Trotz aller Lesefreudigkeit und Interesse an meiner Umwelt ist für mich Afrika nach wie vor der Teil, der mir am wenigsten bekannt ist. Wenn ich also Szenen aus einer Wellblechhüttensiedlung sehe, die Müllberge und die vielen Kinder dazwischen, dann ist das immer ein großes Faszinosum für mich. Natürlich weiß ich ,daß es so etwas gibt, aber meine Augen haben sich noch nicht daran gewöhnt...
Der Verdienst von "Der ewige Gärtner" ist ,daß die Zustände ,die hier gezeigt werden ,gar keine besondere Rolle spielen. Natürlich - der Mißbrauch der afrikanischen Bevölkerung als Versuchskaninchen für Pharmakonzerne ist der Aufhänger für die Story - aber im Wesentlichen handelt es sich hier um eine Liebesgeschichte.
Justin Quayle (Ralph Fiennes) lernt Tessa bei einem Vortrag in London kennen, den er als Ersatzmann in seiner ruhigen (um nicht zu sagen langweiligen) Art vorträgt. Was Tessa (Rachel Weisz) nicht davon abhält, lauten Protest auszustoßen und kurz darauf mit Justin im Bett zu landen.
Die Beiden sind denkbar verschieden - hier der leicht autistische Diplomat, der kaum einen Blick für seine Umwelt hat und sich in der Freizeit fast ausschließlich um seine Pflanzen kümmert, dort die leicht chaotische engagierte junge Frau, die alles um sich herum sieht und aufsaugt.
Als er nach Afrika versetzt wird, bittet sie ihn mitzunehmen und heiratet ihn deshalb sofort.
Die Qualität des Films liegt darin, daß man in diesen Szenen der beginnenden Beziehung, die als Rückblende erzählt werden, trotz der Verschiedenheit spürt, daß die Beiden sich lieben. In Justin steckt schon eine gewisse Begeisterung für ihre Art, doch die afrikanische Realität und die verschiedenen Auffassungen zu den Geschehnissen in ihrer Umwelt entfremdet beide voneinander.
Als Justin sich zu Beginn des Films von Tessa am Flughafen verabschiedet, wirkt das wie ein Abschied zwischen guten Freunden. Doch Tessa kehrt nicht mehr zurück. Justin muß ihre Leiche identifizieren und beginnt erst jetzt sich wirklich mit ihr zu beschäftigen.
Ralph Fiennes gelingt es sehr glaubwürdig, diese Veränderung in seinem Verhalten darzustellen. Er wird nicht zu einem anderen Charakter, aber er beginnt den Kern, der sich im Inneren schon immer für Tessa begeistern konnte, auszuleben. Im Gegensatz zu ihr, die versuchte die bestehenden Mißstände aufzudecken und anzuprangern, liegt seine Intention darin ,sie zu verstehen und die Umstände ihres Todes aufzuklären.
Dabei bleibt er immer der ruhige, fast lethargische Typ. Passend dazu ist auch Fernando Mireilles Erzählstil, der besonders dramatische Ereignisse immer vorweg nimmt und die Entstehung dazu im Nachhinein erzählt.
Dadurch erhält der gesamte Film eine insgesamt ruhige Note, die sich nur in wenigen Momenten dramatisch zuspitzt.
Dabei gelingt es, die Szenen in Berlin ähnlich bedrohlich zu gestalten wie in Afrika. Wenn man sich den Interessen der Mächtigen gegenüber konträr verhält ist man überall ausgeliefert, sei es in der Großstadt oder weit entfernt jeglicher Zivilisation...
Angesichts der afrikanischen Realitäten besteht immer die Gefahr, diese plakativ und besonders anklagend im Film anzuprangern. Mireilles stellt dagegen immer Justin und Tessa in den Mittelpunkt - das Geschehen um sie herum ist so beeindruckend, daß es einer besonderen Betonung nicht bedarf.
Zum Schluß bleibt ein seltsam unbeteiligtes Gefühl - Justin ist bis zuletzt dank seiner verschlossenen Art keine Identifikationsfigur und es entsteht auch keine Wut auf die bestehenden Verhältnisse.
Aber genau darin liegt die Qualität des Filmes - ähnlich wie Justin im Film Schritt für Schritt sich Tessa annähert und wir diesen Prozeß mitgehen, schleicht sich auch das gezeigte Bild Afrikas in unsere Erinnerung - ein Film mit einer langen, fast unmerklichen Nachwirkung (9/10).