Season 1
erstmals veröffentlicht: 28.10.2012
Die gesamte Staffel über herrscht die gleiche Sperrigkeit vor, die man z.B. bei den „Sopranos“ in den ersten Folgen verspürte, aber gleichzeitig entwickelt sie eine ungeahnte Sogwirkung, weil man schnell ahnt, welche Komplexität sie bereithält. „The Wire“ lebt davon, nicht nur die Perspektive der Polizei, sondern auch die der Verdächtigen einzunehmen. So strickt die erste Staffel in dreizehn Folgen ein doppelseitiges Geflecht, wie das Cover grau in grau. Es ist schwierig, Ecken und Kanten zu finden, weil Charaktere und Geschehnisse nicht wie etwa bei „The Shield“ übersteigert werden. Das macht es wohl so schwer, mit der Serie warm zu werden, aber wenn man am Ball bleibt, wird man durchaus belohnt.
(8/10)
Season 2
erstmals veröffentlicht: 30.12.2012
Neue Staffel, neuer Fall: Die Antagonisten der ersten Staffel sieht man nun mitunter im Gefängnis, die Abhörspezialisten der Polizei konzentrieren sich nun vielmehr auf den illegalen Transporthandel an Baltimores Hafen. Entsprechend geraten viele neue Charaktere in die Handlung. Viele von ihnen werden sehr charismatisch gezeichnet und hinterlassen deswegen tiefere Eindrücke als manche Figuren der Vorgängerstaffel, wirken deswegen aber auch eine Spur überzeichnet und lassen die Handlung etwas vorhersehbar erscheinen; dass jemand wie Chester Sobotka (James Ransone) irgendwann in ein Desaster rennen würde, war beispielsweise abzusehen. Der Handlungsstrang ums Gefängnis nimmt nur sehr wenig Raum ein und lässt den Eindruck aufkommen, dass er nur irgendwie nebenbei abgehandelt wird, um die Figuren im Spiel zu halten, zumal sich nur wenige Kreuzpunkte mit dem Hafenplot ergeben. Dennoch bleibt „The Wire“ die packende Serie, die eher auf Understatement setzt und die Höhepunkte umso präziser setzt.
(8/10)
Season 3
erstmals veröffentlicht: 02.02.2013
Die Serie ist wieder zu den Drogenrevieren zurückgekehrt, und sollten am Ende nicht noch deutliche Bezüge auftauchen, muss sich „The Wire“ jetzt schon die Frage gefallen lassen, welchen Zweck die am Hafen Baltimores angesiedelte zweite Staffel nun für das Gesamtkonzept hatte, da sämtliche Protagonisten dieser Staffel diesmal nur noch in Nebensätzen erwähnt werden oder auch mal auf Plakaten bei Kamerafahrten durch die Stadtgebiete auffallen.
Inzwischen hat sich aber viel getan, und am Ende steht ein waschechter Skandal, ein fast unwirklich erscheinendes Szenario, das aber im Verlauf der 13 Folgen so schlüssig aufbereitet wird, dass man es gar nicht in Frage stellt. Als die Oberen der Polizei schließlich darüber unterrichtet werden, welche Entwicklungen sich in Baltimores Drogenrevieren entwickelt haben, wird man mit deren ungläubigen Gesichtern konfrontiert und beginnt erstmals zu realisieren, welches Paradox hinter dem Mikrokosmos „Hamsterdam“ steckt, der die Handlung von Staffel 3 bestimmt.
Doch nicht nur das, auch die zunehmende Erkenntnis, dass „The Wire“ tatsächlich keinerlei Protagonisten kennt (anfangs hätte man noch Dominic West für einen solchen halten können), sondern von einer Hauptfigur zur nächsten pendelt, ohne auf die Gegnerseiten zu achten, wodurch „The Wire“ eher das Portrait einer Stadt und nicht etwa einer Abhöreinheit ist, macht die dritte Staffel zur bis dato besten der Serie.
(8.5/10)
Season 4
erstmals veröffentlicht: 10.02.2013
Wohl der Höhepunkt einer herausragenden Serie. Die vierte Staffel fokussiert sich nun auf Bildung und Schulsystem, zieht geschickt Parallelen zum Treiben an den Straßenecken und zieht gleichzeitig einen Handlungsstrang über den Kampf um den Bürgermeisterposten. Nie hat eine Serie besser auf den Punkt gebracht, wie sich all diese Ebenen gegenseitig beeinflussen und wie Entscheidungen auf einer Ebene Konsequenzen für eine andere haben. Man kann darüber streiten, ob einige Positionsveränderungen (insbesondere diejenige der Ex-Polizisten, die plötzlich Lehrer sind) nicht zu plakativ in die Handlung eingebracht sind, aber irgendwo unterstützt es ja auch die Hauptaussage der Serie, dass Menschen nur Positionen in einem riesigen System besetzen, mit denen sie nicht zwangsläufig verkoppelt sind.
(9/10)
Season 5
erstmals veröffentlicht: 10.03.2013
Wenn man kritisiert, wie radikal in der fünften Staffel zwei Polizisten das Recht in die eigene Hand nehmen, wäre natürlich zunächst mal wieder zu überprüfen, inwiefern dieser Handlungsstrang nicht doch auf realen Geschehnissen beruht. Tatsächlich wirkt das Vorgehen der Polizisten hier ein wenig over the top, andererseits wurde in der dritten Staffel durch eine Polizeieinheit ein ganzer Block für den Drogenverkauf legalisiert; man kann schwerlich behaupten, dass das weniger absurd wäre.
Was an der fünften Staffel eher stört, ist die nur bedingt geglückte Integration der Medienlandschaft in das Ökosystem bestehend aus Drogenrevieren, Polizisten, Bürgern und Stadtämtern. Obwohl sich die Drehbuchautoren weit mehr als etwa in Stafel 2 bemühen, diesen neuen Bereich in das Bestehende zu integrieren, will es nicht vollständig gelingen, weil der Medienkomplex wieder ein ganz neues, prinzipiell auch vom Hauptbezugspunkt der Serie unabhängiges Universum ist, das eine eigene Serie verdient hätte.
Insgesamt bleibt aber auch Staffel 5 den Kernqualitäten der Serie treu und führt die vielen Charaktere noch tiefer fort. Der Handlungsstrang um Omar ist mit Abstand der interessanteste und hat so manche Überraschung parat, die man so nicht erwartet hätte. Bubbles entpuppt sich endgültig als das gute Gewissen der Serie und als ihr Hoffnungsschimmer, wobei "The Wire" ansonsten konsequent den Weg des Realistischen geht, was sich letztendlich auch in der Statistik der Verstorbenen niederlegt - während auf Seite der Polizisten kaum jemand zu Schaden kommt, fallen die Söhne der Straße wie die Fliegen.
Weshalb "The Wire" zu einer der besten Serien überhaupt gezählt wird, ist ziemlich offensichtlich, nachdem nun die letzte Folge alles zu einem runden Abschluss gebracht hat. Wer die Serie wegen ihres langsamen Tempos und fehlenden Spannungsaufbaus ablehnt, hat nicht die geringste Ahnung, was er verpasst.
(8/10)