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Wenn man Horror, Science Fiction und Musikfilm mischt, dann kann in einem günstigen Falle dabei die „Rocky Horror Picture Show“ rauskommen. In einem weniger günstigen Falle hört das Ganze dann auf den Namen „Vicious Lips“ und wurde von Albert Pyun für Charles Bands Empire Pictures fabriziert.
Albert, gleichzeitig Regisseur und Drehbuchautor des hierzulande „Planet des Grauens“ genannten Films, haut auch direkt ein Selbstzitat raus, wenn er den Club Radioactive Dream zeigt – kurz zuvor hatte er „Radioactive Dreams“ gedreht. Hier wiederum residiert eine angesagte Musikmanagerin, die einen Ausfall im Programm hat, weshalb der dafür Verantwortliche entlassen wird, der sich vor lauter Verzweiflung darüber erst einmal selber in den Kopf schießt. Also ruft man den Talentscout Matty Asher (Anthony Kentz) am anderen Ende der Galaxis an, der die Rockband Vicious Lips managt, welcher aber gerade die Sängerin flöten gegangen ist – sie wollte kündigen und wurde dann überfahren. Letzteres natürlich offscreen, alles andere hätte ja Geld gekostet.
Doch bei einer Talentshow wird Matty auf die Sängerin Judy Jetson (Dru-Anne Perry) aufmerksam, die er prompt als Ersatz anheuert. Nach besagtem Anruf wird die Girlgroup ins nächste Schiff gepackt, mit dem man gen Radioactive Dream aufbricht. Dumm nur, dass das Raumschiff einen Crash baut. Noch dümmer, dass in der Gefängniszelle des Schiffs ein monströser Mehrfachmörder sitzt, der auf seine Chance wartet abzuhauen…

Wer jetzt denkt, dass all das schnell passieren würde und von da an eine schweißtreibende Hetzjagd des Monsters auf seine Opfer ausbricht, der ist schief gewickelt. Denn auf die lange Exposition und die ausgiebig bebilderte Schiffsreise folgt eine ebenso ausgewalzte wie enervierende Phase, in der Judy und ihre drei Bandkolleginnen im gestrandeten Schiff rumhocken, sich teilweise grundlos angiften und gelegentlich Reparaturversuche unternehmen, während Matty loszieht um Hilfe zu suchen. Von kohärentem Figurenverhalten keine Spur, etwa wenn Bree Syn (Gina Calabrese) Judy erst aus der Band drängen will, kurz darauf aber einen Riesenhals bekommt, weil diese das tatsächlich tun will. Zwischendrin werden wechselnde, stets schrille Outfits und Frisuren aus der tiefsten Eighties-Hölle spazieren getragen, wobei Albert wohl irgendwann keine Übersicht mehr hatte, wer wann was trägt. Da sitzt Judy in einer bestimmten Tracht im Cockpit, kriecht heraus und ist der nächsten Szene komplett anders gestylt und gewandet.
Gut, mit Kohärenz, Kompetenz und Logik hat der Film eh nicht viel am Hut, wenn das Ganze nach etwas mehr als einer konfusen und irritierenden Stunde zu einem dermaßen doofen Auflösungstwist führt, dass es die Sau graust. Vorher bricht der Killer, der wie eine Mischung aus Alice Cooper und einem Ghul aussieht, dann tatsächlich aus seiner Zelle aus und sorgt für etwas mehr als zehn Minuten Gekreische und Gerenne auf Opferseite, garantiert spannungsfrei und beinahe so enervierend wie vorigen Rumsitz- und Laberpassagen.

Gerahmt wird das Treiben dann von diversen Musiknummern, in denen die Vicious Lips dann soften Eighties-Rock vortragen, der zusätzlich sowohl den Vor- als auch Nachspann des gerade einmal 80 Minuten langen Billigfilmchens untermalt, aber doch ganz gut ins Ohr geht und neben den handgemachten Maskeneffekten noch das erquicklichste an dem Film ist. Apropos Maskeneffekte: Bereits ein paar Jahre vor „Total Recall“ gibt es hier eine dreibrüstige Prostituierte zu sehen. Einen Vorteil hat die Masken- und Stylingorgie dann auch: Sie überdeckt die oft grausigen Schauspielerleistungen, mit denen sich die Darsteller durch den Film chargieren. Dabei singen Dru-Anne Perry, Linda Kerridge und Co., die teilweise danach noch in anderen Pyun-Filmen mitspielten, noch nicht einmal selber.
Die große Frage bei diesem unheimlichen Tinnef ist allerdings die, ob das irgendeiner der Beteiligten irgendwie ernst meinte, man achte auf die humorige Passage, in der Frühwarnsystem des Schiffes Matty immer dringlicher darauf hinweist, dass man gleich mit einem Asteroiden kollidiere. Sollte dies als Parodie gedacht sein, dann steht „Vicious Lips“ der „Rocky Horror Picture Show“ geistig vielleicht näher als gedacht, was jedoch die zahlreichen inszenatorischen und schreiberischen Fehlleistungen, angefangen beim hakeligen Schnitt über vollkommen fehlende Erklärungen (wer oder was ist der Killer genau, von dem man zwischendurch erfährt, dass er angeblich untot sei) bis zum vollkommenen Fehlen eines Spannungsbogens, nicht entschuldigt. Und für eine waschechte Parodie ist das Ganze dann insgesamt zu dröge und zu unlustig, trotz minimaler Spitzen in Richtung Musikindustrie – insofern versagt Albert klar, egal wie man es nun dreht und wendet.

„Vicious Lips“ ist Volltrash mit Leib und Seele, dem man immerhin seinen grellen, geschmacklich oft fragwürdigen Style, seine Masken und sein freudig-energetisches Scheitern noch als Pluspunkte anrechnen kann, denn als schlimmer Unfall von einem Film ist Alberts Werk schon ein Faszinosum. Über weite Strecken allerdings auch ebenso kackenlangweilig wie inkompetent inszeniert, weshalb die Sympathien für „Vicious Lips“ am Ende des Tages dann doch nicht so groß sind. Aber immerhin erträglicher als Schoten wie „Nemesis IV“ und „Omega Doom“.

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