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Ross MacDonalds Private-Eye-Held Lew Archer brachte es bereits auf 13 Romane, als 1966 die erste Verfilmung seiner Abenteuer ins Kino kam. Für „Harper“ ändert man allerdings den Nachnamen des Helden, denn Hauptdarsteller Paul Newman war nach dem Erfolgen von „The Hustler“ und „Hud“ der Ansicht, dass ihm ein H am Anfang des Filmtitels Glück bringe.
Lew Harper (Paul Newman) ist ein typisch verlotterter Privatdetektiv des Hard-Boiled-Kinos: Er schläft auch mal im Büro, macht sich morgens durch ein eiskaltes Gesichtsbad für den Tag frisch und wenn kein Kaffee mehr da ist, dann wird der übriggebliebene Kaffeeprütt aus dem Mülleimer samt Filtertüte recycelt. Er wird wie viele Vorgänger im Geiste zu einem großen Anwesen gerufen, da er für reiche Auftraggeber eine vermisste Person finden soll. In diesem Fall ist es der verschwundene Geschäftsmann Ralph Sampson, dessen verbitterte Frau Elaine den Gatten vor allem deshalb auftreiben will, damit er sein Vermögen nicht mit einem Liebchen verprasst. Dass Lauren Bacall die nach einem Reitunfall gelähmte Auftraggeberin gibt, weckt unweigerlich Assoziationen an Raymond Chandlers „The Big Sleep“: In dessen Verfilmung durch John Huston hatte Bacall die Tochter des an den Rollstuhl gefesselten Auftraggebers General Sternwood gespielt.
Schnell stellen sich zwei Sachen heraus: Dass niemand den Verschwundenen so wirklich vermisst und dass es viele schräge Vögel in seinem Umfeld gibt. Ralph verkehrte mit dem fett gewordenen, früheren Starlett Fay Estabrook (Shelley Winters), seine Tochter Miranda (Pamela Tiffin) tanzt gern im Bikini am Pool und hat vor allem für Augen Sampsons gigolohaften Piloten Allan Taggert (Robert Wagner), der Harper allerdings steckt, dass er eine Beziehung zu einer reiferen Frau habe. Und dann ist da noch Harpers alter Kumpel, Sampsons Anwalt Albert Graves (Arthur Hill), der in die deutlich jüngere Miranda verknallt ist. Und das ist nur Sampsons näheres Umfeld, später kommen unter anderem noch eine drogensüchtige Barpianistin und ein verstrahlter Hohepriester eines ominösen Kults dazu.

Harper jedenfalls stellt Nachforschungen an, indem er Sampsons letzte Schritte zurückverfolgt und dabei auf einige Ungereimtheiten stößt. Bald merkt er jedoch, dass der Verschwundene nicht einfach durchgebrannt ist und dass diverse Personen aus seinem Umfeld mehr wissen als sie zugeben…
„Harper“ ist früher Versuch eines modernen Hard-Boiled-Films bzw. Neo-Noirs, bevor in den 1970ern Werke wie „Chinatown“ oder „The Long Goodbye“ mit dieser Formel Erfolge feierten. Die Vorbilder aus den 1940ern und 1950ern, in denen oft Humphrey Bogart die Hauptrolle spielte, sind klar erkennbar, werden nicht direkt parodiert, aber das Script von Drehbuch-Ass William Goldman lässt sie mit einer ironischen Note wiederaufleben. Schon Sam Spade und Philip Marlowe zeichneten sich durch eine sarkastische Weltsicht und markige Oneliner aus, waren dabei aber stets cool wie ein Eisschrank. Harper teilt mit seinen Vorbildern zwar die Attitüde, dass er nur das Richtige in einer verderbten Gesellschaft tun (und natürlich dafür bezahlt werden) will, auch er nimmt sein Umfeld nicht für voll, ist aber wesentlich redseliger dabei, während „Harper“ gleichzeitig das Skurrile seiner Figuren mehr herausstellt als etwa die Vorbilder (und die hatten auch genug schräge Charaktere zu bieten). Die Tatsache, dass Harper weniger maulfaul als seine Brüder im Geiste ist, führt auch dazu, dass er sich pfeilschnelle Wortgefechte in Screwballmanier mit diversen Beteiligten liefert, die Goldman ausgesprochen pointiert zu Papier gebracht hat.
So ist Stil tatsächlich ein großer Trumpf von „Harper“: Im Auftreten, im Dialog, in der Kleidung, aber auch in den satten Technicolor-Bildern, die sich optisch vom Film Noir absetzen. Und doch ist Harper ein klassischer Noir-Held, der das Richtige tun will, auch wenn es ihn die wieder aufgeflammte Liebe seiner entfremdeten Ehefrau Susan (Janet Leigh) kostet und das Opfer die Mühe eigentlich gar nicht wert ist. Ein Typ, bei dem Abgeklärtheit und Ehrenkodex Hand in Hand gehen, was gerade am Schluss sehr schön zu sehen ist. *SPOILER* Harper setzt sein Leben aufs Spiel, da er seinen alten Kumpel nicht davonkommen lassen will. Doch so wie Albert es nicht über sich bringt Harper in den Rücken zu schießen, so wird Harper es letztendlich wohl doch nicht über sich bringen Albert zu verpfeifen. Ein schräges Bild einer Männerfreundschaft, die sich über die Leiche eines anderen Mannes bewährt. *SPOILER ENDE*

Aber neben den Dialogen und dem Style gibt es auch noch einen Plot und auch der ist nicht zu verachten. Harper ermittelt, indem er sich mal als feiner Herr, mal simpel gestrickter Fan ausgibt, die Verdächtigen unter die Lupe nimmt und auch das eine oder andere Verbrechen aufdeckt, das seine Personensuche nur tangential berührt. Das Netz, welches das Drehbuch von „Harper“ auswirft, ist dicht, aber nie überladen, zumal es der ironische Ton hinbekommt, dass diese Ansammlung schräger und halbseidener Gestalten auf einem Haufen auf eine Art auch vorstellbar ist. „Harper“ ist mit einer gewissen Langsamkeit erzählt, die typisch für seine Dekade ist, doch nie wirkt es so als habe der Film Hänger. Schade nur, dass die große Erkenntnis, die zur Lösung des Falls nötig ist, relativ schnöde von einem Polizisten dargereicht wird und Harper das Puzzle danach nur noch zusammensetzen muss. Dabei sind seine sonstigen Recherchen immer sehr pfiffig, wobei er die offiziellen Gesetzeshüter in typischer Hard-Boiled-Manier alt aussehen lässt und dies mit dem entsprechenden Hard-Boiled-Gestus (den später auch viele Actionhelden übernahmen) unters Hemd drückt.
Natürlich funktioniert das Ganze auch deshalb so gut, weil Paul Newman in der Hauptrolle zu einem gnadenlos cool ist, zum anderen aber auch einen Detektivhelden mit menschlicher Seite spielt. Ein Typ, der auch mal getäuscht oder ausgeknockt wird, der zwar die Oberhand behält, aber nicht durchweg souverän ist. Dazu kommt ein starker Cast etablierter oder kommender Stars: Lauren Bacall als eiskalte Ehefrau, die von der Tochter nur „Lady MacBeth“ genannt wird, Janet Leigh als die Scheidung wollende Gattin Hapers, Robert Wagner als Lebemann-Pilot, Julie Harris als Junkie-Pianistin, Shelley Winters als Schabracke, die sich im Glanz früherer Tage sonnt, Strother Martin als windiger Prediger und Arthur Hill als schüchterner, in Liebesdingen tollpatschiger Anwalt liefern schon eine starke Schau, ähnlich wie Pamela Tiffin, die man später vor allem in italienischen Genrereißern sah.

Regisseur Jack Smight mag zwar eher ein Routinier als ein Autorenfilmer mit Vision sein, aber mit diesem Script und diesem Cast gelang ihm ein starker Neo-Noir mit Witz, Verve und Style. Eine spannende, ironische gebrochene Detektivstory mit herrlich skurrilen Figuren und einem gnadenlos coolen Protagonisten.

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