Review

Nun denn, fangen wir mit dem (vermeintlich) Schlechten an:

Ralph Fiennes ist die absolute Fehlbesetzung für den Film, er ist zu jung, charismatisch oder zu gutaussehend, um seinen Charakter zu spielen. Aber wer könnte statt seiner diese Rolle spielen? Bob Hoskins? Zu alt. John Hurt? Zu alt. Michael Caine? Zu alt. Hmm, bleibt nicht viel übrig. Vielleicht hätte es ja jemand unbekannterer getan, aber dann hätte der Film nicht sein Publikum bekommen. Insofern geht das wohl in Ordnung.

Nun aber zum Guten: Ralph Fiennes spielt wie entfesselt. Er ist absolut glaubwürdig. Umso mehr beeindruckt das deshalb, weil er ja von vornherein als Fehlbesetzung glänzt. Wirklich, da kann man nur den Hut vor dieser Leistung dieses Mannes ziehen.

Rachel Weisz spielt ebenso diesmal in einer anderen Liga als in den Filmen, die sie vorher gedreht hatte, es tut ihr sichtlich gut, mit großartigen Partnern und einem anscheinend ebenso großartigen Regisseur zusammen zu arbeiten.

Die Regie von Fernando Mereilles ist ähnlich wie in „City of God" tadellos und über jeden Zweifel erhaben. Und nun zur Vorlage: Obwohl es sich hierbei um einen Vorlage von John Le Carré handelt, kam ich die ganze Zeit über nicht vom Gefühl los, mir läge hier ein Zwitterprodukt irgendwo zwischen Graham Greene und dem „Englischen Patienten" vor.Michael Caine wäre auch nicht von ungefähr daher meine Idealbesetzung für diesen Film gewesen, wenn er nicht zu alt gewesen wäre. Ralph Fiennes Charakter erinnert ein bisschen an Caines Figur in „Der Honorarkonsul". Es sollte wohl trotzdem angemerkt werden, dass das wohl die einzige Ähnlichkeit der beiden Filme sein dürfte.

„Der Englische Patient" schwebt einem nicht nur wegen dem Hauptdarsteller und der meisterlichen Regie, sowie demselben Kontinent (wenn auch absolut unterschiedliche Regionen) vor, sondern wegen der unglaublich schönen Bilder.

Die Story des Films schwankt irgendwie zwischen Sozialkritik, Politthriller und Melodram hin und her, dabei den Schwerpunkt seltsamerweise gelingend auf dem puren Schauspielkino belassend. Eine selten gelingende, seltsame Symbiose, die es allemal wert wäre gesehen zu werden.
Und nun zu den tatsächlichen Kritikpunkten: 1. Dies ist nicht ganz so ernst gemeint: Wieso muß in Hollywoodfilmen, die mittlerweile ja selbst immer mehr auf politisch korrekt getrimmt sind, im deutschen Fernsehen immer Volksmusik spielen? Und wieso müssen entfernt an Skinheads erinnernde Deutsche mitten auf der Straße irgendwie aggressiv Fussball spielen? Hat das ausländische Publikum nach wie vor dieses Bild vom Durchschnittsdeutschen? Auch okay...

2. Irgendwie kommt der Film ein bisschen mit seiner Botschaft so herüber wie Rachel Weisz' Filmfigur: Ein bisschen naiv und vorlaut, wohl wissend um die Verstrickungen und dass man dieses Gestrüpp nicht entwirren kann, aber immer noch mit einem belehrenden Zeigefinger. Fiennes Charakter macht diesen Fehler nicht, er geht seinen Weg glaubhaft konsequent so weit, weil er andere Motive hat. Aber der Film versucht in letzter Konsequenz größer zu sein, als er tatsächlich ist und das mit einem oberlehrerhaften Eifer, dass es ein bisschen am Makellosen kratzt.

Während Mereilles in „City of God" keine Wertung abgab, sondern lediglich eine Bestandsaufnahme ablieferte, will er hier ein bisschen die Welt verbessern, so wie Weisz' Charakter, erinnert - nicht nur wegen der Region, in der der Film spielt - an missionieren.
Sei's drum. Gut ist der Film auf jeden Fall, die Darsteller heben den Film noch ein gutes Stück über den Durchschnitt.Afrikafans ist der Film auf jeden Fall empfohlen, Thrillerfans der alten Hollywood-Schule könnten sich ein bisschen langweilen.
8 Punkte.

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