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Für Romero ist die "Zombie"-Trilogie Segen und Fluch zugleich: Einerseits wurde er durch sie zum wahrhaftigen Godfather des Zombiefilms, andererseits war er aber auch nie mehr. Seit "Day of the Dead" sind zwei Jahrzehnte vergangen, in denen Romero nur noch im Kielwasser seines eigenen Namens schwamm. Back to the roots heißt nun die Divise, zurück zu den Wurzeln mit einem Großereignis, dem wahr werdenden Traum wohl aller Jünger des Zombiefilms: Aus der legendären "Zombie"-Reihe wird eine Trilogie mit viertem Teil.

"Land of the Dead" spielt in einer Zeit, in der das Geld wieder etwas wert ist. In einer Stadt namens Fiddler’s Green, umzingelt von Cheerleader-Zombie, Schlachter-Zombie und Tankwart-Zombie, konsolidiert sich die Menschheit in einer von lebenden Toten beherrschten Welt. Hier sind die Hierarchien wieder hergestellt, wenn auch nur im Mikrokosmosformat: In einem Wolkenkratzer frönen die Reichen ihrem Luxus, während Kleinkriminalität und Armut das Leben außerhalb des modernen Gebäudekomplexes bestimmen. Kaufman (Dennis Hopper) ist der Herr dieser vermeintlichen Bastion mit ihren geschlossenen Gesellschaften, ein Magnat, der die Waghalsigsten seines Fußvolkes damit beauftragt, jenseits der Stadtgrenzen Luxusgüter zu beschaffen.

Nach dem Verbarrikadieren in Landhaus, Kaufhaus und unterirdischem Bunkersystem präsentiert George A. Romero damit eine Grundkonstellation, die zwar der Tradition der drei "Zombie"-Filme folgt, jedoch in größere Dimensionen vordringt, denn erstmals wird nicht nur eine kleine Gruppe von Menschen von den lebenden Toten belagert. Fiddler’s Green zuweilen ist das paradoxe Paradies in der Hölle, in dem die ständige Bedrohung kaum mehr wahrgenommen wird. In der Theorie eine konzentrierte Projektion der Gesellschaft mit all ihrer Ungerechtigkeit. Romero allerdings besitzt nicht das nötige Feingefühl für eine postzivilisatorische Atmosphäre. Die Stadt bleibt eine seelenlose Kulisse, ist ein vom Regisseur in schützende Dunkelheit gehülltes Phantom, ein Ort ohne Geist.

Auf von Untoten bevölkertem Boden blüht die Anarchie. Was aber ist Fiddler's Green? Ein utopischer Stadtstaat basierend auf der Maxime der drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative? Wie funktioniert diese letzte verbliebene Stätte der menschlichen Existenz, der es nicht mehr möglich ist, globalen Handel zu betreiben und Ressourcen zu importieren? Wovon ernähren sich die Bewohner? - Nicht alles hält sich so lange wie "Henkell Trocken"-Sekt, der für Kaufman aus verlassenen Lebensmittelläden des Umlandes besorgt wird. Mit einigen wenigen Einblicken in sein prunkvolles Hochhaus sowie in die unkomfortableren Gefilde außerhalb des Towers kann Romero keine essentiellen Fragen beantworten. Ein Gefühl städtischer Lebendigkeit wird nicht vermittelt; dabei ist ein anrüchiger Nachtclub, in dem Untote zur Unterhaltung des Menschen versklavt werden und Gladiatorenkämpfe austragen, genau der Keim, aus dem Romero hätte mehr erwachsen lassen müssen.

Seine Figuren bleiben Gegenstände oberflächlicher Klassifizierung und besitzen keine Charaktertiefe, weder Antagonist noch Protagonist, weder der skrupellose Kaufman als oligarchischer Schirmherr von Fiddler’s Green noch der rechtschaffene Riley (Simon Baker) als Mann mit einer Vergangenheit, die in ein paar unmotivierten Dialogzeilen abgehandelt wird. Ungebrochene Romero-Optimisten aber werden in Kaufman wahrscheinlich eine kapitalistische Heuschrecke wittern, sich eine vom Regisseur geübte Kritik an einer in ausbeutende Besitzende und ausgebeutete Besitzlose eingeteilten Zwei-Klassengesellschaft zusammenreimen und aus dem Altmeister gar noch einen Marxisten machen. Nüchtern betrachtet bemühte sich Romero allerdings selten weniger um Tiefgründigkeit und einen suggestiven Plot als in "Land of the Dead".

Wofür die Kräfte wirklich gebündelt wurden, wird deutlich, wenn die Untoten im Bilde sind und sich deren Wege mit bewaffneten Menschen kreuzen. Nur dann lässt sich Romero fühlen, dann ist seine Anziehungskraft stark genug, den Blick des Betrachters auf die Leinwand zu bannen. Nur wenn Blut fließt, außerordentlich realistisch verunstaltete Zombies per Kopfschuss zur Strecke gebracht werden und zaghaft Fresssequenzen zu sehen sind, ist ein Verharren im Gefühl der Erleichterung möglich, die Erleichterung, dass der Begründer des modernen Zombiefilms nicht von all seinen Fähigkeiten etwas hat einbüßen müssen. Die in ihrer Masse Splatterfanatiker wohl befriedigende Gewalt erreicht nicht die Radikalität vergangener Tage, gehört jedoch zu den Kernelementen des Wiedererkennungswertes wie auch Romeros Zombies. Sie sind keine Hyperaktiven wie bei Danny Boyle oder Zack Snyder, sondern nach wie vor nostalgisch schlurfende Grobmotoriker.

Der in "Day of the Dead" an Zombie Bub erprobte Evolutionsgedanke wird dann konsequent weitergesponnen, wenn den wandelnden Leichen Anflüge von Intelligenz zugestanden werden. Am Ende verkehrt sich der Zombie als klassisches Sinnbild des brutalen Triebes gar zum nach wie vor hungrigen, aber bemitleidenswerten Menschenaffen, dessen Lernfähigkeit schließlich bis zum bewussten Umgang mit Maschinenpistolen reicht. Ob das Genre dadurch wirklich eine Bereicherung erfährt, kann durchaus angezweifelt werden. Sicher ist jedenfalls: "Land of the Dead" ist der schwächste Beitrag der nun vierteiligen "Dead"-Reihe. In keinem seiner Zombiefilme war Romero inhaltlich zahnloser. Gescheitert ist der Meister deshalb zwar nicht, dass er aber zu Größerem fähig ist, hat er in der Vergangenheit bewiesen.

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