Es geht auch anders! Kirk Wongs Vision ist es zu verdanken, dass man Jackie Chan 1993 in einer eher ungewohnten Rolle bewundern durfte, die ihm aber, wie nun “Hard to Die” beweist, auch nicht schlecht zu Gesicht steht. Inspektor Eddie Chan ist kein auf Jackie abgestimmter Charakter, noch wäre es die Geschichte um die Entführung eines Industriellen. Zumal ursprünglich der seit jeher ernster agierende Jet Li für die Rolle gedacht war, ist es eine etwas kuriose Fügung, dass Jackie, der gerade noch mit der “Police Story”-Trilogie fertig geworden war, nun in Wongs düsterem Großstadt-Actionthriller auf Verbrecherjagd gehen sollte.
Zu verdanken hat Chan diese Rolle neben seiner Popularität vermutlich auch der Rollenauslegung seiner Figur in “Police Story”, deren düstere Seite dann doch ausgesprochene Ähnlichkeiten mit Eddie Chan aufweist. Beide sind ehrgeizige Cops, denen die Auflösung eines Falls mit fast schon persönlichen Ambitionen am Herzen liegt, beide gehen bis an ihre Grenzen, beide sind sich selbst und ihrem Beruf gegenüber vollkommen loyal, beide begeben sich für Recht und Ordnung in höchste Gefahr, selbst wenn das bedeutet, sich kurzzeitig über das Gesetz hinwegzusetzen. Eddie Chan ist also quasi das Teufelchen auf der Schulter des “Police Story”-Jackie, und das Engelchen wurde wegrationalisiert... wobei es wohl realitätsnäher wäre, würde das Engelchen ein Glückspilz sein und das Teufelchen ein gebrochener Antiheld, denn nur mit einem solchen haben wir es hier zu tun.
Leider wurde dann durch Chans Mitwirken doch einiges von der Dunkelheit, die den Charakter umwehen sollte, abgeschwächt. Sollte Eddie Chan ursprünglich mit emotionalen Problemen kämpfen und gar eine Beziehung mit seiner Therapeutin eingehen, war das offenbar mit Chan als Hauptdarsteller keine Option mehr. Regisseur Kirk Wong musste nach und nach seine düstere Vision aus der Hand geben, weil Jackie Einfluss auf die Produzenten ausübte und der Regisseur am Ende gar gefeuert wurde. Das Endresultat sieht trotz der Kompromisse, die durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen Regisseur und Hauptdarsteller aufkamen, glücklicherweise immer noch gut aus für einen recht kompromisslosen Actioner und einen für Chan-Verhältnisse unglaublich düsteren Film. Andererseits machen sich doch einige Punkte bemerkbar, die an diesen Unstimmigkeiten litten und die mutmaßen lassen, dass “Hard to Die” mit Jet Li ein besserer, weil dreckigerer Film geworden wäre.
Man kommt trotzdem nicht umhin, Chans gute Leistung in diesem nichtsdestotrotz gut konstruierten Thriller anzuerkennen. Die Möglichkeiten, die in einem Imagewechsel lagen, machten sich schon in gewissen Momenten in den “Police Story”-Filmen bemerkbar, zeigen aber erst hier, in beibehaltener Konsequenz, in welcher Vielseitigkeit man den Hong Kong-Star hätte einsetzen können, wäre er in seiner Karriere von seinem stringenten Comedy-Konzept hin und wieder abgegangen, um zwischenzeitlich zweispurig zu fahren. Zwar bot auch “The Prisoner” zwei Jahre zuvor schon einige Eindrücke, doch erst hier verfolgte er diesen Weg voll und ganz in einer Hauptrolle. Es ist zu konstatieren, dass Jackie auch mit düsterer Miene kein besonders überragender Schauspieler ist und dies wohl auch nicht mehr werden wird, doch macht er sich das neuartige Gemüt sehr schnell zu eigen und vermag es, dem Zuschauer zu suggerieren, er habe nie etwas anderes gemacht als düstere Figuren zu spielen. Auch deswegen fallen die Kompromisse nicht allzu sehr ins Gewicht.
Und doch, gönnt man sich einen näheren Blick auf die Handlung, so muss man sich eingestehen, dass dies ein besserer Film geworden wäre, hätte man Kirk Wong alle Freiheiten gelassen. Die Anfangsszene, in der Chan bei der Psychiaterin sitzt und einen traumatischen Überfall auf offener Straße revuepassieren lässt, macht in der Form keinen Sinn mehr und hat strenggenommen keine Berechtigung mehr, in der Handlung belassen zu werden. Denn einerseits bleiben die psychologischen Beweggründe der Hauptfigur unangetastet, andererseits gibt es natürlich auch keine Liebschaft zwischen Jackie Chan und Leng-Leng Phua, was der Szene ihren Sinn nimmt und sie wie ein überflüssig gewordenes Relikt aus einem alten Skript wirken lässt. Interessant ansehbar ist sie aus inszenatorischen Gründen dennoch; der Flashback wurde hervorragend inszeniert und glänzt wie der komplette Film mit schmackhaften Actionszenen zwischen Schießereien, Fluchten und Autocrashs.
Die Grundidee für den Plot ist keine Neuheit mehr, aber eben auch angeblich eine auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte, insofern kann man dem keinen Riegel aus Kritik vorschieben. Die erste Filmhälfte ist dabei die deutlich interessantere. Das Entführungsszenario wird klug eingefädelt, indem man auf den klassischerweise gebräuchlicheren Surprise-Effekt verzichtet und den Drahtzieher (Kent Cheng) gleich in der ersten Szene entlarvt. Die Folge ist die, dass wir während der Ermittlungen Chans einen Suspense-Effekt erfahren, indem sein vermeintlich kollegialer Partner direkt neben ihm steht und unbemerkt die Bemühungen demontiert, den entführten Industriellen aus den Klauen der Erpresser zu befreien. Interessante Ideen wie der Einstieg in den Film durch eine Probe des komplexen Entführungsvorgangs und die anschließende reale Tat verleihen dem Geschehen Struktur und lassen es abwechslungsreich erscheinen.
Bemerkenswert ist auch das Erzähltempo. Obwohl dem nicht ganz so ist, fühlt man sich zeitweise wie in einem Echtzeitfilm. Rückblenden oder stilistisch bedingte Verlangsamungen finden, wenn überhaupt, nur zu Beginn statt; spätestens jedoch mit der Entführung ist es ein Spiel auf Zeit, und während Inspektor Chan ermittelt, spürt man die Minuten, die ihm mit jedem Atemzug verlorengehen.
Der schwergewichtige Kent Cheng legt seine Judas-Figur trotz einiger unsympathischer Szenen wie bei der Ohrfeige für die Freundin (welche plotmäßig nicht ohne Konsequenzen bleibt) insgesamt recht nachvollziehbar an, was seine Motive und seinen Umgang mit den Polizeikollegen anbelangt. Die werden ebenfalls zu Beginn angedeutet, wenn Jackie sich als rhetorisch geschulter Schlichter mitten in ein Gedränge werfen muss, um eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und Vorstand zu verhindern. Womit natürlich auch soziale Missstände angedeutet werden, was der Entführungssituation - schließlich wird hier ein reiches Opfer entführt und seine Frau damit erpresst - zusätzliches Feuer gibt; denn wenn man hört, dass die Baufirmen die Apartments einer Wohnsiedlung zu vier Wohnungen umbauen will, um mehr Menschen unterzubringen, vermischen sich die Grenzen zwischen Gut und Böse.
Der zweite Teil lebt von dem sich aufbäumenden Verdacht bei Chan und der anschließenden Jagd auf den Verräter aus den eigenen Reihen. Dieser Teil ist gespickt mit furiosen Stunts, einigen guten Kamerafahrten und hin und wieder emotional aufgeladenen Martial Arts, die aber die Konventionalität nicht verbergen können, wenigstens aber solides Entertainment bieten. Optisch bestimmen immer wieder stark beanspruchte Blaufilter das Geschehen, wie sie bereits in “City Hunter” gebräuchlich waren.
Steht man auf humorlose Hong Kong-Actionthriller und war schon immer genervt von Jackie Chans Infantilität, würde ihn aber auf humorfreiem Terrain gerne mal sehen, so ist “Hard to Die”, der Film, den man nicht verpassen sollte. Obwohl Kirk Wongs ursprünglich angedachtes Szenario sicher noch mehr Appeal gehabt hätte, ist das von Chan interpretierte Antiheldentum eine Erfahrung wert. Action und Thriller sind stark gewichtete Elemente in diesem Streifen und machen die gut 100 Minuten zu einer äußerst kurzweiligen Hatz durch die verschiedensten fernöstlichen Metropolen, auch wenn die Geschichte als solche sicherlich nichts neues mehr erzählt.