Es ist unglaublich wie relativ unbekannt dieses einmalige Filmjuwel von Regisseur Dominik Moll ist. Ich halte LEMMING nicht mehr und nicht weniger für einen der besten Psychothriller aller Zeiten, wobei der Begriff diesen so vielschichtigen Film eher einengt, den er ist viel mehr, Drama, Psycho-Horror, Mystery, von vielem etwas und doch etwas ganz eigenes. Selten wurde man so hypnotisch in eine albtraumhafte Handlung hineingezogen aus der kein Entrinnen scheint. Diese suggestive Kraft sorgt für eine nachhaltige Identifizierung mit der Hauptfigur Alain mit der man bis zum äußersten mitleidet und den nicht enden wollenden Albtraum durchlebt.
Die Story ist relativ komplex und hier nur die Grundzüge (OHNE SPOILER!) ohne etwas zu verraten: Alain (Laurent Lucas) ist Ingenieur und erhält einen guten Job bei seinem Chef Richard Pollock in Südfrankreich. Er ist sehr glücklich mit seiner Frau Benedicte (Charlotte Gainsbourg) und alles läuft bestens. Das Essen im Hause Alains mit seinem Chef und seiner Frau Alice (Charlotte Rampling) gerät allerdings wg. ihrem Benehmen zum Eklat und dann findet sich auch noch ein nordeuropäischer Lemming im Abfluss. Ab diesem Zeitpunkt verliert Alain die Kontrolle und es geschehen unglaubliche Dinge........
LEMMING zitiert auf dieser Reise vor allem David Lynch, aber auch Hitchcocks (DIE VÖGEL oder VERTIGO) erhalten eine Hommage genauso wie David Cronenberg oder Lars von Trier. All das erfolgt aber nicht vordergründig, sondern subtil und unterschwellig und der Film versteht es durchgängig eine eigene Filmsprache zu finden die fasziniert und versteht, stets fest verankertes und verstandenes wieder aus den Fugen zu reißen. Es werden Lösungswege angeboten und wieder verworfen, es werden Pfade aufgezeigt aber diese stellen sich als Sackgassen heraus.
Selbst in der Schlussszene führt Regisseur Dominik Moll den Zuschauer an der Nase herum wenn er eine letzte Metapher des Films förmlich diabolisch lachend zerbröselt. Diese Rücksichtslosigkeit gegenüber gewohnter Denkschemata und die Radikalität Molls mit der er jeglichen inhaltlichen Halt des Zuschauers immer wieder untergräbt ist einfach phantastisch. Die schauspielerischen Leistungen kann man durchweg als hochwertig und extrem intensiv erachten und kein Darsteller muss besonders herausgehoben werden, auch wenn die Hauptlast auf Alain und seinem gekonnt verzweifelten Spiel liegt. Dazu kommt ein zurückhaltender, aber wenn gefordert sehr pointierter Einsatz von teils atonal wirkender Filmmusik.
Man könnte die ein oder andere Storywendung auch als überzogen abtun, aber mir hat der unbarmherzige Strudel der Ereignisse, das "nie wissen was passiert" und der "alles ist möglich" -Aspekt des Films extrem gut gefallen. Selten wurde mit so wenigen optischen Mitteln so eine hohe und nachhaltige Spannung erzeugt und auch immer wieder im Laufe der Handlung gesteigert und auch das Horror Genre wird stark gestreift. Nach dem sehr guten Vorläufer HARRY MEINT ES GUT MIT DIR und den zuletzt beeindruckenden DER MÖNCH hat sich Dominik Moll als Top Regisseur empfohlen. Ich würde den Film von der Wirkung her ohne zu zögern in eine Reihe mit zuletzt MELANCHOLIA oder ANTICHRIST stellen.
Es wird das permanente Unwohlgefühl geradezu über zwei Stunden lang ausgekostet und zelebriert. In unglaublich innovativer Weise und durch äusserlich zurückhaltende, aber in der Wirkung sehr tief gehenden Bildern gleitet man in den Sog des Albtraums und verliert jegliche Bodenhaftung in einer diabolisch-nihilistischen Ereignisspirale die keine Grenzen zu kennen scheint. Über LEMMING kann man hinterher noch viel diskutieren, intensiv nachdenken wird man allemal, so nachhaltig ist der Eindruck des Gesehenen. Dafür kann ich ohne nachzudenken selten verteilte
9,5/10 Flugcams....äh,....Punkten vergeben