Auch wenn man es heute nicht mehr so in Erinnerung hat - Michael Douglas war in den 70ern ausschließlich ein Fernsehstar. Seine "Straßen von San Francisco" liefen erfolgreich als Fernsehabend-Krimi und Niemand brachte ihn mit der großen Kinoleinwand in Verbindung, die immer noch ausschließlich als das Metier seines Vaters Kirk galt.
Fast unmerklich arbeitete sich Michael Douglas zum Kinostar "hoch", indem er als Produzent für ausgefallene, sehr aktuelle Werke ein hervorragendes "Händchen" bewies. Sein erster produzierter Film "Einer flog über das Kuckucksnest" war ein großer Überraschungserfolg und sahnte reihenweise Oscars ab. Mit dem "China-Syndrom" bewies er zudem noch einen geradezu hellseherischen Weitblick für zeitgenössische Themen, eine Fähigkeit die er auch später noch mehrfach nachwies - sei es als Produzent oder Hauptdarsteller. Während sein Mitwirken beim "Kuckucksnest" noch vorwiegend unter Ausschluß des durchschnittlichen Kinobesuchers stattfand und an seinem Fernseh-Image kaum etwas änderte, begann mit dem "China-Syndrom" seine eigentliche Filmkarriere.
Ganz bewußt dürfte er die Rolle des Richard Adams gewählt haben, die hier für den kritischen, "linken" (auch wenn es hier keine politische Einordnung gibt) Atomkraftgegner steht. Während er in "Die Straßen von San Francisco" den smarten Frauenliebling gab, der sicherlich auch bei den Schwiegermüttern sehr gut ankam, spielt er hier einen langhaarigen und vollbärtigen Künstler - zu dieser Zeit noch ein klassischer Bürgerschreck. Das er im Fernsehteam als Kameramann bei Kimberly Wells (Jane Fonda) mitarbeitet, hat er seinen früheren Verbindungen zu der aufstrebenden Schönheit zu verdanken, die bei einem Lokalsender in Los Angeles Karriere macht.
Als er sie wegen einer eher unkritischen Reportage in ein kalifornisches Atomkraftwerk begleitet, kommt es zu einem plötzlichen Vorfall, bei dem das Kraftwerk kurzfristig wie bei einem Erdbeben vibriert. Adams hält mit seiner Kamera einfach drauf und filmt heimlich die hektischen Versuche der Mitarbeiter, eine Katastrophe zu vermeiden. Dabei zeichnet sich besonders der leitende Ingenieur Jack Godel (Jack Lemmon) aus, dank dessen Geistesgegenwart die richtigen Schritte eingeleitet werden. Trotz der offensichtlichen Gefahr, die auf den Gesichtern der Beteiligten abzulesen war, wird der gesamte Vorfall seitens der Kraftwerkleitung heruntergespielt und verharmlost. Und als Kimberly Wells damit an die Öffentlichkeit gehen will, wird ihr das untersagt und das Filmmaterial konfisziert...
"China-Syndrom" war seiner Zeit voraus und schilderte vor den tatsächlichen Vorfällen in Harrisburg und Tschernobyl die Möglichkeit eines Unglücks auf Grund von technischem und menschlichen Versagen, was zur damaligen Zeit durch die Betreiber schlicht ausgeschlossen wurde. Vielleicht liegt es daran, daß uns der Film heute in seiner Gestaltung überraschend objektiv und wenig plakativ vorkommt. Damals war die Thematik als solche schon Provokation genug und man spürt, wie sensibel und übertriebene Theatralik vermeidend (so verzichtet der Film auf jegliche Filmmusik) die Macher ans Werk gegangen sind.
Das ist vor allem den hervorragenden Schauspielerleistungen zu verdanken, deren drei Protagonisten prototypisch für verschiedene Haltungen und Positionen stehen. Zum Einen der oben schon beschriebene Adams, der zwar als offensichtlich atomkritisch auftritt, dabei aber nie die Ebene der Argumentation verlässt und zu keinen Parolen greift. Zum Anderen steht in Opposition dazu der Ingenieur Godel, der das Atomkraftwerk mitgeplant und gebaut hat und der ein überzeugter Verfechter dieser Technologie ist. Jack Lemmon gelingt hier wieder die ausgezeichnete Darstellung eines scheinbaren Biedermannes, der für seine Arbeit lebt, der aber deshalb trotzdem genau hinsieht und eine innere Überzeugung hat. Jane Fonda ist sozusagen das Verbindungselement zwischen den Beiden oder auch, anders ausgedrückt, die Stimme des Volkes. Eher naiv gutgläubig und im Gegensatz zu ihrem Kameramann keineswegs anarchistisch, sondern an einem guten Auskommen mit ihrem Chef interessiert, erkennt sie an den vielen Argumenten und offensichtlichen Beweisen immer mehr, wie die tatsächliche Problematik aussieht...
Der Film "Das China Syndrom" wird dabei ganz konventionell mit thrillerartigen Elementen erzählt und will gar nichts anderes als ein äußerst spannender Unterhaltungsfilm sein. Für Atomkraftgegner ging der Film deshalb nie weit genug, da er sich einer echten atomkritischen Haltung verweigerte und auch die Kritik an der Atom-Lobby, die hier auch wieder aus marktwirtschaftlichen Überlegungen quasi über Leichen geht, eher an einzelnen Personen ausgeübt wird als an der Institution in ihrer Gesamtheit.
Doch gerade heute, da die Gefahr, die von den Atomkraftwerken ausgeht, gerne wieder heruntergeredet wird (obwohl es erst vor kurzem wieder einen Vorfall in Schweden gab, der stark an die hier im Film geschilderten Ereignisse erinnerte) und auch die Abschaltung der Werke in Deutschland, wieder in Frage gestellt wird, erscheint der Film aktuell wie nie - gerade in seiner Subtilität. Die Argumente der Befürworter sind die selben wie heute und die Möglichkeit einer Katastrophe wird ähnlich vehement ausgeschlossen.
Doch "Das China-Syndrom" stellt ja nicht die Technologie als solche in Frage, sondern bezweifelt zu recht, daß jegliche Fehler für die Zukunft ausgeschlossen werden können - genausowenig wie etwa bei der Raumfahrt- oder Flugzeugtechnologie, die ja auch sehr hohe Standards erfüllen müssen. Menschliche Versäumnisse, Eitelkeiten, persönliche Interessen, aber auch einfach irgendein Fehler, kann selbst mit den besten Überwachungssystemen (auch in Deutschland) nie ausgeschlossen werden und bei einer so gefährlichen Technologie ist ein Fehler eben schon zu viel.
Fazit : Damals seiner Zeit voraus inszenierter Hollywood-Film, der alle Ingredenzien für einen spannenden Unterhaltungsfilm beinhaltete und aus heutiger Sicht subtil und trotz seiner klaren Haltung um Objektivität bemüht, das umstrittene Thema "Atomkraft" anpackte.
Man merkt dem Film an, daß es den Machern damals keineswegs nur um Provokation oder Politik ging. Diese Machart und für die damalige erhitzte Diskussion zu wenig extreme Darstellung der Gefahr vor der Atomkraft, nahm dem Film zu Unrecht seine Reputation. Gerade aus heutiger Sicht, da das Thema langsam aus der Mode kommt und man sich wieder beruhigt zurücklehnt, ist es lohnend, sich diesen Film anzusehen, der dazu noch mit einer bis zuletzt spannenden und sehr gut gespielten Handlung aufwarten kann (9/10).