Review

Lange hat es gedauert, dass der Urvater des Genres seine Zombie-Reihe endlich um einen vierten Teil erweitern durfte. Die Finanzierung bereitete Probleme, der Zeitgeist fordert 20 Jahre nach „Day of the Dead“ mehr Anspruch ein und, was noch viel schlimmer ist, George A. Romero war nie ein besonders talentierter Regisseur, aber er hatte das Glück oder den Instinkt mit „Night of the Living Dead“ und „Dawn of the Dead“ zwei Filme zum richtigen Zeitpunkt zu drehen. Mit „Day of the Dead“ war es schon nicht mehr soweit her, wobei es da auch schon, wie es das Genre exzessiv vormachte, vorwiegend um möglichst ekelerregende Effektfluten ging.

Die passablen Einspielergebnisse am schwächelnden, amerikanischen Boxoffice haben ihm letztlich zumindest bedingt recht gegeben. Er hat trotz langer Abstinenz, lediglich durch seinen mittelmäßigen „Bruiser“ unterbrochen, nichts vom dem verlernt, was ihn einmal ausgemacht hat. Die allzu plakativ vorgeschobene Gesellschafts- und Politikkritik, die dazu führte, dass man seinen Vorgängerwerke über alle Maßen Anspruch, Weitsicht und Intelligenz andichtete, transformiert Romero hier und wendet sie geschickt auf die aktuelle oder jüngst vergangene globale Politik an, vor allem hinsichtlich der Bush-Administration an. Wo Romero drauf steht und Zombies ihr Unwesen treiben, bekommt man eben das Erwartete geboten. So gesehen ist „Land of the Dead“ auch durchaus gelungen.

Aber was nützen die größten Ambitionen und besten Vorsätze, wenn der Film sein Primärziel, nämlich sein Publikum zu unterhalten, nie gänzlich erfüllen kann, weil Regisseur und Autor Romero einen der größten Pluspunkte des Originals, nämlich die völlige Isolierung der letzten Fragmente menschlicher Zivilisation, aufgibt.
Romero entwickelte „seine“ Welt von Film zu Film weiter und ist bei „Land of the Dead“ in einer Situation angekommen, in der die Überlebenden ihr Dasein hingenommen haben und sich damit problemlos arrangieren. Die Zombies sind zu einem natürlichen Teil dieser Welt geworden, während sich die Menschheit in eine Stadt zurückgezogen und verbarrikadiert hat. Dort drinnen geht das Leben in einer Zweiklassengesellschaft weiter. Um den sich selbst zum Anführer erhobenen Despoten Kaufman (Dennis Hopper, „Easy Rider“, „Speed“) frönen in einem Hightechdauer, der streng hierarchisch kommerziell geleitet wird, von ihm Auserwählte einem dekadenten, ja fast normalen Leben, während draußen Menschen hilflos und krank vor sich hinvegetieren und die Drecksarbeit, nämlich Beschaffung von Nahrungsmitteln und Luxusgüter in der von Zombies verseuchten Welt, erledigen. Ohne Dank werden sie benutzt, ganz allein der Status rechtfertig das Handeln. Zum Freizeitvergnügen betreibt man Schwarzmärkte oder steckt einfach eine Frau in einen Käfig mit zwei Zombies, auf dass die beiden sich um das Fressen streiten. Ja, bitte noch dicker auftragen, Herr Romero. Dankeschön für ihre Analyse. Die Parabel ist verstanden, hier spiegelt sich die Gesellschaft, vorzugsweise die amerikanische, wieder.

Bereits früh bekommt seine Welt Risse, die nicht zu kitten sind. Bei seiner unverhohlenen Kritik am politischen Apparat Amerikas (Ja, wir haben es verstanden...) vergisst er leider völlig sein Szenario plausibel fertig zu erzählen. Nie wird ergründet, warum die Menschen dort draußen in Kälte und Hunger sich mit ihrem Dasein abfinden, obwohl sie leicht den Tower stürmen könnten. Warum sichert man die Stadt nur mit ein paar albernen Pappwenden? Wie ist es überhaupt möglich im Tower so ein Leben zu führen, während draußen die Welt vor die Hunde geht und doch jedem klar sein muss, dass irgendwann alles zuneige gehen wird? Antworten? Fehlanzeige! Seine Stadt bleibt seltsam unbesucht. Ein kurzer Ausflug in eine Bar gönnt er sich, doch was passiert anderorts?
Sicher Filme müssen nicht zwingend logisch sein, aber Romero schludert hier überflüssigerweise mit seiner Geschichte, dass man sich als Zuschauer irgendwann die Frage stellen muss, warum das Skript, das angeblich schon etwas länger in den Grundzügen fertig in der Schublade schlummerte, nicht sorgfältiger ausgeführt wird.

Überhaupt ist die Geschichte hier selbst reichlich banal. Cholo (John Leguizamo, „Collateral Damage”, „Assault on Precinct 13”), der sich erhofft hat mit Geschenken, die er während der Streifzüge im Zombieland zusammenklaubte, sich einen Platz im Tower zu erkaufen, wird von Kaufman wie nun unnützer Ballast fallen gelassen, entgeht seiner Ermordung knapp und bezieht, bewaffnet mit Raketen, vor der Stadt Stellung, um Kaufman um mehrere Millionen Dollar zu erpressen. Was er ausgerechnet in dieser Welt noch mit so viel Kohle anfangen will, bleibt etwas schleierhaft. Jedenfalls erhält Riley (Simon Baker, „Red Planet“, „The Ring Two”), der auch am liebsten sofort die Enklave verlassen würde, um in Richtung Norden zu ziehen, den Auftrag Cholo zu stoppen, um dafür Waffen, Fahrzeug und eine ungehinderte Weiterreise zu erhalten. Während dessen macht auch gleich die Zombie-Schar mobil als hätte sie den günstigen Braten gerochen...

Ja, Schöpfer Romero gesteht seinen Wesen nun noch eine Stufe Hirn zu. Vorbei das hirnlose Herumeiern oder Nachahmen von Dingen, jetzt wird mit geringfügiger Intelligenz herumgeschlurft. Die ersten Zombies nehmen ihren alten Job wieder auf und mit leisem Gegrunze wird untereinander kommuniziert, sie haben sogar einen Brain, der sie anführt. Glaubwürdigkeit ringt Romero dieser neuen Evolutionsstufe nicht ab, grenzt sie auf seine Art aber ein wenig von den in den letzten Jahr modernen High Speed-Zombies ab. Nicht schneller, sondern klüger. Sie suchen selbst nach einem Platz und müssen sich final in ihrer neuen Welt zurechtfinden. Das gibt Unmengen Zündstoff für Interpretationen, will ich hier aber nicht weiter ausdehnen.

Die Endzeitatmosphäre funktioniert noch, auch wenn Romero sie dank seiner unplausiblen Gesellschaftsstruktur abmildert. Alles ist hübsch verkommen, ungepflegt, am verrotten, aber irgendwie in den meisten Fällen noch brauchbar. Außerhalb des Towers wird nur das Dringendste repariert, dass hier größtenteils so aussieht, wie der Europäer sich die Seitengassen und Hinterhöfe amerikanischer Metropolen vorstellt, kommt sicherlich nicht von ungefähr. In Bezug auf das Ambiente kann man Romero jedenfalls keinen Vorwurf machen und das er seinen Film zumeist in der Nacht ansiedelt gereicht ihm ebenfalls zum Vorteil. So hoffnungslos reell, pessimistisch und gleichermaßen endgültig kam in den letzten Jahren keine Dystopie auf die Leinwand. Er kann es noch. Kurzzeitig blitzt immer wieder sein Sinn für denkwürdige Bilder durch, wenn zum Beispiel die Zombies aus dem Wasser auftauchen. Die Szene erzeugt pure Gänsehaut.

Subtilität war nie Romeros Stärke, was „Land of the Dead“ sehr zugute kommt. Ich kenne lediglich die Unrated Fassung, aber so sehr dürfte die sich nicht von der R-Rated unterscheiden. Es suppt und sudelt schon ganz ordentlich, eben wie man es vom Altmeister gewohnt ist. Der Einsatz von CGI ist neu, aber nicht negativ auffällig. Das Make-Up hat Gregory Nicotero („Evil Dead II”, „Vampires”), ein alter Kumpel von Sam Raimi, im Griff und tritt damit ganz problemlos das Erbe von Tom Savini, der hier einen Cameo als Zombie hat, an.
Gleich anfangs gibt es einen Ausflug der schwer bewaffneten „Einkäufer“, die sich mit diversen Kalibern durch die von Zombies verseuchte Welt auf der Suche nach Essbaren schnetzeln. Abgetrennte Glieder, Headshots, zerplatzende Körper, herausgerissene Fleischbrocken und viele Liter Blut, später natürlich auch Romeros geliebte Ausweiden von Körpern bis die Gedärme in den schönsten Farben leuchten und Untote in den verschiedensten Gattungen quer durch die Gesellschaft. Das Ganze anfangs vermengt mit Kaltblütigkeit, denen die eigentlich harmlosen Zombies zum Opfer fallen. Später wird der Spieß umgedreht und dank allgegenwärtiger Panik der Menschen und Hunger seitens der Zombies bricht Chaos und Verderben aus. Die Bastion fällt. Oder nicht?

Diese Frage schien Romero nie so richtig relevant, es ist nur ein Nebenschauplatz, den er nicht ausreizt, weil er ihn nur in blutigen Bildern badet. Viel interessanter findet er den Ausgang des Erpressungsversuchs und, bis hin zu bekannten Zitaten, Dennis Hopper als Amerikas Außen- und Innenpolitik zu personifizieren, ihn möglichst nach deren Prinzipien handeln zu lassen, direkt, unaufhörlich, aufdringlich. Bis es dann auch der letzte Zuschauer endlich kapiert hat. Wie gesagt. Subtilität war nie Romeros Stärke, hier kommt er irgendwann an einem Punkt an, an dem er zu nerven beginnt.

Deswegen möchte man sich als Zuschauer auch lieber dem Kampfspektakel hingeben, inklusive Ruhe vor dem Sturm. Diesmal fasst der Macher sich knapp in gut 90 Minuten und lädt nicht zur ausufernden Geduldsprobe ein. Immer wieder überraschen ab Eskalation der Lage hungrige Zombies aus dem Nichts, beißen, reißen und siffen, dass es eine Freude ist ihnen zuzusehen, schließlich bekommt man solche unappetitlichen Gewaltarien heute nicht mehr im Kino zu sehen und auf DVD wenn, dann meist minderwertig getrickst.

Den Spannungsbogen vergisst Romero dabei leider völlig. Er schaltet zwischen den Stationen durch, ohne zu verharren und die Figuren sich entwickeln zu lassen.
Der Ausgang lässt den Zuschauer kalt, weil weder Riley noch seine aufgesammelte Gefährte Slack (Asia Argento, „Red Siren“, „xXx“) Eigenleben entwickeln. Ihre Schicksale sind nicht von Interesse. Das mit anderen Dingen beschäftige Drehbuch interessiert sich wenig für seine Figuren. Ein Problem, das schon „Day of the Dead“ hatte, während „Dawn of the Dead“ sich ihnen umso ausführlicher widmete. Wer gefressen wird und draufgeht, ist von Anfang an klar, denn Romeros Intention, nämlich den Schuldigen seine gerechte Strafe zukommen zu lassen, ist nach wenigen Minuten erkennbar. Er spielt mit offenen Karten und das wirkt sich bis zum Ende auf die kaum existente Dramatik des Geschehens aus. Fesselnde und spannende Szenen gibt es hier eigentlich gar nicht. Das abrupte Ende spricht dabei auch nicht für Romeros Geschick.


Fazit:
Wir haben uns von Herrn Romero belehren und die Augen öffnen lassen. Die frisch geschlüpften Gore-Kids dürfen hier auch sicher abfeiern, in Blut waten zu dürfen, doch die erfahrenen Jahrgänge wissen es besser. Letztlich ist „Land of the Dead“ auch genau das geworden, was ich erwartet habe: Eine sehr unappetitliche, sehr graphische Zombiemär mit viel zu aufdringlicher Message, harten Actionszenen und erschreckend oberflächlichen Charakteren. Vom Drehbuch im Stich gelassen, fristen die Darsteller ein mittelprächtiges Dasein. Das Szenario ist leider nicht mehr glaubwürdig, Romero arbeitete zumindest als Autor zu schlampig und der Score ist nicht Goblin genug. Ok war es, aber nicht das Comeback eines Altmeisters und Miterfinders. An der erstaunlich ruhigen Inszenierung konnte ich mich in Zeiten immer hektischerer Regiestile allerdings sehr erfreuen. Ich werd’ alt...

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