Review

Bereits 2004 abgedreht, drohte „Ultraviolet“ lange Zeit das Aus in Sonys Giftschrank oder gleich ein unrühmlicher DTV-Release. Kurt Wimmers ambitionierte Adaption eines nichtexistenten Comics, auf den im Intro verwiesen wird, wurde mit günstigen 30 Millionen Dollar realisiert, verwandelte sich in der Post Production allerdings in ein Chaos, als die Ergebnisse erster Testscreenings darauf hindeuteten, dass Wimmers eigenes Drehbuch so nicht funktionierte.
Noch während er den Film umschnitt und um Szenen erleichterte, zog Sony jedoch die Notbremse, entzog ihm die Verantwortung und schnitt sich selbst einen Film zurecht, der mit knapp 90 Minuten eine gute halbe Stunde kürzer als der ursprüngliche Rohschnitt ist. In wie fern diese Version noch Wimmers Vision entspricht, ist noch unklar. Fakt ist aber, dass er selbst schon Hand angelegt hatte und einige Minuten entfernt hatte. Bleibt abzuwarten, ob Sony ihm für einen weiteren DVD-Release noch einen Director’s Cut erlaubt, was wünschenswert wäre.
Auf die recherchierten Unterschiede zwischen Rohschnitt und der aktuell vorliegenden erweiterten PG-13 – Fassung gehe ich weiter am Ende des Reviews ein. Nur so viel deswegen vorweg: Nicht nur die Handlungsstränge wurden reduziert, „Ultraviolet“ musste auch in den Actionszenen, die auf ein R-Rating ausgelegt waren, viele Federn lassen und das sieht man den mehrmals eigenartig zusammengeschnittenen Fights schon an. Ergo ist das, was Sony mal wieder marktschreierisch als unrated und extended auf DVD veröffentlicht, gemäß ihres Kredos nur eine weitere Abzocke, bei der einfach die Kinofassung um ein paar unwichtige Szenen (vermutlich deleted scenes) und minimale Action erweitert wurde.

Seit „Equilibrium“, der so ungeschickt fürs Kino vermarktet wurde und wenig später mit seinem DVD-Release zu einem echten Renner avancierte, brenne ich nun schon darauf, dass „Ultraviolet“ mir endlich unter die Augen kommt. Der leaked Fightclip genoss eine zeitlang im Internet auch meine Aufmerksamkeit. Da waren die ewigen Verzögerungen natürlich nicht hilfreich, heizten aber zumindest die Vorfreude an und Wimmer enttäuscht nicht.

Natürlich ist diese Fassung eher ein Sony-Cut und nicht im Wimmers Sinne, aber es steckt noch vor allem inszenatorisch viel von ihm drin und allein das macht „Ultraviolet“ sehenswert.
In seiner futuristischen Dystopie bekämpfen sich Menschen mit einer Art Vampire, den Hemophagen, die mit einem Virus infiziert worden sind, der einst versehentlich aus der Forschung nach einer Art Supersoldaten entstand, freigesetzt wurde und ihnen übermenschliche Kräfte und Sinne verleiht, gleichzeitig die Lebensdauer auch auf zehn Jahre reduziert. Sie sind nicht empfindlich gegen Sonnenlicht oder Knoblauch und trinken auch kein Menschenblut, sondern ernähren sich von regelmäßigen Infusionen und können genauso wie Menschen getötet werden.
Um den Virus einzudämmen, forderten die Menschen eine Zwangsregistrierung aller Hemophagen. Doch die Situation änderte sich, die Vampirwesen wurden in Lagern weggesperrt und ausgerottet, was dazu führte, dass die Überlebenden der Spezies sich in den Untergrund zurückzogen, um von dort aus einen rebellischen Kampf zu eröffnen.

Wimmers Prämisse erinnert nicht von ungefähr an das wohl düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, denn seine Vorliebe sich Motive aus dieser Zeit zu borgen, war schon in „Equilibrium“ omnipräsent und setzt sich hier auch in diversen Designs fort. Die ganz in schwarz gekleideten Soldaten tragen Helme und Atemschutzmasken, die offensichtlich denen der deutschen Wehrmacht des 2. Weltkriegs ähneln und auch die Pflicht des Tragens von Armbändern in der Öffentlichkeit, nachempfunden der gebrandmarkten Juden während des Nazi-Regimes, weisen deutlich darauf hin.

Violet gehört zu den wenigen, die den Holocaust überlebt haben, doch ihre Lebenszeit ist fast abgelaufen und sie weiß keinen Ausweg dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, ist dafür aber eine nahezu unbesiegbare Kämpferin mit einem etliche Gimmicks bereithaltenden Kampfanzug und wird von Milla Jovovich („The Fifth Element“, „Resident Evil“) saucool verkörpert.
Dagegen stinkt ihre Alice der „Resident Evil“ – Filme doch deutlich ab und sie beweist ein ums andere Mal, warum Wimmer sein Drehbuch ausgerechnet mit ihr im Hinterkopf schrieb. Ihre Oneliner bringt sie trocken, in den Kampfszenen sind Doubles zumindest nicht offensichtlich auszumachen und Emotionen kann sie, wenn es die Szene erfordert, auch aufbringen. Neben Kate Beckinsale bleibt sie aktuell jedenfalls die überzeugendste Action-Heroin in sexy Outfit.

Wimmers visuelle Umsetzung ist währenddessen einmal mehr ein Schmankerl für die Augen. Einigen mag seine CGI-Welt billig vorkommen, weil sie offensichtlich auch als solche zu erkennen ist und er mit seinem Budget auch nicht in der Liga von George Lucas spielen kann, anderseits versprüht diese monochrome, helle, künstliche Welt aber genau das Flair eines bunten Animes und löst sich damit auch wohltuend von den sonstigen Comicverfilmungen, die Hollywood in den letzten Jahren produzierte.
Ich konnte mich mit den hellblauen, weißen, transparenten Farbgebungen des Films jedenfalls aufgrund der visuellen Abwechslung anfreunden.

Dabei ist „Ultraviolet“ ein rasantes Fest für die Augen, das Wimmer mit gewohnt hervorragenden Actionszenen garniert, die halt unter den Cuts für das PG-13-Rating leiden. In den rund 90 Minuten hat der Film eigentlich nur zum Ende hin einen, kleinen dramaturgischen Durchhänger und legt ansonsten ein hohes Tempo vor.
Gleich der Auftakt, der Angriff einer Rebelleneinheit, die sich zu einer Art Kugel geformt, aus einem Gleiter in die Glasfassade der Blutbank stürzen und dort von Sicherheitspersonal nieder gestreckt werden, fährt bereits viel davon auf, was Wimmers Actionszenen so virtuos stylisch aussehen lassen.
Während Klaus Badelt („Basic“, „Catwoman“) nach seiner Durststrecke endlich mal wieder einen mitreißenden, fetzigen Score komponiert hat, fährt Wimmer Sword- und Gunplay in üblich effektverliebter Art auf. Das Mündungsfeuer muss offensichtlich und stets präsent sein, auch wenn die Gegner schon tot zu Boden fallen, und die Shootouts werden von staubenden Einschüssen begleitet. Dazu regelmäßig Bullet Time – Sequenzen, die nicht neu sind, aber gut in Wimmers Konzept passen. Gläserne Panzerrüstungen der Gegner werden zu Scherben zertreten und ein cooler Oneliner darf auch nie fehlen. Dazu immer wieder fließende Zooms in Sonnenbrillen und Spiegelreflektionen, um in Fights Umschnitte zu vermeiden oder später ein Schwertduell, komplett in einem abgedunkelten Raum, der nur von den in Flammen stehenden Klingen erhellt wird. Wimmers einfallsreiche Inszenierung sieht wirklich phantastisch, wenn auch etwas verspielt aus.
Auf Violets geschickte Infiltration des Laborkomplexes zu Beginn, wo sie bereits etliche Wachmänner zusammendrischt und eine Art Apparat einsetzt, der für sie die Gravität außer Kraft setzt, folgt eine Verfolgungsjagd mit Polizeiwagen und einem mit einer Gatling bestückten Helikopter, dem sie sich auf dem Dach eines Hochhauses stellt.
So unrealistisch die Szene auch aussehen mag, wenn sie die Fassade mit dem Motorrad hochjagt, sie trägt Comiccharakter in sich und ist eine überaus schicke Zerstörungsorgie mit Slowmotion und allem drum und dran.
Später darf Violet natürlich auch das in „Equilibrium“ entwickelte Gun-Kata, ein Mix aus Schusswaffengebrauch und Martial Arts auf der Basis der Wahrscheinlichkeit in tänzelnder Ästhetik, walten lassen, wenn sie sich Dutzenden von Angreifern stellt, einen nach dem anderen niedermäht und sich zum nächsten Raum vorarbeitet. Wer daran Gefallen gefunden hat, wenn sich Wesley Snipes als Daywalker durch Gegnerhorden fightet, dem werden auch diese Augenblicke mit Posing-Szenen in Slowmotion und allem drum und dran Fun bereiten.
Zweimal dringt Violet in das Regierungsgebäude ein und zweimal garantiert sie dabei überlange Actionsequenzen mit Dauerfeuer, Swordplay und Martial Arts, dass dem Sci-Fi-Action-Fan das Wasser im Mund zusammenläuft.
Alles in allem gibt es mehr als genug Action und sie sieht verdammt scharf aus. Da freut man sich regelrecht auf einen Director’s Cut. Denn mehrmals werden etliche Manöver nur angedeutet, anstatt sie durchzuziehen.

Der Plot offenbart dabei nichts allzu Ungewöhnliches. Violet entführt aus einem Regierungskomplex die ultimative Waffenentwicklung, um die Hemophagen endgültig auszurotten. Nun entpuppt sich diese Waffe aber als ein sechsjähriger, unschuldiger Junge, von nun an nur noch Six (Cameron Bright, „Godsend“, „Running Scared“) genannt, der im Labor gezüchtet, etwas in seinem Blut hat, dass Violet und ihre Spezies töten kann. Doch anstatt ihn von ihren Leuten töten zulassen, empfindet sie Mitleid mit ihm und flüchtet gemeinsam mit den Sprössling nun vor den Menschen wie auch der Gruppe Hemophagen, bis sie den Spieß umdreht sich zum finalen Endkampf entschließt.

Dabei tritt Nick Chinlund („Tears of the Sun”, „ The Chronicles of Riddick”) als skrupelloser Oberbösewicht und Endgegner Daxus genauso auf den Plan wie William Fichtner („Armageddon“, „The Longest Yard“), der quasi seine Rolle aus „Equilibrium“ wiederholt, für Violet die letzte Stütze darstellt und ein paar Backgroundinformationen an den Zuschauer weitergibt.

Die Spannung hält sich während des Fluchtszenarios in Grenzen, weil der Simpelplot auch keinerlei sonderlich überraschende Wendungen nimmt und der Hauptaugenmerk auf der regelmäßigen Action liegt. Im direkten Vergleich mit „Equilibrium“ könnte man „Ultraviolet“ deswegen auch als dümmer bezeichnen. Einige Ideen, auch visuelle, entnimmt Wimmer der „Blade“ – Trilogie offensichtlich, oder neigt kurzzeitig dazu in Reminiszenzen zu schwelgen. Wer Christian Bales Fight in der Säulenhalle aus „Equilibrium“ kennt, wird diese Szene hier beispielsweise leicht variiert wiederentdecken. Die Kreativität findet sich also in den schick choreographierten Actionszenen und etlichen technischen Gimmicks wieder. Unter anderem dachte Wimmer sich die „Inter Dimensional“ – Technologie aus, die Violet es erlaubt ein unglaubliches Arsenal mit sich zutragen, das sie in ihren Armbändern abgespeichert hat und bei Bedarf materialisiert.

Vorsicht, der folgende Abschnitt enthält Spoiler:
Die Unterschiede zwischen dem Rohschnitt und der erweiterten PG-13-Fassung lassen sich auf zwei Schwerpunkte einschränken: Handlung und Action.
Aus den Kampfszenen wurden vor allem knackende Geräusche brechender Knochen, Oneliner und ein paar coole Manöver Violets getilgt, um das niedrige Rating zu realisieren. Unter anderem fehlt eine Szene, in der Violet zum ersten Mal erfolglos auf die Glaspanzer der schwarzen Soldaten schlägt und dafür ein „Shatterproof Armor, Bitch“ kassiert, nur um dann mit voller Wucht die Panzer zu zerschlagen. Violets Flucht vor dem wüst mit der Gatling um sich schießenden Helikopter beinhaltete ursprünglich eine Szene, in der hinter der Glasfassade etliche Unbeteiligte in einem Büro durchsiebt werden.
Außerdem schießt sie bei ihrer Flucht vor den eigenen Artgenossen einem Gegner die Hand ab, nachdem der sie mit den Worten „I'm gonna kill you with my bare hands!“ bedacht hat. Von diesen schwarzhumorigen Momenten gibt es noch mehr, denn nur die wenigsten haben es in die momentane Fassung geschafft.
Auch die Szene, in der die Hemophagen die Beleuchtung zerschießen, um eine Chance gegen Daxus Männer zu haben, war ursprünglich der aus „Equilibrium“ sehr ähnlich und dauert über eine Minute, die nur von Mündungsfeuer erhellt wird, während die Vampirwesen die hilflosen Soldaten abschlachten.
Alles wirklich coole Szenen, die unbedingt ihren Weg zurück in den Film finden sollten. Mal schauen, ob Sony da wirklich noch einmal etwas nachschiebt.

Abseits einiger Dialoge, die wohl aus Tempogründen für die Kinofassung kürzer gehalten werden, sind einige Flashbacks in Violets Vergangenheit komplett entfernt worden, woraus wohl auch der große Zeitunterschied zwischen beiden Fassungen resultiert.
Dort erfährt man, wie sie schwanger im Krankenhaus durch einen Hemophagen mit dem Virus infiziert wurde und das Schicksal seinen Lauf nimmt, ihr Kind darauf von der Regierung getötet und sie ihrem Ehemann weggenommen wird und ihn viel später heimlich dabei beobachtet, wie er eine neue Frau hat.
Daxus Einführung ist darüber hinaus auch ausführlicher gestaltet und man erfährt etwas über seine gesundheitlichen Probleme.

Kommen wir nach einem mal wieder viel zu langem Review, das ich eigentlich wesentlich kürzer halten wollte, endlich zum Schlusswort.
„Ultraviolet“ erfindet das Rad sicher nicht neu und Kurt Wimmer spendiert seiner zweiten Großproduktion auch keine sonderlich einfallsreiche Geschichte, beweist darüber hinaus aber erneut, was für ein ökonomischer Filmemacher er ist und von ihm in Sachen Action und Inszenierung neue innovative Schübe zu erwarten sind, sofern man ihm wieder eine Chance gibt. Denn für 30 Millionen Dollar ist das unterhaltsame Endresultat wirklich ein Schnäppchen gewesen.
Actionfans, die sich mit oberflächlicher, aber kurzweiliger Sci-Fi-Kost anfreunden können und ohne großartige Ansprüche an den Filmstoff gehen, werden jedenfalls mit Sicherheit ihren Spaß haben.


Fazit:
Kurt Wimmers „Ultraviolet“ erweist sich als kurzweiliges, actionreiches Science-Fiction-Abenteuer mit einem ausbaufähigen Szenario, das sich vornehmlich auf die wirklich virtuos choreographierten, stylishen Kämpfe, bestehend aus Martial Arts, Shootouts und Verfolgungsjagden, konzentriert und mit Milla Jovovichs Violet eine saucoole Heldenfigur kreiert.
Der visuelle, kraftvolle Look mit seiner monochromen, hellen Neon-Farbgebung und der wohl beabsichtigen Künstlichkeit erinnert vornehmlich an futuristische Animes und bietet willkommene Abwechslung zu Hollywoods eintönigen Sehgewohnheiten.
Bleibt nur zu hoffen, dass Sony Kurt Wimmer für eine weitere DVD-Veröffentlichung begnadigt und einen Director’s Cut in Auftrag gibt, der Wimmers Version entspricht. Der würde ich sicherlich dann noch einen Bonuspunkt spendieren.
So bleibt der Film erst einmal bei 7 Punkten hängen, denn die Zensierung der Fights stößt schon sauer auf und der schwarze Humor könnte auch noch einen Gewinn darstellen. Hoffen wir das Beste und begnügen uns mit dem, was Sony bisher kredenzt: Einen flotten Science-Fiction-Actioner von einem vielversprechenden Regisseur, dessen Umsetzung optisch abwechslungsreich wie schick geriet und der damit den konventionell gehaltenen Plot geschickt kaschiert. Etliche technische Gimmicks, Klaus Badelts mitreißender Score und der ungewöhnliche Look besorgen den Rest. Temporeich, visuell versiert und ohne Leerlauf. Was will man mehr? Den DC!

Details
Ähnliche Filme