Die Sensation des Jahres ist Brokeback Mountain nicht – dafür ist er auch viel zu ruhig und entspannt aufgenommen. Aber ein wirklich sehr guter Film ist es trotzdem geworden, denn es gelingt ihm als ersten Film die Domäne Männerfilm aufzubohren.
Davor gab es stets eine eindeutige Trennlinie: Filme über Gefühle sind für Frauen und Actionkracher wie Terminator und Rambo für Männer.
Jetzt zeigt Brokeback Mountain erstmals, dass auch Männer Gefühle haben und mit diesen leben. Hier am Beispiel von Ennis und Jack, die in den 60er Jahren in den USA gemeinsam eine Schafherde vor Kojoten schützen sollen (als Cowboys) und sich dabei näher kommen.
Der Film zeigt dabei, dass Männer ihre Gefühle ganz anders ausleben als Frauen. Hier gibt es keine endlosen Gespräche oder Stellvertreterkriege um Klamotten, die bewertet werden sollen – stattdessen sind die beiden einfach nur gerne zusammen.
Und das spielen Heath Ledger und Jake Gyllenhaal wirklich sehr überzeugend. Sie spielen mit ganz wenigen Worten so wahrhaftig, dass man sich als Kerl gar nicht daran stört, dass ihre Gefühle für einen anderen Kerl sind, denn die beiden bleiben echte Kerle (haben also nichts Tuckenhaftes) und deshalb kann man sich mit ihnen sogar (auch wenn man sich das vor dem Film nie hätte vorstellen können) durchaus identifizieren.
Brokeback Mountain ist wirklich der erste Film über Gefühle für Männer. Ich würde deshalb auch Frauen raten sich dieses Drama anzusehen, denn vielleicht verstehen sie dann auch, dass ein Schweigen des Partners gar nicht mal unbedingt Ablehnung bedeuten muss.
Aber natürlich wäre Brokeback Mountain kein guter Film, wenn er ohne Probleme auskäme. Dann wäre alles schnell langweilig – Hier bildet die schwulenfeindliche amerikanische Gesellschaft der 60er und 70er den Antipol für Ennis (Heath Ledger) und Jake (Jack Gyllenhaal). In dieser Gesellschaft weiß jeder, dass die Liebe zwischen Männern krankhaft ist und dass man die Männer dafür beschimpfen darf.
So einfach wie Mann trifft Frau und zieht mit ihr zusammen, ist es für die beiden Cowboys also nicht. Wenn man jetzt aber mehr erzählt, läuft man Gefahr zu viel zu erzählen und das wäre schade. Denn der Film ist wirklich empfehlenswert. Sogar sehr empfehlenswert. Frei von jedem Klischee zeigt er, die Liebe universell ist, so dass man sich auch für die beiden freuen kann und auch mit ihnen leidet.
Viel trägt dazu auch die einfache Folkmusik bei, die unauffällig aber melodisch eine akustische Gitarre beisteuert. Und natürlich bildet auch die eindrucksvolle Gebirgslandschaft einen Augenschmaus vom Feinsten.
Wahrscheinlich ist genau das der denkwürdigste Kontrast für Jack und Ennis. Innerhalb der riesigen Naturkulisse können sie ungestört und frei ihre Liebe leben, während sie in Städten und Dörfern gezwungen sind ein falsches Leben zu führen und ihrem eigentlichem Gefühl zuwider handeln müssen.
Natürlich plädiert der Film dementsprechend für mehr Toleranz gegenüber schwulen Lebensgemeinschaften. Aber wenn das das einzige Anliegen des Films wäre, hätten die beiden auch rosa tragen können und am Schluss hätten sie ein ertrinkendes Kind gerettet. Nein, so einfach ist der Film zum Glück nicht.
Brokeback Mountain erzählt die Geschichte von echten Männern, die echte Gefühle haben. Das Sehenswerte an der Geschichte ist, wie sie ihre Gefühle ausleben und was sie letztlich daraus machen. Das kann man nun mal in dieser Deutlichkeit nicht zeigen, wenn der geliebte Part eine Frau ist (weil die natürlich andere Erwartungen hat).
Man muss also keine Angst haben bei diesem Film seine feminine Seite zu entdecken, genauso wenig wie Brokeback Mountain versucht Heteros umzudrehen (es ist schließlich nicht jeder ein bisschen schwul – wie andere Genrewerke behaupten).
Brokeback Mountain handelt stattdessen von echten Männern und das macht er erzählerisch stark, in tollen Bildern und mit erstklassiger Musik. Ein großes Kompliment an Regisseur Ang Lee. Er hat eine schwierig nachvollziehbare Geschichte erstklassig erzählt!
P. S. Eines sollte man noch klarstellen: Jake und Ennis verlieben sich nicht auf dem Brokeback Mountain, weil sie einsam sind. Sondern sie kommen sich näher, weil es dort einsam ist. Dass die beiden in dem anderen dann die Liebe ihres Lebens finden - ahnen sie zu dem Zeitpunkt nicht in geringster Weise. Schließlich gibt es im Leben der beiden ja auch vorher und nachher andere Sexpartner. Doch das ändert nichts daran, dass Jake nur glücklich ist, wenn er mit Ennis zusammen ist und natürlich gilt das auch umgekehrt für Ennis. Anders wäre es für beide leichter - Aber die Liebe zwischen den beiden ist eine Tatsache - genau das zeigt Brokeback Mountain!