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Man sitzt im Kino, vor einem postiert sich ein hoch gewachsener Mann, der die Unterseite der Leinwand verdeckt. An den wichtigsten Stellen des Films klingelt das Handy der Platznachbarin mit einem nervigen Realtone, der einem Glauben macht, er sei zum Stören von Kinovorstellungen erfunden worden. Besagte Nachbarin regt sich auch lauthals über besagtes Geräusch auf, kramt übertrieben raschelnd nach dem Gerät, schaltet das Handy jedoch nicht aus. Vor Beginn des FSK-16-Films wird der Zuschauer dann auch noch mit ein paar Trailern für Kinderfilme erfreut. Manchmal kann der Kinobesuch ein wenig (nur ein wenig!) nervtötend sein, dann bleibt die letzte Rettung vor der sich einbrennenden unangenehmen Erinnerung der Film. Nicht selten verblasst dieser im Lichte der unerträglichen Störungen, manchmal gelingt es ihm, trotz allem zu fesseln.

Where the Truth Lies hielt allen Sabotageattacken auf das ungetrübte Kinoerlebnis stand, entfaltete ohne Mühe seine traumähnliche Atmosphäre, breitete seinen Sog mit Leichtigkeit aus.

Atom Egoyans Film ist ein Krimi mit einem recht simplen - an den Film Noir erinnernden - Plot: Eine Journalistin (Alison Lohman) will in den Siebzigern eine Biografie über die Helden ihrer Jugend schreiben, zwei Entertainer aus den 50er Jahren: Lanny (Kevin Bacon) und Vince (Colin Firth). Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem geheimnisvollen Tod einer jungen Frau, deren Leiche in der Suite der beiden Stars gefunden wurde. Jener Skandal hatte damals zur Trennung des Duos geführt.

Mit virtuosen Zeitsprüngen, die durch ihre technische Perfektion nie von der Story ablenken, katapultiert Egoyan den Zuschauer in die stilvollen, gar nicht prüden Fifties, um dann wieder - unangekündigt - in die drogengeschwängerten wilden Siebziger zurück zu schneiden. Doch ist es nicht nur die artifizielle Konstruktion, die Where the Truth Lies vom Krimidurchschnitt abhebt. Halluzinatorische Bilder sprechen für das visuelle Können der Macher und geben dem Film eine träumerische Note die verhindert, dass der Realismus voll und ganz Einzug hält und dazu führt, dass der Film auch (oder gerade) in der Gegenwart (die 70er) unwirklich daherkommt. Unterstützt durch die geheimnisvoll schwebende Musik von Mychael Danna (Capote; The Ice Storm), die sich gekonnt mit zeitgenössischen Songs abwechselt, schafft Egoyan einen modernen Film Noir, der, mehr noch als L.A. Confidential, auf Stil und Atmosphäre setzt. Zwar kann er es mit letzterem, was dessen intelligente Storyline betrifft, nicht aufnehmen, doch für Fans der Noir-Atmosphäre bleibt Where the Truth Lies ein Fest.

Bei aller technischen Perfektion sind es jedoch die beiden Hauptdarsteller, die besonders zu beeindrucken wissen. Kevin Bacon als überdrehter Lanny und Colin Firth als Gentleman Vince zeigen bravouröse Leistungen und harmonieren unerwartet gut auf der Leinwand. Man glaubt zu Anfang beide auf Typen festlegen zu können, doch gewinnen sie im Verlauf des Films an (für uns) unangenehmen Nuancen. Alison Lohman ist in ihren Ausdrucksmöglichkeiten nicht gerade überragend - vielleicht fehlt dem Film auch eine starke Frauenfigur à la Lynn Bracken oder Vivian Rutledge - doch wird ihr auch nicht allzu viel abverlangt.

Where the Truth Lies
ist ein beeindruckend mysteriöser Krimi, der auch in seiner Auflösung nicht enttäuscht. Hat man das Kino mit all seinen nervtötenden Begleiterscheinungen erst mal verlassen, so ist man verwundert über das Gefühl, dass sich der Film, trotz der stattfindenden Bloßlegung des zentralen Mythos', in seinen Geheimnissen nie ganz fassen lässt. Ein äußerst zufriedenstellendes Gefühl.

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