Review

Eine Tragikkomödie mit biblischen Gleichnissen und einem Neonazi, der geheilt wird und zugleich als unfreiwilliger Heiler fungiert.
Anders Thomas Jensen liefert nach seinen dänischen Delikatessen einen weiteren Leckerbissen für Freunde bitterbösen Humors ab.

Schauplatz ist eine kleine Wohngemeinschaft unter der Betreuung von Pastor Ivan (Mads Mikkelsen), der sich soeben Neonazi Adam (Ulrich Thomsen) eher unfreiwillig anschließt, - im Rahmen einer Bewährungsauflage soll er hier drei Monate verbringen.
Auf die Frage hin, welches Ziel sich Adam während seines Aufenthalts stecken würde, antwortet dieser, eher spöttisch, er wolle einen Apfelkuchen backen.
Doch nicht nur die Pflege des Apfelbaums neben der Kirche bereitet Adam Probleme, sondern vielmehr die verblendete Weltsicht des Pastors, die Adam zusehends provoziert.

Dieser kleine, aber feine Beitrag aus Dänemark begeistert von Beginn an, setzt mit Erfolg auf markante Typen, streut zielsicher Situationskomik und regt gleichermaßen zum Nachdenken an.

Adam ist so ein knallharter Nazi im mittleren Alter, Glatze, muskulös, wortkarg und als erstes hängt er sein Hitler-Bild an die Wand seines Zimmers, das bei jedem Glockenschlag von der Kirche nebenan von der Wand fällt.
Sein Gesichtsausdruck ist fast latent grimmig, da sind kleine Nuancen im Minenspiel eine wahre Freude, wenn Adam verwundert ist oder sich in Ansätzen Emotionen entwickeln, die ihm vollkommen fremd sind.

Als Gegenpart haben wir Pastor Ivan, der sich mit Adam einige verbale, aber körperliche Auseinandersetzungen liefert.
In einer Szene schlägt und tritt Adam wie wild auf Ivan ein und in der nächsten geht der blutverschmierte Pastor zum Alltagsgeschehen über, als sei nichts geschehen.
Für ihn ist das die Versuchung Satans, der ihn Zeit seines Lebens auf eine harte Probe gestellt hat.
So ist Ivan auch durch und durch eine tragische Figur, die mehrere Schicksalsschläge erlitten hat und doch jeder noch so lebensbedrohenden Situation trotzt.

Die Verknüpfung von tragischen, humorvollen und geistreichen Elementen ist Jensen wunderbar gelungen. Zuweilen bleibt einem zwar das Lachen im Adamsapfel hängen, wenn anstatt eines Raben ein Kater vom Baum geschossen wird, aber dafür findet der Pastor schnell erklärende Worte: „Er war des Lebens überdrüssig…“
Auch die anderen WG-Bewohner sorgen für Auflockerung, wie der Araber Khalid, der die Nazis als „Schwuchteltruppe“ beschimpft, oder der dicke, schmierige Gunnar, der den ganzen Tag „Hustensaft“ trinkt, weil seine Karriere als größtes Tennistalent Dänemarks abrupt beendet wurde.
Obgleich niemand der Figuren sympathisch ist, ist es ihr Zusammenspiel umso mehr.

Jensen erzielt glaubwürdige Charakterwandlungen, die mit biblischen Gleichnissen verknüpft werden.
Das Buch Hiob, - warum lässt Gott Leid zu – fällt Adam immer wieder in die Hände und trifft in seiner Fragestellung voll auf die Figur Ivans zu.
Überhaupt: Adam, der Sündenfall, der Apfelbaum, die Raben, die die Frucht bedrohen.
Da gibt es jede Menge Raum für Deutungsmöglichkeiten.
Dabei überfrachtet Jensen seine Geschichte jedoch nicht, sondern lockert sie immer wieder auf, bringt ruhige Momente, wie den Tod eines alten Mannes oder heitere, wie die einzige Kassette in Ivans Auto, von der ausschließlich „How deep is your love“ von Take That erklingt.

Dabei tragen die Darsteller den wohl größten Teil zur Unterhaltung bei, denn da enttäuscht niemand, alle spielen ihrer Rolle entsprechend überzeugend.
Thomsen gibt den Nazi, wie erwähnt, mit viel Feingefühl und hervorragender Zurückhaltung.
Mikkelsen spiegelt den Pastor schon rein äußerlich hervorragend wider, mit Seitenscheitel und typischem Vollbart, sind vor allem seine verballen Attacken gegen seine Schäfchen eine Wucht.

Es ist eine kleine Welt, die Jensen zeigt und doch eröffnet sich bei vielen Figuren der Blick für die weite Welt, außerhalb der kleinen Wohngemeinschaft.
Am Ende kann ein Apfelkuchen doch verbinden, ohne dabei ins Kitschige zu verfallen.

Insgesamt ist Jensen ein ungewöhnlicher und zugleich sehenswerter Film gelungen, der mit lebendigen und glaubwürdigen Charakteren punktet und nur manchmal die Grenzen des guten Geschmacks ein wenig überschreitet.
Aber am Ende verlässt man das Kino mit einem höchst zufriedenen und leicht herzerwärmten Gefühl.
8 von 10

Details
Ähnliche Filme