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Ähnlich wie bei der "Krieg der Sterne"-Trilogie, konzipierte George Lucas auch die "Indiana Jones"-Reihe als dreiteilig, ohne allerdings zu wissen, wie die Nachfolger zu dem überragenden "Jäger des verlorenen Schatzes" aussehen würden. Zusammen mit den "Indy"-Neuzugängen Gloria Katz und Willard Huyck schuf das Mainstreamgespann George Lucas und Steven Spielberg ein Prequel zu dem Erstling, der all jene B-Movie-Elemente enthalten sollte, die im Vorgänger aufgrund von Zeitknappheit ausgespart wurden.

Für "Indiana Jones und der Tempel des Todes" entschied man sich für eine komplett eigenständige Geschichte. Ähnlich wie bei der Diskontinuität des größten Teils der "James Bond"-Filme, kehrt in "Tempel des Todes" bis auf Indiana Jones alias Harrison Ford selber, niemand der Charaktere auf die Leinwand zurück. Die Indy-Sidekick-Neuzugänge sind allerdings meilenweit entfernt von der Klasse einer Marion Ravenwood. War der weibliche Part aus "Jäger des verlorenen Schatzes" eine starke Frauenfigur mit Kanten, ist ihr "Tempel des Todes"-Pendant eine typische B-Movie-Scream-Queen. Schauspielerin Kate Capshaw hat als Nachtklubsängerin Willie Scott nicht mehr zu tun, als zu schreien und wenn nötig die Fummel- und Knutsch-Staffage für Indiana Jones zu stellen. Ebenso nervig und enervierend wie das Gekreische Capshaws ist Indys kleiner, chinesischer Helfer Short Round (Ke Huy Quan), durch den zwar eine nette Vater-Sohn-Stimmung entsteht, zu 90% aber nur das Klischee eines nervenden Abenteuerkiddies ausfüllt.

Leider verzichteten Lucas und Spielberg beim zweiten "Indiana Jones"-Film auch auf die halbwegs realistische Action aus "Jäger des verlorenen Schatzes". Im "Tempel des Todes" haben wir es oft mit dem Actiongenre unterlegenen Ungereimtheiten zu tun - der Höhepunkt eine Loren-Achterbahnfahrt, die zwar Spaß macht, aber so unlogisch wie einfältig ist.

Dennoch trauen sich Spielberg und Lucas auch auf Neuland, das dem Film gewinnbringend kreditiert werden kann. So haben wir es hier nicht mehr mit den ollen Nazis zu tun, sondern Indy muss gegen einen gesamten Thug-Kult in Indien ankämpfen, die Hunderte von Dorfkinder versklaven, um zwei verloren gegangene Steine okkulter Herkunft zu Tage zu fördern, die den fanatischen, Menschenopfer-darbringenden Kultführern die Weltherrschaft erbringen sollen. Die Szenen im unterirdischen Tempel sind überraschend düster und brutal ausgefallen. Bei einer Thug-Zeremonie beobachten wir beispielsweise, wie Thug Leader Mola Ram (Amrish Puri) dem gefesselten Menschenopfer bei lebendigem Leibe das Herz herausreißt. Harter Tobak für einen Film, der in den USA ein PG-Rating angestrebt hatte.

Und es bleibt auch nicht bei dem obigen Beispiel. Die gesamten Szenen innerhalb des Thug-Tempels zeugen von unheilvoller, böser, düsterer Stimmung. Um jene bedrohliche Atmosphäre etwas zu entkräften, gibt es ab und an Gags von infantiler Eindimensionalität. Das Paradebeispiel ist die leidlich lustige, weil vollkommen alberne Ess-Szene, in der Short Round und Willie entsetzt die pseudo-traditionellen, indischen Gerichte kosten müssen. Irgendwo zwischen Affenhirn auf Eis und Suppe gefüllt mit Augäpfeln geht selbst diesem Witz auf Stammtischniveau die Puste aus.

Vieles ist platt in "Tempel des Todes", dennoch muss man hohen Respekt und Dankbarkeit an Lucas und Spielberg aussprechen, die sich mit dem zweiten Film sicherlich auf dünnes Eis begeben haben. So ist vieles in "Tempel des Todes" gegensätzlich zu dem Vorgänger. Alle bereits etablierten Erfolgskonzepte aus "Jäger des verlorenen Schatzes" wurden über Bord gekippt, und es wurden neue, eigene Ideen entworfen. Allein wegen jener mutigen Originalität ist "Tempel des Todes" ein guter Film, allerdings dank der quälgeistigen Sidekicks und der oft allzu albernen Ekelgags bei weitem nicht so genial wie der Originalfilm.

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