In der langen Filmografie des Außnahmeregisseurs David Cronenberg finden sich etliche Werke, die auf ihre Weise auf sich reden machten und so ein großes Publikum fanden, nicht selten waren damit Skandale verknüpft, für die Cronenberg sogar ziemlich bekannt ist. Seien es nun explizite Sexszenen oder ausufernd brutale Gewalt; wer sich in der Regel auf einen Film Cronenbergs einlässt, muss sich darauf gefasst machen, Dinge zu sehen, die mitunter fernab von dem liegen, was heutzutage des öfteren als "Mainstram" bezeichnet wird. So wundert es sicherlich nicht, dass Cronenberg mittlerweile eine recht große Fangemeinde um sich scharen konnte, die jedem seiner Filme gierig lechzend und mit größter Vorfreude begegnet. Nachdem der Kanadier mit "Spider" einen überraschend zahmen und unspektakulären, wenn jedoch auch nicht gänzlich uninteressanten Film geschaffen hat, so war ich doch sehr gespannt, ob sich Cronenberg mit "A History of Violence" wieder mehr seinen Wurzeln annähern würde. Diesbezüglich wurde ich letzten Endes nicht enttäuscht.
Doch eins nach dem anderen. Was wir hier nämlich vor allen Dingen haben, ist ein reines Drama mit ausgeprägter Charakterstudie, was gleichzeitig die größte Stärke des Films ist. Dadurch, dass Cronenberg seinen Figuren Spielzeit einräumt und sie zuerst über einen verhältnissmäßig langen Zeitraum vorstellt, erwachen sie zum Leben und zwingen so den Zuschauer, an ihrer Geschichte teilzuhaben. Dies gelingt fabelhaft, man fühlt sich zu den Hauptpersonen irgendwie hingezogen und leidet so auch mit ihnen mit, wenn ihr zuerst anschauliches Familienidyll terrorisiert wird.
"A History of Violence" ist in vielerlei Hinsicht ein überaus vielschichtiger Film, der sich nicht leicht zuordnen lässt. Cronenberg verzichtete auf das typische Schwarz/Weiß Denken, dass es heute zuhauf in überflüssigen US Thrillern zu sehen gibt und zeichnet ein Bild einer Schlüsselperson, die nicht die ist, die sie zu sein vorgibt. Auf einmal bricht das Böse in Form des Gangsters Carl Fogarty in die Welt des Familienvaters Tom Stall ein, brillant und beängstigend gespielt von Ed Harris. Zuerst fällt man noch auf den unschuldigen Blick "Aragorns" herein, und glaubt ihm sofort, wenn er meint, Carl Fogarty nicht zu kennen. Doch schon bald kommen einem da Zweifel und es wird einem klar, dass hier nicht so einfach in gut/böse unterteilt werden kann. Tom/Joey wird plötzlich wieder mit seiner Kriminellen Vergangenheit konfrontiert, ein Lebensabschnitt, den er wohl gerne aus seinem Lebenslauf streichen würde, doch ganz so einfach sind Probleme nicht aus der Welt zu schaffen. Genau das sollte wohl die Aussage des Films sein. Egal, wie sehr wir uns hinter einer Lüge verstecken, irgendwann holen uns die Probleme der Vergangenheit immer wieder ein.
Doch David Cronenberg wäre nicht David Cronenberg, wenn er diese an sich schon sehr interessante Geschichte nicht noch mit seinen typischen Merkmalen würzen würde. Wo andere Filme dieser Art auf eine große Action setzen würden, bleibt "A History of Violence" stets auf dem Boden und somit schockierend realistisch. Hier gibt es keine actionreichen Shootouts, keine perfekt durchchoreographierten Fights, sondern Morde, wie sie im echten Leben auch aussehen würden: roh, dreckig und erschreckend brutal. Hier werden Gesichter halb weggeschossen, Nasenknorpel mit mehreren Schlägen ins Gehirn getrieben und kleine Kinder völig kalblütig erschossen, wobei letzteres allerdings im off geschieht. Diese Grenze wollte selbst Cronenberg nicht überschreiten und das ist auch gut so. Der Film ist auch so gewalttätig genug und zeigt die dargestellten Grausamkeiten ohne jedweden schnellen Schnitte und mit vielen Nahaufnamen, so dass man schon einiges an Nerven mitbringen muss, um sich nicht des öfteren schockierend von dem Geschehen abzuwenden. Auch Sexszenen dürfen natürlich nicht fehlen, und hier zeigt der Regisseur ebenfalls alles, was für andere Filmemacher der finanzielle Bankrott bedeuten würde. Während Hollywood ansonsten nur auf die altbewährte Missionarsstellung setzt, in der man schön alles verdecken kann, lässt Cronenberg seine Hauptdarsteller in der 69er Stellung Sex haben und zeigt zudem einen Akt, der einer Vergewaltigung sehr nahe kommt. Dies alles führt dazu, dass die Freigabe ab 18 Jahren absolut berechtigt ist und auch eingehalten werden sollte.
Die Schauspieler wurden hervorragend gewählt und geben jeder Figur genau das, was diese diese ausstrahlen sollte. Viggo Mortensen, bekannt aus "Herr der Ringe" kauft man den ruhigen Coffeeshop Betreiber ebenso ab, wie den eiskalten, emotionslosen Killer, der sofort bereit ist zu töten, wenn etwas seine Familie bedroht. Ich hatte bislang noch nicht all zu viel mit diesem Akteur am Hut, muss aber sagen, dass er mir hier überaus gefallen hat. Den absoluten schauspielerischen Höhepunkt stellt jedoch Ed Harris dar, der in der Rolle des vernarbten Gangsters so richtig fies und angsteinflößend rüberkommt, eine Rolle, die hervorragend zu dem bekannten Schauspieler passt. Für einen Oscar nominiert wurde übrigens William Hurt, der auf eine herrlich fiese Art und Weise den einflussreichen Gangsterboss Richie Cusack spielt.
"A History of Violence" erzählt die Geschichte einer Familie, deren Leben harmonischer nicht sein könnte, bis die dunkle Vergangenheit des Mannes sich wie ein Schatten über sie legt und sie zu zerreißen droht. Dabei schreckt David Cronenberg nicht davor zurück, die zuvor entstandene Symphatie zum Hauptdarsteller durch äußerst schockierende Gewaltszenen plötzlich wieder in Frage zu stellen, so dass man auch als Zuschauer zwangsläufig in eine knifflige Zwickmühle gerät. Der Streifen wirft die Grundsätze von Moral gehörig durcheinander und untermauert dies mit einer Gewaltdarstellung, die zartbesaiteten sicherlich die Kinnlade herunterklappen lässt und ist somit ein Film für ein Publikum, dass für Streifen dieser Art bereit ist, und sich auch mit ihnen auseinandersetzt. Nichtsdestotrotz ist "A History of Violence" durchaus zugänglich in Szene gesetzt und weiß durchaus zu unterhalten und zu fesseln, weshalb der Film durchaus auch für ein etwas breiteres Publikum einen Blick wert ist.