Was haben wir ihnen schon alles für einzigartige, tabubrechende, überaus schockierende, aber dennoch brillante und auf ihre Art und Weise begeisternden Filme zu verdanken? Mit "ihnen" sind zweifelsohne die Japaner gemeint, ohne die der Fan des etwas anderen, da äußerst brutalen Films nie in den Genuss der "Guinea Pig"- oder der "Men behind the Sun"-Reihe gekommen wäre. Auch kleine Meilensteine wie "Visitor Q" oder "Dead or Alive" wären dem Zuschauer dann vorenthalten geblieben.
Nun gibt es da noch eine Filmreihe, die, ähnlich wie oben erwähnte Werke, nehmen wir die "Guinea Pig"-Filme mal weg, durchaus realitätsnah und nachvollziehbar ist, auch wenn sie in Extremen dargestellt wird. Die Rede ist von "All Night Long", dem mittlerweile schon 3 Sequels gefolgt sind.
In diesem Film geht es mal wieder um sinnloses Verbrechen und die zugrundegehende Jugend. Zunächst wird der Zuschauer in die drei Hauptcharaktere eingeführt. Bei einem handelt es sich um den Klassenstreber, der normalerweise die ganze Zeit zu Hause sitzt, sofern er sich nicht gerade in der Schule befindet. Der Zweite steht kurz vor dem Berufsantritt, er möchte gern Flugzeug-Reparateur werden. Und die dritte Hauptperson ist arbeitslos. Die Drei sind sich zu Beginn des Films völlig unbekannt. Eines Tages jedoch treffen sie sich jedoch zufällig an einem Bahnübergang, sie warten alle, bis der Zug vorbeigefahren ist, damit sie weiterlaufen bzw. -fahren können. Bei ihnen steht noch ein etwa gleichaltriges Mädchen, welches den Dreien auch völlig unbekannt ist. Plötzlich gesellt sich ein etwas älterer Mann dazu, fragt das Mädchen irgendwas und danach ersticht er sie. Völlig geschockt schaffen es die drei Jungen, dem Verrückten zu entkommen und den Krankenwagen zu alarmieren. In der nächsten Einstellung sieht man dann wieder die drei Jungen, wie sie sich am Nachmittag des selben Tages bei einem der Drei treffen. Das junge Mädchen ist inzwischen ihren Verletzungen erlegen. Die drei Jungen bauen von nun an eine gute Freundschaft untereinander auf und beschließen, eine Party zu machen, zu der jeder eine Freundin mitbringen soll. Also versuchen die Freunde, ein Mädchen kennenzulernen, mit dem sie die Feier besuchen können. Alles scheint zu funktionieren, jeder war bei seiner "Suche" erfolgreich, bis plötzlich die Freundin von einem der Jungs von einer Gang vergewaltigt und getötet wird. Die Freunde nehmen grausame Rache...
Eins vorweg, für den Mainstream-Konsumenten, der meint, es handle sich um eine simple Rachestory, ist "All Night Long" definitiv Nichts, da dieser den Film wohl als absolut beschissen, da völlig hirnrissig, einstufen würde. Dem ist aber ohne jeden Zweifel nicht so, denn Leute, die derartige Filme gehäuft ansehen und an ihnen - nicht aufgrund der Gewalt!! - Gefallen finden, wissen, was sie an solch einer Produktion haben. In der ersten Hälfte erscheint der Film, von dem Mord an dem Mädchen mal abgesehen, wie ein Independent-Film über die Liebe. Einfach alles weist auf einen ganz normalen Film hin, perfekte Kameraführung mit schönen Aufnahmen und Einstellungen, professioneller Schnitt, überzeugende Darsteller und eine eindringliche, fast schon melancholische Musik, die auch sehr zu gefallen weiß.
Mit zunehmender Spieldauer wird dem Zuschauer aber immer mehr klar, selbst wenn er über die Story nicht Bescheid wissen würde, dass noch irgendetwas passieren wird, irgendetwas Schreckliches, das im völligen Kontrast zum vorher Gesehenen steht. Dieser Zuschauer wird dann recht behalten, denn das Ende ist gleichzeitig schockierend wie deprimierend, ja fast schon nihilistisch. Die Endsequenz macht den letzten Eindruck dann auch nicht besser, vielmehr setzt dieser auf Alles noch ein Stück drauf.
Noch schlimmer ist, dass der Regisseur mit "All Night Long" keinen Film geschaffen hat, der keine Aussage hat, sondern dass sich das Ganze so sicher nie zutragen wird, aber dennoch Gewalt, vor allem unter und bei Jugendlichen, eine große Rolle spielt. Daher spielt der Regisseur mit dem Extrem, legt damit aber einen Aspekt dar, der aufdeckt und gleichzeitig die Wahrheit sagt, auf eine ganz bestimmte Weise. "All Night Long" wird von Teenagern bestimmt, es taucht so gut wie kein Erwachsener auf, und wirklich kein Charakter hat irgendetwas Positives. Und falls doch mal der Eindruck entsteht, eine Person im Film habe so etwas wie ein Gewissen, wird dieser Eindruck spätestens nach einer Viertelstunde wieder völlig unbrauchbar, da die gleiche Person eine Handlung vollbringt, die auf ein Gewissen garantiert nicht schließen kann. Dieses Schema zieht sich den ganzen Film hindurch, selbst wenn der Zuschauer meint, doch noch ein wenig versöhnt zu werden, trotz der vielen Grausamkeiten, die in "All Night Long" zu sehen, wird er ein paar Minuten später eines besseren belehrt, wenn der Film dann im völligen Nihilismus endet.
Die Professionalität des Ganzen zieht sich den ganzen Film hindurch, auch die Splattereffekte, die kaum als solche bezeichnet werden können, da die Menschen hauptsächlich durch Feuerwaffen getötet werden, können überzeugen. Mit den Hauptcharakteren kann sich der Zuschauer sehr gut identifizieren, ist es doch jedem, auch wenn er es nicht erlebt hat, klar, wie schrecklich es sein muss, wenn direkt neben einem ein Mord geschieht. Umso besser ist es dann auch für den Konsumenten, wenn dieser sieht, wie die Jungen den Vorfall langsam verkraftet zu haben scheinen, indem sie immer mehr Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht machen. Doch dann kommt alles noch schlimmer als es überhaupt jemals war.
Wer anspruchsvolle, aber auch ultraharte Filme mag, wobei sich das Schlimmste meist im Kopf abspielt, kann bedingungslos auf den ersten Teil der "All Night Long"-Reihe zugreifen. Mal schauen, was die Teile 2 und 3 noch so zu bieten haben. Der Erstling jedoch bekommt auf jeden Fall 9,5/10 Punkte