Achtung: Review mit gespoilertem Ende!
Wir schreiben das Jahr 1963. Die Cowboys Ennis del Mar (dargestellt von Heath Ledger) und Jack Twist (dargestellt von Jake Gyllenhaal) heuern gemeinsam auf einer Ranch an, um für dessen Besitzer auf dem Brokeback Mountain eine Herde Schafe vor Wilderern und Raubtieren zu beschützen.
Es dauert nicht lange bis sich herauskristallisiert, dass die beiden Männer mehr verbindet als nur eine platonische Freundschaft. Sie verlieben sich in einander und verbringen gemeinsam auf dem Brokeback Mountain die wohl schönste Zeit ihres Lebens.
Doch nach getaner Arbeit ist alles vorbei. Da im prüden Amerika der 60er Jahre eine Liebe zwischen zwei Männern nicht toleriert wird, gehen beide getrennte Wege. Sie heiraten und gründen Familien.
Ganze vier Jahre gehen ins Land, bis Ennis plötzlich eine Postkarte von Jack erhält, auf der dieser seinen Besuch ankündigt. Schnell zeigt sich, dass sich an den Gefühlen füreinander nicht das Geringste geändert hat.
Ihren Frauen gegenüber behauptend zusammen auf dem Brokeback Mountain angeln zu gehen, verbringen sie immer wieder wenige Tage des Glücks miteinander. Viel Zeit bleibt ihnen für die heimliche Liebe nicht.
Als die Ehe zwischen Ennis und seiner Frau Alma (dargestellt von Michelle Williams) in die Brüche geht, hofft Jack endlich mit ihm den stets gehegten Traum vom gemeinsamen Leben auf einer kleinen Ranch verwirklichen zu können. Doch Ennis, der nach der Scheidung ohnehin kaum Zeit für seine Kinder hat, lehnt dies ab, da er für ein offenes Ausleben ihrer gemeinsamen Liebe keine Chance sieht. So vertreibt sich Jack zwischen den immer seltener werden Treffen die Zeit mit mexikanischen Strichern.
Nach insgesamt knapp 20 Jahren wird der geheimen Liebe der beiden Männer durch den unerwartetet Tod Jacks ein jähes Ende bereitet.
Was Regisseur Ang Lee hier mit seinem Team auf die Beine gestellt hat, ist wirklich ganz großes Gefühlskino und die mit Abstand herzzerreißendste Geschichte einer nie wirklich gelebten Liebe. Unterstützt von der mit dem Oscar ausgezeichneten Filmmusik und den opulenten Landschaftsaufnahmen, liefern Heath Ledger und Jake Gyllenhaal hier die wohl beste schauspielerische Leistung ihrer bisherigen Karriere ab. Auch Michelle Williams, die hier überzeugend die betrogene Ehefrau spielt, macht ihre Sache gut und war deshalb ebenso wie Heath Ledger und Jake Gyllenhaal für den Oscar nominiert.
Über 134 Minuten wird hier ohne auch nur den leisesten Hauch von Kitsch aufkommen zu lassen die Geschichte einer geheimen Liebe erzählt, die einzig und allein dann ihre Erfüllung findet, wenn Ennis und Jack sich mal wieder „zum Angeln“ auf dem Brokeback Mountain treffen. Die Homosexualität nicht tolerierende Gesellschaft verbietet ihnen ihre Gefühle offen auszuleben, so dass die kurzen als Angelausflüge getarnten Ausflüge in die Berge alles sind, was den beiden letzten Endes bleibt, wenn sie überhaupt zusammen sein wollen.
Jack sind die nur sehr rar gestreuten Tage des Beisammenseins jedoch nicht genug. Er träumt davon mit Ennis auf einer kleinen Ranch zu leben und dort mit ihm glücklich zu werden. Der in dieser Beziehung ängstliche Ennis möchte dies jedoch nicht.
In einer Szene erzählt er Jack von zwei alten Männern, die einst zusammen auf einer Ranch lebten. Obwohl sie harte Burschen gewesen seien, hätte man immer über sie gelacht. Eines Tages habe man dann einen der beiden Männer grausam ermordet aufgefunden. Ennis der von seinem Vater mit neun Jahren gezwungen wurde, sich die grausam verstümmelte Leiche anzusehen, glaubt sogar, dass dieser an dem Mord beteiligt war. Dieses Kindheitserlebnis hat ihn stark geprägt und daher ist er um so vorsichtiger, als es darum geht einen ähnlichen Lebensweg einzuschlagen. Deshalb ist er am Ende auch fest davon überzeugt, dass Jack ermordet worden sein muss, obwohl ihm seine Frau von einem Unfall erzählt.
Man wünscht sich förmlich, dass sich Ennis und Jack in einer anderen Zeit kennengelernt hätten, in der es ihnen möglich gewesen wäre ihre Liebe offen auszuleben. Es gibt im Film viele Situationen, in denen sich die Beziehung der beiden in eine völlig andere Richtung hätte entwickeln können, wenn es nur der Ort und die Zeit (vor allem aber auch Ennis selbst) erlaubt hätten.
Da wäre zum Beispiel der erste Abschied im Sommer 1963, wo beide schweren Herzens getrennte Wege gehen und Ennis nur wenige Sekunden später völlig fertig zusammenbricht oder Ennis‘ Trennung von seiner Frau, nach der Jack völlig euphorisch bei ihm auftaucht, weil er meint, dass dieser nun mit ihm zusammenleben würde. Doch die Beziehung kann sich nie wirklich entfalten, weil sie durch die gesellschaftlichen Hürden und Ennis‘ Angst von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. So sagt Jack beim letzten Treffen zu Ennis, dass sie immer zu wenig Zeit hätten. Wie wenig Zeit sie letztendlich wirklich hatten, realisiert Ennis jedoch erst so richtig nach Jacks Tod. Die tatsächlichen Wochen der Gemeinsamkeit während der letzten 20 Jahre kann man sich jedenfalls an einer Hand abzählen, wenn man mal den Sommer des Jahres 1963 außen vor lässt, in dem Ennis und Jack eindeutig am glücklichsten waren. Beim letzten von Streit überschatteten Abschied erfolgt noch einmal eine Rückblende in diese Zeit.
Die emotionalsten Szenen, die einfach nur noch zum Weinen anrühren, hat man sich bei „Brokeback Mountain“ für den Schluss aufgehoben. Genannt seien hier neben dem schmerzhaften letzten Abschied im Speziellen der Anruf von Ennis bei Jacks Witwe, welche ihm am Telefon erzählt, wie Jack beinem missglückten Reifenwechsel von der Felge im Gesicht getroffen worden und schließlich an seinem eigenen Blut erstickt sei, weil ihn niemand rechtzeitig gefunden habe (vor Ennis' geistigem Auge flackern in diesem Moment Bilder auf, in denen Jack grausem ermordet wird) und Ennis‘ Besuch bei Jacks Eltern, bei dem er neben Jacks auch sein eigenes blutiges Hemd von der Prügelei im Jahre 1963 in dessen Kleiderschrank wiederfindet. Ennis hatte immer geglaubt, es seinerzeit auf dem Brokeback Mountain vergessen zu haben. Doch Jack hatte es schon damals mitgenommen und wie einen Schatz gehütet.
Sowohl bei Ennis‘ Gespräch mit Jacks Witwe am Telefon als auch dem persönlichen Gespräch mit Jacks Eltern, wird meiner Meinung nach deutlich, dass diese, obwohl niemand es ausspricht, genau wissen, was Ennis del Mar für Jack war, nämlich sein Geliebter.
Ein bisschen Trost kann da höchstens noch die Schlusssequenz spenden, in der Ennis von einer seiner Töchter besucht und zu ihrer Hochzeit eingeladen wird, da diese Szene deutlich macht, dass Ennis sich, nachdem er Jack nach den viel zu seltenen Momenten der Gemeinsamkeit während der letzten 20 Jahren verloren hat, endlich mehr um seine Töchter, also die Menschen, die er liebt, kümmern will. Nach der Scheidung von seiner Frau Alma hatte er vom Leben seiner Töchter kaum noch etwas mitbekommen. Jack hat er endgültig verloren und was vergangen ist, lässt sich nicht zurückholen, aber am Leben seiner Töchter kann er immer noch Teil haben.
Auch wenn der Film so doch ein arg bitteres Ende nimmt, wäre ein Happy End wie in einem üblichen Liebesfilm bei weitem nicht so intensiv und vor allem nicht derart erschütternd gewesen. Genaugenommen waren es schon immer die Liebesfilme, welche ein unglückliches Ende nahmen, die dem Zuschauer besonders nahe gegangen und im Gedächtnis haften geblieben sind. Warum sollte man sich auch hinterher noch den Kopf über einen Film zerbrechen, bei dem sich die Liebenden am Ende lachend in den Armen liegen? Es ist ja alles in Ordnung.
Mir jedenfalls spukt „Brokeback Mountain“ auch jetzt (Tage nach dem Kinobesuch) noch immer im Kopf herum, was bisher bei herzlich wenigen Filmen der Fall war.
Fazit: Ich bedauere es sehr, dass sich „Brokeback Mountain“ bei der diesjährigen Oscarverleihung im Kampf um die Auszeichnung für besten Film „L.A. Crash“ gegenüber geschlagen geben musste. Dieser ist zwar auch ein sehr guter Film, aber „Brokeback Mountain“ kann er aus meiner Sicht nicht ansatzweise das Wasser reichen.
Genauso beschämend ist es, dass nicht ein einziges Kino in meiner Umgebung diesen schlichtweg großartigen Film ins Programm genommen hat, so dass ich erst knapp 50 Kilometer weit fahren musste, um ihn zu sehen. Aber ich kann wirklich nicht genug betonen, dass dieses Meisterwerk jeden verfahrenen Kilometer mehr als wert war. Der Kinobesuch ist also Pflicht.