Review

Als "Brokeback Mountain" 2005 heraus kam, fühlte man sich angesichts der medialen Präsenz ein wenig überfahren und anschließend ratlos zurückgelassen. Weder die Thematik noch die Inszenierung des Filmes trugen daran die Schuld, sondern die peinlich aggressiv geführte und von den Medien unverhältnismäßig aufgebauschte Debatte vermeintlicher Moralhüter. Als halbwegs aufgeschlossener und interessierter Filmliebhaber konnte man nur staunen in welchem Tonfall über diesen intelligenten und höchst sensiblen Film diskutiert wurde. Ist doch die Schwulen-Thematik längst zu einer gewinnbringenden (Oscar-) Anlage Hollywoods geworden. Wurde doch in bemüht aufklärerischen Filmen wie "Philadelphia" dieses vermeintliche Tabuthema längst aufgegriffen und ansprechend - wenn auch ein wenig zu sentimental - einem großem Publikum nähergebracht. Die Reaktion auf "Brokeback Mountain" kann demnach nur als ein gesellschaftlicher Rückschritt bezeichnet werden. Vor allem, weil die brutal hetzende Aufregung in keiner Weise in Relation zum fertigen Film stand. Weder sich provozierend oder subversiv gebend, noch das Schwulen-Thema exploitativ zur Schau stellend. Im Gegenteil, die Geschichte um zwei junge Männer, die sich im  Zuge ihrer Tätigkeit als Cowboys in einander verlieben, erstaunt eher durch seine mit sensibler Hand vorgetragenen poetischen Bilder und seiner subtilen Charakterisierung der Figuren.
 
Ang Lee, der bereits in den 90ern mit der "Eissturm" ein tiefgreifendes, sowohl intimes wie erschütterndes Gesellschaftsdrama inszeniert hat, erzeugt mit ähnlicher Bildsprache einen tiefen Einblick in das Seelenleben zweier unterschiedlicher aber durch ihre Liebe verbundenen Menschen. Die rauhen und zum Teil kargen Naturaufnahmen, die hier in ihrer größten Schönheit eingefangen werden, scheinen vor allem die Empfindungen der Figur Ennis Del Mar wiederzugeben. Diese emotional verhärmte, stets an sich zweifelnde Figur wird von Heath Ledger mit größter Zurückhaltung aber stets authentischer Präsenz hervorragend gespielt. Jack Twist (ebenfalls außerordentlich intensiv von Jake Gyllenhaal verkörpert) hingegen tritt wesentlich gefestigter auf und hat sich mit seine Homosexualität eher abgefunden. Natürlich kann auch er sich den gesellschaftlichen Zwängen nicht vollends lösen, ist sich aber seiner Liebe zu Del Mar bewusst und kämpft naiv optimistisch für eine gemeinsame Zukunft.
 
Anders als man vielleicht glauben mag ist "Brokeback Mountain" kein anklagendes Sittengemälde, das mit erhobenen Zeigefinger auf unsere gesellschaftlichen Missstände aufmerksam machen will. Es ist so simpel es klingen mag ein einfacher Film, der die Unmöglichkeit der Liebe zweier Männer zeigt, dabei aber eine komplexe Charakterstudie dieser Männer hervorbringt. Natürlich ist diese Unmöglichkeit ein Resultat einer zutiefst homophoben Gesellschaft, aber der Film richtet sein Augenmerk ausschließlich auf die zwei Figuren und deren direkten Umfeld und verzichtet wohltuend auf eine soziologische oder politische Exkursion. Einige kritische Stimmen meinten u.a., dass "Brokeback Mountain" ein Liebesfilm wie viele andere wäre und dass die Schwulenthematik austauschbar oder gar aufgesetzt wäre. Natürlich, oberflächlich betrachtet handelt es sich um eine weitere Geschichte in der die Liebe tragisch in einer Unerfüllbarkeit endet. Und da sich der Film auch keine narrativen oder anderwärtigen Experimente leistet, mutet er sogar recht konservativ inszeniert an. Doch gerade das ist seine größte Stärke, vergleichbar im Stil mit Regie-Größen wie Douglas Sirk wird der Film getragen von seinen Schauspielern, einem hervorragenden Skript und seinen subtilen, unaufdringlichen und dennoch metaphorisch aufgeladenen Bildern. Das ist Gefühlskino in seiner besten Form, weder sentimental noch kitschig aber stets bewegend und fesselnd. Ang Lee benutzt auch die Schwulenthematik niemals als bloßen Aufhänger, eher erlaubt das nuancierte Drehbuch um die beiden Cowboys eine erstaunlich tiefgehende Annäherung an das Thema ohne in übliche Klischees oder dumpfe Homo-Folklore abzudriften.

"Brokeback Mountain" ist ergreifend, traurig und einfach wunderschön. Auch die Musik hätte besser nicht ausgesucht werden können, zwischen den zwangsläufigen, sich aus der Handlung ergebenden, Countryballaden mischen sich die zartfühligen, fragilen Gitarrenklänge von Gustavo Santaolalla und spiegeln wunderbar, neben dem verletzlichen Innenleben der beiden Protagonisten die wunderschön rauhen Naturaufnahmen wieder. Ang Lee's Glanzstück kann jetzt schon mit Fug und Recht zu einem der besten Filme dieses Jahrzehnts gezählt werden.

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