Gewalt ist eine Lösung
In "A History of Violence" wird von dem zurückgezogen lebenden Tom Stall (Viggo Mortensen) erzählt, der ein kleines Cafe besitzt und ein beschauliches, glückliches Leben mit seiner Familie führt. Bis zwei Männer beschließen, seinen Laden zu überfallen und die Zeugen zu beseitigen. Dies ist die Stunde von Tom Stall, der über sich hinaus wächst und beide Männer tötet. Über Nacht wird Tom zum Helden, über den landesweit berichtet wird. Doch damit zieht er die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich. Vertreter des organisierten Verbrechens, angeführt von Carl Fogaty (Ed Harris), tauchen in dem kleinen Städtchen Millbroook auf und suchen nach einem gewissen Joey – sie glauben, ihn in Tom gefunden zu haben.
Ob der Film bis zu diesem Zeitpunkt der Comic-Vorlage treu bleibt kann ich hier nicht sagen, da ich dieses nicht gelesen habe und daher auch nicht kenne. Doch was ich sagen kann, ist das das die Geschichte unheimlich packend und faszinierend ist.
Als David Cronenberg ("Die Fliege", "Dead Zone") das Drehbuch in die Hand bekam und es las, sah er wohl das große Potenzial, ein paar Fragen aufzuwerfen und sie im Raum stehen zu lassen, so das der Zuschauer selbst gefordert ist, die Antwort zu finden. Was sich Cronenberg bot, war und ist eine Geschichte, die die Funktion und Wirkung von Gewalt untersucht, und zeigt, wie sie in eine ganz normale Welt einbrechen und alles für immer verändern kann. Um so eindringlicher werden die kurzen Gewaltausbrüche des Films, weil sie ohne Verniedlichung auskommen. Gewalt ist kurz, schnell, tödlich – und sie hat keinerlei ästhetischen Anreiz. Bedient man sich ihrer, dann, um das eigene Leben oder das der Familie zu retten, und das so konsequent es nur geht.
"A History of Violence" ist ein schöner, aber zugleich beängstigender und brutaler Streifen. Er nimmt sich Zeit für seine Figuren, arbeitet die Charaktere Familie Stall ausführlich aus und führt uns inmitten ihres Lebens, so dass die über sie kommende Gewalt wie eine nicht zu stoppende Naturkatastrophe ist, der man sich ohnmächtig ergeben oder gegen die man kämpfen kann. Cronenberg ist hier auf der Höhe seiner Kunst. Er inszeniert mit ruhiger Hand, führt die Verbrecher langsam und mit langen Kamerafahrten ein. Überhaupt ist der Film auch eine Übung in Langsamkeit, ist das Leben doch nicht auf der Überholspur, sondern vielmehr ein ewig gleicher, aber doch angenehmer Trott. Der Film wird erst schnell, wenn Situationen eskalieren und Gewalt zum letzten Mittel wird, dessen sich die Protagonisten bedienen können.
Exzellent ist auch die Besetzung, allen voran natürlich Viggo Mortensen, der nach seiner unglaublichen und absolut grandiosen Leistung als Aragorn in Peter Jacksons "Der Herr der Ringe" – Trilogie auch hier in der Rolle als ungewollter Held Tom Stall vollauf überzeugen kann. Denn er versteht es wie kaum ein anderer, hinter der Rolle zu verschwinden und so dem Charakter Tom Stall zum Leben zu erwecken. Denn nur wenigen Stars gelingt ein solches Kunststück. Mortensen fühlt das Leid und den Schmerz seine Figur selbst und vermag auch dieses Gefühl auf die Leinwand zu bringen. Doch nicht nur Viggo Mortensen, auch das ihn umgebende Ensemble, von Maria Bello als seine Frau über Ashton Holmes als sein Sohn bis zu Ed Harris als Bote der Vergangenheit, spielen sich die Seele aus dem Leib.
Fazit: David Cronenbergs "A History of Violence" ist ein Lehrstück in Sachen Spannungskino, wie man es wohl bei vielen Filmen lange nicht mehr gesehen hat. Und es endet mit einer wortlosen Einstellung, die zugleich Hoffnung und Angst ausdrückt, eines aber klar macht: Nach manchen Erlebnissen kann das leben nie wieder so wie früher sein – Ein packender, spannender und brutaler Streifen!