Review

(Genaue Handlungsspoiler habe ich versucht auszuschließen, generelle sind mir hier und da durchgeschlüpft.)

"As my journey through the pharmaceutical jungle progressed, I came to realize that, by comparison with the reality, my story was as tame as a holiday postcard."
                                                                                                                        - John Le Carré

Dieses Zitat vom Ende des Films mag etwas überzogen wirken; schließlich soll die Botschaft den Zuschauer ja erreichen, und wie Schauspieler auf der Bühne sich zu stark schminken, um auch aus der letzten Reihe deutlich erkennbar zu sein, so zeigt auch "Der ewige Gärtner" von "City of God"-Regisseur Fernando Meirelles sehr klar und teilweise überdeutlich, was er ausdrücken möchte.
Doch lässt man sich einmal auf den Film ein, ohne gleich in großes "Klischee, Klischee"-Geheul auszubrechen, wie es einige aus Bequemlichkeit zu tun pflegen, stößt man unversehens auf ein Werk, das mehr als nur ein wenig Achtung für das gewählte, unbequeme Thema verdient.

Beginnen wir zunächst kurz mit der Geschichte: Justin Quayle, britischer Diplomat, lernt nach einem Vortrag die offensichtlich politisch äußerst engagierte Tessa kennen; sie heiraten, er bricht beruflich nach Afrika auf, sie interessiert sich für das Land - also reisen sie kurzerhand zusammen. So weit, so Standard. Dann ist Tess tot. Vergewaltigt und verstümmelt wird sie in einem liegengebliebenem Jeep gefunden. Justin ist verstört - und pflanzt Kressesamen.
Der Filmtitel kommt nicht von ungefähr, denn Justins Pflanzenliebe verkörpert seine Zurückgezogenheit, seine mangelhafte Bereitwilligkeit, sich auf die Umgebung, die sich ihm auftut, einzugehen. Für Tessa, die sein genaues Gegenteil ist, bildet er den Ruhepol inmitten eines Skandals, den es im Laufe des Films nicht nur aufzudecken, sondern auch zu beweisen gilt.

Dies stellt sich längst nicht so einfach dar, wie man es aus anderen Politthrillern gewohnt ist. Auch dort muss der Held kämpfen, auch dort ist der Erfolg nicht vorprogrammiert, allerdings legt "Der ewige Gärtner" genauso viel Wert auf eine außergewöhnliche Hauptperson wie auf einen realistischen Rahmen der Geschichte.
Zunächst zu Justin Quayle: Der passive Diplomat, der zwar nicht klischeehaft in sich gekehrt, aber doch eher zurückgezogen lebt, wird nach und nach mit Informationen zu bestimmten Vergehen der Pharmaindustrie, das seine Frau aufzuklären versuchte, konfrontiert und ändert sein konfliktvermeidendes Verhalten Stück für Stück. Schon vor ihrem Tod war ihm bewusst, dass sie etwas bestimmtes verfolgte, hielt sich jedoch wegen seines Charakters immer zurück; so bat er seine Frau nicht, ihm von ihren Erkundigungen zu berichten, sondern nur, damit aufzuhören. Tessa ihrerseits wollte ihn aus allem heraushalten.
Das ungleiche Paar wird hervorragend gespielt von Ralph Fiennes und Rachel Weisz. Fiennes verkörpert seine Rolle als zunächst passiver Gentleman, ohne langweilig zu wirken, da er immer wieder kleinere Ausbrüche einstreut. Weisz sprüht nur so vor Lebensfreude und Wärme, ohne dabei in die Nähe bemüht wirkender Charity-Damen zu kommen.

Der Inhalt aber stiehlt beiden eindeutig die Show. Da er auf tatsächlichen, greifbaren Problemen basiert (auch wenn die Geschichte hier auf einen zweistündigen Film zurechtgestutzt wird) und an Originalschauplätzen gedreht wurde, muss man erst einmal die Vorschuss-Lorbeeren für Authentizität beiseite räumen. Es ist für mich als auf dem thematischen Gebiet recht Unbefleckten schwierig, diese Ansprüche zu überprüfen. Allerdings vermittelt das Gezeigte einen durchaus realistischen Eindruck. Das liegt nicht nur an den (teils seltsam schönen, teils trostlos dreckigen) Schauplätzen, sondern auch an der Geschichte.
So ist es zum Beispiel schlicht unmöglich, die Mörder von Justins Frau aufzutreiben - natürlich auch wegen der undurchschaubaren Befehlskette mit den üblichen unantastbaren grauen Eminenzen im Hintergrund, aber auch wegen der schieren Vielzahl der Menschen, die aus Geldmangel und niedriger Hemmschwelle bereit wären, solche Taten zu begehen.
Schwarze Mörder und Räuber werden bewusst gesichtslos gezeigt, denn hier interessieren weniger die genauen Täter, als vielmehr die Ursachen. Ähnlich verhält es sich übrigens für die Weißen. Da sich die obere Hälfte der Befehlskette hier befindet, gibt es natürlich Menschen, die eindeutiger für begangenes Unrecht verantwortlich gemacht werden können. Trotzdem wird (gerade durch das Ende) der starke Eindruck erweckt, dass die Maschinerie, die an dem Elend vieler schuldig ist, gar nicht von wenigen Menschen abhängt, die ohnehin ersetzbar sind (egal an welcher Position der Hackordnung), sondern ein Teufelskreislauf ist, der kaum zu stoppen ist.

Besonders ist die gezeigte Geschichte deshalb, weil sie immer die Auswirkungen der Untaten im Blick hat und nie wirklich zu ihren Ursachen durchstößt, auch wenn sie zum Greifen nah scheinen. Häufig ist der eigentliche Politthriller mehr ein Drama, das die Hilflosigkeit der Betroffenen zeigt. Hier gleitet der Film tatsächlich mehrfach in pathetische Szenen ab, wenn etwa nach einem Raubüberfall auf ein Dorf ein kleines Kind mit Hündchen auf die abgebrannten Hütten blickt. Andererseits muss man sich vorstellen: Wie sieht es wohl tatsächlich aus, wenn die Männer getötet und die Frauen vergewaltigt sind? Die Problematik, die sich zunächst auf den Pharmabereich zu begrenzen scheint, wird in teils realistisch-drastischen, teils überzogenen Bildern deutlich gemacht, die durch die zurückhaltend-verzweifelte Art von Justin Quayle nicht nur gemildert, sondern zu einem Ganzen verwoben werden, das sich der geneigte Zuschauer auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

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