ist vielleicht ein Vergleich mit „Old men in new cars“, der von der Story her zwar stark von Adams Äpfel differiert, bei genauem Hinschauen jedoch die identischen Stärken besitzt. Im Gegensatz zu „Old men in new cars“ will Jensen mit diesem Werk jedoch bei allem Humor jedoch auch eine ernste Schiene verfolgen, was gerade in der zweiten Hälfte des Films recht deutlich wird. Bei „ominc“ ist das nicht der Fall. Das wird Adams Äpfel aber ein Stück weit zum Verhängnis. Eine Dreiviertelstunde soll man sich totlachen und dann plötzlich wird alles toternst. Zwar kommen noch die beiden hervorragend witzigen Szenen mit Adams Nazicrew, aber abgesehen davon liegt die traurige Geschichte mit Ivan im Vordergrund. Diese Umstellung ist nicht so einfach und irritiert den Zuschauer meiner Meinung nach ein wenig. Die innere Einstellung, man werde noch eine Stunde herzhaft lachen, ist nicht so einfach aufzugeben. Daher ist es vielleicht ganz hilfreich, vorher Reviews zu lesen, um sich darauf einstellen zu können. Diese „Kritik“ soll mit Vorbehalt genossen werden, da ich äußerst viel von diesem Werk halte.

Fazit: Adams Äpfel ist ein weiteres hervorragendes Werk von Anders Thomas Jensen. Für die Fans ein Genuss, für Skeptiker nur Kopfschüttelpotential. Die Mischung aus bizarrem, derbem Humor, sowie amüsanten Charakteren ergibt hervorragende Unterhaltung, die in diesem Falle nur wenige Abzüge erhält wegen des „Umschwungs“ zur Mitte des Films. Ansonsten ein Hoch auf dänische Komödien! Von mir 8 Punkte. Euer
Don

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