Im Gegensatz zu sonst üblichen Verfilmungen ist das hier besprochene Werk selbst das literarische Original: das Drehbuch stammt von Friedrich Dürrenmatt und zwei Co-Autoren. Seinen Roman "Das Versprechen" leitete Dürrenmatt - unzufrieden mit Titel und Happy End - erst später aus diesem Drehbuch ab. Die zweite Verfilmung (1995, "Tod im kalten Morgenlicht") und eine dritte von 1997 wieder unter dem Originaltitel lehnen sich ebenfalls an dieses Drehbuch an, während der amerikanische Film "Das Versprechen" (Original: "The Pledge") mit Jack Nicholson sich auf den gleichnamigen Roman von Dürrenmatt stützt.
Unmittelbar vor seinem geplanten Abschied von der Kriminalpolizei wird Oberleutnant Dr. Matthäi (der Film spielt in der Schweiz) nochmal mit einem grausamen Mordfall konfrontiert: Ein kleines Mädchen wurde im Wald mit einem Rasiermesser abgeschlachtet. Matthäi hat die schwere Pflicht, die Eltern zu informieren - und lässt sich unter deren fassungsloser Verzweiflung eher beiläufig zu dem persönlichen Versprechen drängen, den Mörder zu finden: "bei meiner Seele".
Der vorbestrafte Hausierer Jacquier (überzeugend gespielt von Michel Simon), der die Leiche zufällig fand und der Polizei meldete, gerät in den Verdacht, selbst der Täter zu sein. Leutnant Heinzi (mit Siegfried Lowitz sehr passend besetzt), dem Matthäi den Fall inzwischen übergeben hat, ringt dem geistig wie psychisch überforderten Hausierer unter brutalem Druck eines Dauer-Kreuzverhörs ein Geständnis ab. Matthäi traut der Sache nicht; er ist überzeugt, dass Jacquier unschuldig ist und das Geständnis widerrufen wird. Aber dazu kommt es nicht mehr: am nächsten Morgen hat sich der Hausierer in seiner Zelle erhängt. Für Polizei und Öffentlichkeit ist damit der Fall abgeschlossen.
Obwohl Matthäi aus dem Dienst ausgeschieden ist, lässt ihm der Fall keine Ruhe. Er bricht seine geplante Emigration in ein arabisches Land ab und beginnt, als Privatperson auf eigene Faust nach dem Täter zu fahnden. Als einzigen Anhaltspunkt hat er dabei eine Zeichnung des ermordeten Kindes, auf der ein neben einem schwarzen Auto stehender, schwarzer "Riese" dem Mädchen kleine, schwarze "Igel" schenkt: vermutlich Schokoladentrüffel. Ein Steinbock auf derselben Zeichnung könnte auf ein mit diesem Pictogramm versehenes Graubündener Autokennzeichen verweisen. Matthäis Recherchen ergeben, dass in den Jahren davor noch zwei weitere, ähnliche Morde geschehen sind: alle drei in der Nähe derselben Landstraße.
Der Ex-Beamte mietet an dieser Straße eine einsam gelegene Tankstelle an, um den in den 50er Jahren noch sehr spärlichen Verkehr zu beobachten. Aus einem vier Kilometer entfernten Ort engagiert er eine ledige Mutter eines kleinen Mädchens - ähnliches Alter und Aussehen wie die Mordopfer - vorgeblich als Haushälterin. In Wirklichkeit versucht er, das Kind als unfreiwilligen Köder zu benutzen. Die moralisch wie methodisch fragwürdige Aktion gelingt: Der Täter geht tatsächlich in die Falle, wobei aber das Kind in höchste Lebensgefahr gerät.
Welche Verfilmung ist die beste? Wer Dürrenmatts literarischen Stil mag, wird auch das hier besprochene Original lieben: bei aller gekonnt aufgebauter Spannung nüchtern und logisch, immer mit einer gewissen, kritischen Distanz des Betrachters zum Geschehen und beiläufig mit dem für Dürrenmatt so kennzeichnenden, biestig-schwarzen Humor. Heinz Rühmann spielt den Fahnder - für diesen Schauspieler überraschend, aber zu der Rolle optimal passend - kühl-intellektuell. Gert Fröbe als Mörder Schrott fasziniert mit seiner unglaublich ausdrucksfähigen Mimik, mit der er die schwer vorstellbaren Gefühlswallungen eines Psychopathen und seine Verführungskraft für das als Lockvogel missbrauchte Kind überzeugend darstellt. Eine schlanke, zurückhaltende Regie rundet passend zu diesem Stil das Bild ab. Dürrenmatt at it's best - wäre da nicht das Happy End, mit dem der Autor selber nicht zufrieden war.
Die niederländische Verfilmung von 1995 unter dem Titel "Tod im kalten Morgenlicht" verwendet im Wesentlichen dasselbe Drehbuch. Der Film ist an sich gut, die Regie baut gekonnt Spannung auf, die Schauspieler agieren solide und glaubhaft. Aber mit dem Original kann sich der Film weder bei der Regie noch von dessen außergewöhnlicher, schauspielerischer Leistung her vergleichen.
Die spätere Verfilmung von 1997 (wieder unter dem ursprünglichen Titel) verwendet ebenfalls mit nur leichten Abwandlungen das selbe Drehbuch. Die Handlung verlegt der Regisseur (Nico Hofmann) nach Bayern, mit nicht ganz so bekannten, aber durchweg ausserordentlich überzeugenden, authentisch wirkenden Schauspielern. Im Gegensatz zum Original ist diese Version sehr emotional gedreht, sie reisst den Zuschauer mit und geht unter die Haut - ein echter Thriller, der mir mehr als einmal eiskalte Schauer über den Rücken gejagt hat: in seiner ganz speziellen Art ebenfalls ein Meisterwerk. Dürrenmatt als Drehbuchautor erkennt man freilich in dieser Verfilmung kaum noch wieder, er hat sein Werk anders gemeint.
Den aus dem Drehbuch abgeleiteten Roman "Das Versprechen" nannte Dürrenmatt selbst ein "Requiem für den Kriminalroman", weil er - unter Abänderung vor allem des Ausgangs - mit überkommenen Krimi-Klischees wie dem Dimorphismus zwischen Gut und Böse und dem Sieg des Gerechten aufräumen wollte. Im Roman wartet der Fahnder vergeblich auf den Mörder, der bei der Fahrt zu seinem nächsten, geplanten Mord einem Verkehrsunfall zum Opfer fällt. In Unkenntnis dieses dummen Zufalls wartet der Kommissar verbissen weiter, längst verlassen von seinen ihn anfangs noch widerwillig unterstützenden Exkollegen; die Jagd auf den Mörder wird ihm allmählich tatsächlich zu der fixen Idee, die ihm seine Kollegen schon von Anfang an unterstellt haben. Am Ende zerbricht er daran geistig und moralisch und verfällt schließlich völlig dem Alkohol.
2001 hat Sean Penn diesen Roman in den USA verfilmt, mit Jack Nicholson als Hauptdarsteller. Im Gegensatz zu den ersten drei Verfilmungen - und durchaus getreu der Romanvorlage - steht hier statt des Verbrechens weit mehr ein Psychogramm des Fahnders im Fokus: was ihn antreibt, wie er in seinem manischen
Jagdeifer sukzessive alle moralischen Maßstäbe über Bord wirft und wie er dann selbst unter der von ihm heraufbeschworenen Gefahr unerträglich leidet, weil er das als Köder missbrauchte Kind auch als Bezugsperson liebgewonnen hat.
So sehr auch vor allem Jack Nicholson in dieser Rolle überzeugt: Der Film hat das Problem aller nachträglichen Romanverfilmungen. Man kann die Stunden, in denen ein Leser sich das Beschriebene in seiner eigenen Fantasie individuell ausmalt, schwerlich in einen Kinofilm pressen, ohne dabei entscheidende Substanz zu verlieren. So kann auch dieser Film nicht wirklich den Roman wiedergeben, obwohl er in dem durchaus gut gemeinten - und teilweise auch gelungenen - Versuch, das zermürbende Warten auf den Mörder darzustellen, sogar gewisse Längen in Kauf nimmt.Trotzdem auf jeden Fall ein sehenswerter Film. Aber wer speziell Dürrenmatt liebt, wird wohl doch die hier zuerst besprochene Urversion von 1958 vorziehen - oder noch besser das Buch lesen.