"Der Zufall ist der einzig legitime Herrscher des Universums." (Napoléon Bonaparte)
Von links nach rechts, von rechts nach links. Es geht hin und her. Auf dem Tennisplatz des Lebens. Links das Glück, rechts das Pech. Oder wahlweise auch umgekehrt, wie man es gerne hätte. Es ist ganz egal. In Woody Allens Gleichnis spielt das überhaupt keine Rolle. Ein einziger Augenblick, ein Augenblick, den wir nicht kontrollieren können, steht im Mittelpunkt. Der Moment, in dem der Ball sich in der Schwebe befindet, nachdem er das Netz touchierte. Fällt er auf die eine Seite, ist das Spiel gewonnen. Matchball verwandelt. Fällt er aber auf die andere, so ist das Pech: Das Spiel geht weiter. Und kann verloren werden.
Woody Allen meint, er hätte viel Glück gehabt in seinem Leben. Deshalb ist die Glückssache Gegenstand seines Filmes. Glück und Pech sorgen ja für Aufregung. Wie berechenbar wäre das Leben ohne sie? Wie langweilig? Glück und Pech sind die Überraschungen zwischen den ermüdenden Konstanten. Sie kennen keine Gerechtigkeit, lehrt uns Woody Allen. Wenn es eine höhere Macht gibt, dann ist sie keine gerechte. Belohnt nicht immer das Gute mit dem Goldsegen und macht nicht selbstverständlich aus dem Bösen eine Pechmarie. Legt eure Märchensammlung der Gebrüder Grimm ad acta und wacht endlich auf, ihr ewigen Optimisten, ihr Träger der rosaroten Brille - sehe ich Allen vor meinem geistigen Auge zu uns sprechen - Wacht auf, verdammt! Die Welt, ja die ist manchmal ungerecht.
Das ist das nüchterne Weltbild des ewigen New Yorkers, der nun zum ersten Mal sein heimisches Biotop verließ, um in London zu drehen. Und wie konsequent boshaft er uns seine Philosophie vermittelt! Das überrascht gewaltig. So, wie er hier mit vielem überrascht. Vergangenheit sind vor allem die notorischen Selbstbezüge: Allens Protagonist ist ein metrosexueller Ex-Tennisprofi, der smarte Chris Wilton (ein fabelhaft spielender Jonathan Rhys-Meyers), der sich mit dem selbstgefälligen, aber sympathisch-sarkastischen Millionärssohn Tom Hewitt (Matthew Goode) anfreundet, weil er (Welch ein glücklicher Zufall!) dessen Liebe zur Oper teilt. Und vergessen sind auch die mittelständischen Querdenker: In der Londoner Oberschicht, in die Chris aufsteigt, ist alles geordnet. Kultiviert und puristisch.
Ganz genau und dezent satirisch beobachtet Woody Allen diese sublime Gesellschaft, ihren mondänen Lifestyle, und erweckt mit seiner Geschichte zunächst den Anschein, als wolle er Altbewährtes nur galant zelebrieren. Da heiratet Chris Toms liebenswerte, aber unaufregende Schwester Chloe (Emily Mortimer), obwohl er sein Herz an die Verlobte seines Schwagers, die bezaubernde Nola (eine brillierende Scarlett Johansson in einer facettenreichen Rolle), verloren hat. Die Affäre ist nur eine Frage der Zeit, aber das überwältigende Charisma des Chris Wilton wirkt betäubend und verschließt die Augen vor dem Unsittlichen. Denn im Grunde hoffen wir Klischeeverseuchten doch nur auf die Kraft der wahren Liebe, die die beiden Liebenden in solchen Filmen am Ende immer zusammenführt.
Dabei steht etwas anderes längst vor der Tür: das große Dilemma. Ein besessener Karrierist ist Chris nie gewesen (er nahm nur an, was ihm angeboten wurde, und dies nicht einmal fest entschlossen), doch soll ihm vor lauter Feigheit, Upperclass-Trunkenheit und Status-quo-Denken bald die Moral abfaulen und ein Pferdefuß aus dem Hintern wachsen. Und Woody Allen lutscht dabei ganz genüsslich einen Zynismusdrops (oder auch mehrere) und führt uns, antithetisch gegen den Glauben an einen gerechten Kosmos gerichtet, seinen Shit-happens-Rationalismus vor Augen. Nur von was, wenn nicht von der Gerechtigkeit, fragt der aus seiner Illusion Gerissene, lassen sich Glück und Pech dann leiten? Woody Allen würde antworten: Glück und Pech werfen eine Münze und lassen diese entscheiden.