Was Jim Jarmusch anpackt muss irgendwie Kunst sein und überhaupt ist ein Oscar für Bill Murray ja eh schon längst überfällig. Folglich darf gar kein schlechter Film herauskommen, wenn sich die beiden zusammentun und Jim Jarmusch Bill Murray im Grunde 115 Minuten leicht melancholisch in die Kamera gucken lässt. Nebenbei darf der Hauptdarsteller CD’s wechseln, ständig auf irgendwelche Akten/Autokarten starren oder in Flugzeuge steigen und noch nebenbeier begibt er sich auf einen Roadtrip in seine Vergangenheit, klappert in einzelnen Episoden ein paar seiner Verflossenen ab, lässt auf diese Weise seine Zeit als Ladylover Revue passieren und darf sich ganz am Ende ein Stückchen selbst finden.
Der inzwischen lethargische Frauenheld Don Johnston (Bill Murray), gerade von einer jungen Liebschaft (Julie Delpy) verlassen, erhält einen anonymen rosa Brief, in dem von einem inzwischen 19-jährigen Sohn berichtet wird, den er ohne Wissen produziert haben soll. Angetrieben von seinem lebenslustigen Nachbarn und Kumpel Winston (Jeffrey Wright) begibt er sich auf eine Reise durch die USA um alle in Frage kommenden Frauen abzuklappern, um darunter die Absenderin zu finden.
Manche mögen das Geschehen als anspruchsvolle Tragikkomödie bezeichnen. Das Programmkino, in dem ich dieses Independent- Werk bewundern durfte, war dann folgerichtig auch vollgestopft mit emanzipierten gleichberechtigten Pärchen, die dem Film ihre Reverenz erwiesen, indem sie „dezent schmunzelten“, wenn Bill Murray mal wieder minutenlang einfach nur einen Raum sondierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon längst begriffen, dass der Charakter Don Johnston (mit „t“ höhö wie feingeistig) ein ausgebrannter, antriebsloser Midlife-Crisler ist und der Film samt Publikum sich darauf beschränkte, sich selbst zu feiern.
Schauspielerisch bekommt man auf der einen Seite eine Überdosis des von mir hoch geschätzten, von Regisseur Jim Jarmusch aber offenkundig blind geliebten Bill Murrays zu sehen, auf der andere Seite, Hollywood- Hochkarätererinnen in zum Teil winzigen aber auch witzigen Rollen. Hier sticht vor allem Sharon Stone als junggebliebenes Ex-Groupie hervor, die ihren Lebensmut mittlerweile daraus zieht, Wandschränke für andere Leute zu organisieren. Ein weiteres Highlight ist Johnstons skurriler, äthiopischer Nachbar Winston, der mit kindlicher Neugier seinem Detektivhobby nachgeht, ein total geselliger Familienmensch ist und überhaupt als totaler Gegenpol zu der Figur Don Johnston angelegt wird. Recht aufdringlich wird dies durch eine der ersten Kamerafahrten symbolisiert, bei der nacheinander das recht bescheidene aber gemütliche Haus von Winston und danach der sterile Prunkbau von Don gezeigt wird. Trotzdem sind die beiden Freunde ihre gemeinsamen Szenen bilden das frühe Highlight des Films. Daneben bevölkern mitunter recht platte Stereotypen wie eine freizügige sexgeile Lolita, die inzwischen biedere Alt-68erin und die inzwischen alternativ-spirituelle Alt-Konservative. Das Potpourri an Charakteren soll verdeutlichen, in welche Richtung sich ein Mensch entwickeln kann und wie wenig das bei unserem Protagonist eigentlich der Fall gewesen ist. Als er wissend aber trotzdem weitestgehend ergebnislos wieder zu Hause strandet, darf er einem potentiellen Sohn noch kurz die spärliche Moral von der Geschichte zum Besten geben und ein Funken Hoffnung schöpfen, bevor Jim Jarmusch dankenswerterweise ausblendet.
Dem selbstverfassten Drehbuch merkt man an, dass es in nur zwei Wochen verfasst worden ist, Sequenzen –natürlich mit voller Berechnung aber ohne Aussage- wiederholen sich nicht nur ein- sondern mehrmals, oder werden völlig grundlos ins schier Endlose gestreckt. Es ist detailarm, wirkt äußerst rudimentär und verlässt sich einfach zu stark auf die Präsenz von Bill Murray. Dem wohl auf ewig unterschätzten Altkomiker minutenlang beim Nichtstun zusehen, mag auf Fotos noch unterhaltsam sein, ganz offenkundig hängt Jim Jarmusch, der die Story exklusiv für den Lost in Translation Star geschrieben hat, dem Irrglauben an, dass allein der Blick seines Hauptdarstellers abendfüllend ist. Ich hab mich jedenfalls bei dieser weitgehend inhaltslosen und äußerst selbstgefälligen Bill-Murray-Inszenierung gepflegt gelangweilt und mich höchstens über das intellektuelle Programmkinopublikum amüsiert, das folgerichtig beim beginnenden Abspann nicht aufgestanden ist, um den Film in absolut voller Länge zu genießen. Warum zur Hölle wurde dieser Streifen durchgängig dermaßen von den Kritiken gefeiert?
Daran werde ich mich noch lange erinnern:
Der zappelige äthiopische Nachbar von Don Johnston.