- Spoiler enthalten -
Vergessen sind all die Witzchen, die man vorab über „Brokeback Mountain“ gemacht hatte.
Über den Verkäufer im Kino, der einem augenzwinkernd die Karte überreicht, um sich anschließend bei ihm zu beklagen, dass die Fisting-Szenen zu kurz waren, über das Remake des unerträglichen Rosa von Praunheim, der daraus „Bareback Mountain“ machen würde…
…denn der Film kommt vollkommen ohne Klischees aus und lässt sämtliche Vorurteile im Nu verpuffen. Menschlicher wurde Homosexualität selten dargestellt.
Wyoming, im Sommer 1963: Jack und Ennis hüten den Sommer über Schafe auf dem Brokeback Mountain. Durch Isolation und eintöniger Tagesabläufe verbindet die beiden Männer zunächst nur Freundschaft, doch nach einer von Whisky begleiteten Nacht am Lagerfeuer, kommt es im Zelt zur körperlichen Annäherung.
Da aber ihre innige Zuneigung keine Akzeptanz ihrer Umwelt zulässt, gehen sie nach diesem Sommer getrennte Wege und gründen jeweils eine Familie. Erst nach vier Jahren erreicht Ennis eine Postkarte von Jack, mit der nie erloschene Gefühle erneut in den Vordergrund treten.
Basierend auf einer Kurzgeschichte hat Ang Lee ein sehr bildgewaltiges Drama geschaffen, das zu keiner Zeit kitschig, oder - das waren meine schlimmsten Befürchtungen - klischeehaft daherkommt. Homosexualität ist beileibe nicht der Kern der Geschichte, sondern eine Liebe, die von der Umwelt nicht geduldet wird und zu Konflikten der Betroffenen führt.
Natürlich passt das nicht zu den konventionellen Sehgewohnheiten, wenn sich Heath Ledger seinen Iltis anfeuchtet, um ihn Jake Gyllenhaal in den Pöter zu stecken (Man sieht natürlich nur die Oberkörper), aber im prüden Amerika gilt so was nach wie vor als kontrovers und im Iran oder Mauretanien steht Homosexualität sogar noch unter Todesstrafe…
Vielmehr durchleuchtet die Geschichte die Probleme, die durch die Geheimhaltung ihrer verpönten Liebe entstehen. Über einen Zeitraum von knapp 20 Jahren begleiten wir Jack und Ennis und ihre zum Scheitern verurteilten Versuche, ein „normales“ Familienleben zu führen, während sich die beiden in unregelmäßigen Abständen zum „Fischen“ am Brokeback Mountain treffen.
Eine schlichte Geschichte in großartigen Bildern, denn die Naturkulissen sind malerisch ausgefallen und im Panoramablick erstklassig festgehalten worden. Die Weite der Natur mit all ihren kräftigen Farben ist ein idealer Schauplatz für eine Liebesgeschichte, der im Kontrast hierzu eigentlich keinen Platz in der Welt eingeräumt wird und zu Isolation führt.
Die Darstellerriege performt einschließlich der Nebenrollen ausgezeichnet:
Gyllenhaal spielt gewohnt souverän und überzeugt in allen Belangen, Heath Ledger ist aber eine Spur facettenreicher. Seine in sich gekehrte, wortkarge Art, das Zurückhalten von Emotionen und die verzweifelte Erkenntnis, als er nach Jacks Tod sein Hemd vom Sommer 1963 in den Händen hält - die Oscarnominierung war das Mindeste.
Aber auch die übrigen Darsteller überzeugen, wenn auch teilweise mit etwas wenig Screentime, denn Randy Quaid und Anna Faris hätte ich gern länger gesehen.
Auch der Score kann sich hören lassen, schön zurückhaltend und vorwiegend aus zarten Gitarrenklängen bestehend, für einen Oscargewinn meines Erachtens aber kompositorisch etwas dünn.
Wenn sich auch die positiven Kritiken überschlagen und man es ja kaum wagt, einem vermeintlich mutigen Film ein paar Negativpunkte reinzudrücken, - es gibt sie.
Denn so subtil die Emotionen in manchen Szenen auch verpackt sind, so fehlen sie an anderen Stellen fast komplett. Die Zärtlichkeit, die Nähe und Leidenschaft zwischen den beiden Männern wird eigentlich erst zum Schluss deutlich, wenn Jack bereits tot ist. Zu sehr konzentrieren sich viele Passagen auf das jeweilige Familienleben, die gemeinsamen Szenen zwischen Jack und Ennis sind zu selten, als dass die wahre Liebe, die immerhin über 20 Jahre anhält, für den Zuschauer deutlich wird.
Zudem hat man vergessen, die beiden Hauptdarsteller innerhalb dieses Zeitraums angemessen altern zu lassen, das müssen ein paar Koteletten als Markenzeichen der 70er ausreichen. Dezentes Make-Up hätte ja schon ausgereicht…
Zudem ist die Erzählweise zuweilen etwas sprunghaft, Jahre werden übersprungen, plötzlich sind Kinder da, die im weiteren Verlauf keine Bedeutung mehr haben und manche Ereignisse verlaufen im Sande. Da Ang Lee sich mit der Umsetzung der Kurzgeschichte ohnehin schon über 130 Minuten eingeräumt hat, hätte er hierfür ruhig noch ein paar Minuten mehr investieren können.
Nichts desto trotz, der Film ist gut, wenn auch der Hype um ihn mal wieder völlig übertrieben ist. Er unterhält, stimmt nachdenklich und - ja, auch ein Hetero wird nicht gleich angewidert aus dem Kinosaal flüchten, denn trotz der vielleicht vordergründig erscheinenden Thematik ist und bleibt es ein Liebesfilm und kein Film über/für Schwule.
Sehenswertes Gefühlskino, Punkt.
8 von 10 Punkten