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Dramatischer Einbruch von Gewalt in ein „normales“ Leben

Tom Stalls lebt in einer netten Kleinstadt, hat eine nette Frau, zwei nette Kinder, nette Bekannte, alle sind rührend besorgt umeinander, der Sheriff ist ein Kumpel, man hat es nett und beschaulich. Widerlich, so was...Die Idylle aber findet ein abruptes Ende, als Tom einen Überfall auf seinen Diner vereitelt und dabei die zwei Ganoven erschießt. Von nun an ein Held und medial präsent, zieht sein Leben Leute auf das Tablett, die ihn für einen ganz anderen Menschen halten, einen gewissen Joey aus Philadelphia, ehemals Mitglied der Mafia. Diese Leute bedrohen Toms Familie, und so muß er erneut zur Waffe greifen, um sich und seine Lieben zu schützen. Doch damit ist die Sache nicht ausgestanden, denn Toms Frau zweifelt an seiner Identität, und nur Tom weiß, woher er kommt – und was es mit dem ominösen Joey auf sich hat. So ist es vorbei mit der Familienidylle, und was wir lernen können, ist, daß man seiner eigenen Vergangenheit nicht entkommen kann.

Wer typische Momente eines Cronenberg-Films erwartet, etwa surreale Verfremdungen oder ähnliches, der wird enttäuscht, denn die einzige Szene, die als Hommage an sein früheres Werk verstanden werden könnte, ist der Schere zum Opfer gefallen. Wer andererseits einen knallharten Rachestreifen erwartet, der sich dank eines „Anlasses“ mit dem blutigen Pfad der Vergeltung und mit sonst nichts befaßt, wird auch enttäuscht, denn der Film ist um einiges vielschichtiger. Wer also wird zufrieden das Kino verlassen? Jemand, der in ein Filmtheater geht, um eine Geschichte zu sehen, der nicht von grellen Effekten erschlagen werden möchte, aber auch nicht nach zwei Stunden Problemfilm deutscher Machart deprimiert und müde nach Hause gehen möchte. Dennoch mischen sich bei diesem Werk Teile vieler Genres, und es ist das Verdienst des Regisseurs und seiner Crew, aus diesen Teilen ein großes und gutes Ganzes gemacht zu haben.

Die Darsteller sind über jeden Tadel erhaben, es ist schön, mal wieder Größen wie Ed Harris und William Hurt auf der Leinwand zu sehen. Viggo Mortensen in der Hauptrolle löst sich zum Glück von seinem Status des „Herrn der Ringe“ und spielt einen jedermann, ganz ähnlich wie zu Beginn seiner Karriere in „American Yakuza“. Doch das ausgefeilte Drehbuch macht es den Mimen leicht, denn Spannung erzeugt sich hier allein schon durch die stumme Konfrontation der Beteiligten. Sicher ist es für den Zuseher nicht leicht, das sehr abrupte Ende zu mögen, doch gerade dies läßt Raum für die liebgewonnenen Diskussionen direkt nach dem Kinobesuch. Aber zur Beruhigung derer, die angesichts des Titels des Films nach der ersten halben Stunde vermeinen, in ein Familiendrama geraten zu sein, sei hier erwähnt, daß es reichlich Szenen drastischer Gewalt gibt, bei denen mit Blut nicht gespart wird. Es sterben recht viele Menschen auf der Leinwand, und jeder Tod ist eine schmutzige Sache – ob allerdings die diversen Bettszenen mit Mortensen und Maria Bello sein mußten, mag jeder für sich entscheiden...sie dienen in erster Linie der Darstellung des Wandels der Hauptfigur. Ein guter Film, ein spannender allemal, blutig, wohlfeil im Dialog, getragen von passender Musik und mit einer fesselnden Geschichte – selten das, in letzter Zeit – 9/10.

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