Auf eine Art fühlt man sich nach "Insel der Dunkelheit" wie nach einem Besuch beim Fast Food Asiaten um die Ecke: es schmeckt zwar erst einmal richtig lecker, aber wenn man fertig ist, dann fehlt einem doch irgendwie etwas.
Die junge Lehrerin Julie verschlägt es nach einer persönlichen Pechsträhne auf eine idyllische Insel vor der Küste Norwegens, wo sie die Kinder einer kleinen Gemeinde unterrichten soll. Schon bald erlangt sie jedoch Kenntnis von merkwürdigen Ungereimtheiten, die den Tod zweier Mädchen betreffen. Die reservierten Inselbewohner reagieren verschlossen auf ihre Nachforschungen und pflegen überdies ohnehin recht seltsame Verhaltensweisen. Als Julie sich der jungen Außenseiterin Solveig annimmt, muss sie bald feststellen, dass sie das Mädchen durch ihren modernen, aufgeschlossenen Einfluss in große Gefahr bringt. Als Julie beginnt hinter das Geheimnis der Inselgemeinde zu blicken, eskaliert die Situation für alle Beteiligten.
"Insel der Dunkelheit" kann für eine gewisse Zeit zunächst einmal richtig gut unterhalten. Auch optisch bietet der Film sehr schöne Aufnahmen der Küstenlandschaft, sowie eine gute Kameraführung mit einigen sehr gelungenen Einstellungen. Die Story, die auf den ersten Eindruck hin nicht unbedingt originell anmutet, wird im Verlauf der Handlung sehr ordentlich erzählt und die Entwicklung der Ereignisse baut kontinuierlich Spannung und eine Erwartungshaltung in Hinblick auf die Auflösung der Geschichte auf. Schließlich besteht das Ensemble durch die Bank aus sehr guten Schauspielern, wobei man sich zumindest hierzulande zusätzlich über die unverbrauchten Gesichter freuen darf, die sich wohltuend von der "jung, schön und makellos"-Ästhetik einer typischen Hollywoodproduktion unterscheiden.
Den Storyverlauf zu kommentieren, ohne diesen zu spoilern, fällt bei "Insel der Dunkelheit" eher schwer. Allgemein lässt sich sagen, dass die Zusammenhänge nicht willkürlich oder konstruiert erscheinen, sondern zumindest in verhaltenspsychologischer Hinsicht glaubhaft aufeinander abgestimmt sind. Was die Charakterzeichnungen angeht, so sind neben Julie im Grunde nur drei weitere Figuren hervorzuheben, die restlichen Beteiligten sind untereinander austauschbar. Man könnte sie im Kollektiv jedoch auch als einen weiteren zusätzlichen Charakter betrachten, da sie weitgehend uniform handeln und im Grunde auch mit einer Stimme sprechen. Diese Tatsache hängt natürlich mit dem Geheimnis der Inselgemeinde zusammen.
Da die Entwicklung der Story dieses Geheimnis erst allmählich lüftet, soll an dieser Stelle auch darauf verzichten werden, die Motive der Schlüsselfiguren im Detail zu analysieren. Neben Julie, die als Protagonistin nicht dem Klischee einer typischen Filmheldin entspricht, da ihre Figur durchaus auch unsympathische Merkmale aufweist und Julie in ihrer Wahrnehmung ihrem Naturell entsprechend voreingenommen ist (was dem Handlungsverlauf natürlich sehr dienlich ist), bleiben somit im Grunde nur drei Personen als Handlungsträger übrig. Damit ist man jedoch auch schon bei einem der Schwachpunkte des Films angelangt, denn der Umstand, dass innerhalb des religiösen Kontexts der Geschichte neben einem unschuldigen Opfer, einem Wolf im Schafspelz und einem Schaf im Wolfspelz keine weiteren Akteure vorhanden sind, schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten der Story natürlich deutlich ein.
Die Hinweise auf das wahre Wesen der einzelnen Figuren sind schlüssig in die Handlung eingearbeitet, wobei einige Aspekte in der Umsetzung dann doch etwas arg überbetont werden: die Verwendung der Farbe Rot etwa, aber auch die übertriebene Symbolik, die das tatsächliche Wesen der Beteiligten charakterisieren soll. So genügt es etwa nicht, dass ausgerechnet derjenige Charakter im Film als einziger am Ende Klarblick beweist, dem man es am wenigstens zutrauen soll, während sich die Wahrnehmung aller anderen als merklich getrübt herausstellt, nein, hier muss auch noch der kontextbezogene religiöse Aspekt eine entsprechende Übersteigerung erfahren. Festgemacht wird dies - nur um ein Beispiel für die Art der Umsetzung zu nennen - an der Tierliebe jener Person, die diese daran hindert eine Katze zu haben, weil Katzen nun einmal Mäuse fangen und töten. So wird mit dem Zaunpfahl auf eine geradezu biblische Sanftmütigkeit bei demjenigen verwiesen, der im Gegensatz zu allen anderen im Film als Einziger nicht ständig von Gottes Wort und der Liebe zu seinem Nächsten faselt.
So ist die Kontroversität der übrigen Beteiligten - so ihre Rolle dies vorsieht - auch recht durchschaubar. Um einmal mehr auf Julie zurückzukommen, ist dies aber nicht unbedingt negativ zu werten. Julies Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, trotz scheinbar mangelnder pädagogischer Kompetenz im Beruf, ihre Impulsivität, die ihr bisweilen den Blick verstellt und sie und andere in Gefahr bringt, ihre sexuelle Attraktivität und der Versuch, den Dorfpfarrer zu verführen, all dies macht sie einerseits nicht nur als Hauptfigur vielschichtiger, sondern stellt teilweise auch einen Bezug zu den religiös motivierten Gewaltexzessen im Film her, da diese Aspekte von Julies Charakter die abstruse religiöse Theorie der Sektierer zu bestätigen scheinen.
Das Ende bietet einen Twist in letzter Sekunde, der auf eine Aussage des Sektenführers verweist und die Möglichkeiten eines glücklichen Ausgangs zumindest deutlich einschränkt. Viel mehr sei darüber nicht verraten. Leider schwächelt jedoch das Finale an sich, da die letzte Viertelstunde des Films diesen eher ins Fahrwasser eines beliebigen Horrorfilms lenkt, bzw. die Konfrontation zwischen Julie und der Sekte aus entsprechenden Versatzstücken anderer Filme zusammenbastelt. Das ist schade, da der psychologische Unterbau der vorausgegangenen Handlung am Ende nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt und das Finale im Grunde nichts weiter als eine mäßig spannende Actionsequenz darstellt.
Grundsätzlich ist "Insel der Finsternis" ein wirklich ordentlicher Psychothriller, dem man mit etwas zeitlichem Abstand auch sehr gut erneut anschauen kann. Mit einem besseren Schluß wäre jedoch ein wirklich herausragender Genrebeitrag entstanden, so reicht es "nur" für fette 7 / 10 Punkten.