Review

Janos jagt Farancksalan

Als das Monster-Crossover "House of Frankenstein" (1944) seinerzeit ins die Kinos gelangte, um mit "House of Dracula" (1945) und der hauseigenen Parodie "Abbott and Costello Meet Frankenstein" (1948) die glanzvolle Zeit der Universal-Tonfilm-Horrorklassiker wenig rühmlich abzuschließen, da bot sich dem Publikum ein wegweisender Kniff, der das gesamte Horrorgenre bis heute prägen sollte: Denn nicht mehr "Dracula's Daughter" (1936) oder der "Son of Dracula" (1943) hielten die Blutsauger-Thematik bei Universal am Leben, sondern der wiedererweckte Graf höchstselbst, der ganz einfach dadurch zu einem neuen, untoten Leben erwacht, indem der Holzpflock aus seinen letzten Überresten gezogen wird; d.h. aus seinem Skelett, welches von einem kleinen Wanderzirkus als Attraktion präsentiert wird.
Diese Wiedererweckung war wegweisend: Bei den Hammer Studios, die ab 1957 noch vor Mario Bava und Roger Corman den gothic horror neu erfanden, erweckte man später mehrfach den im jeweils vorangegangenen Dracula-Streifen niedergestreckten Vampirgrafen, indem man etwas Menschenblut in seine Asche träufelte ("Dracula: Prince of Darkness" (1966), "Scars of Dracula" (1970)) und ggf. noch von der daraus entstehenden Mixtur trank ("Taste the Blood of Dracula" (1970), "Dracula A.D. 1972" (1972)).[1] Dass man bei Hammer sehr wohl wusste, wem man diese Struktur zu verdanken hatte, zeigt ein Blick auf deren hauseigenen Vampirfilm "Vampire Circus" (1972): Dort bringt nicht bloß ebenfalls ein Wanderzirkus das vampirische Grauen in einen kleinen Ort, sondern auch der von den Einwohnern einstmals gepfählte Vampirgraf Mitterhouse wird dort gegen Ende ins Leben zurückgeholt, indem man den Holzpflock aus seinem Leichnam reißt, um mit diesem der Vampirplage Herr zu werden...

Es war nicht zuletzt dem Erfolg der Hammer Studios mit ihren Revivals der alten Universal-Vorbilder zu verdanken, dass in Spanien - wo zunächst neuartige Zensurmaßnahmen und schließlich der allmähliche Niedergang des Franquismus die Entstehung des Horrorfilms bzw. eine vor allem ab 1970/1971 einsetzende Hochzeit des Horrorfilms ermöglichten - ebenfalls die klassischen Leinwandmonstren (Dracula, Frankensteins Monster, der Werwolf, die Mumie) neben reitenden Leichen und nach Jess Francos mad scientists & Sadist(inn)en im Genre ihr Unwesen trieben. Der führende Kopf hinter diesem spanischen Revival der klassischen Halbwesen à la Universal-Horror war der vor allem als Paul Naschy bekannte Jacinto Molina Alvarez, der insbesondere dem Werwolf-Stoff huldigte und mehrfach in die Rolle des tragischen Werwolfs Waldemar Daninsky schlüpfte: Ab "La marca del Hombre Lobo" (1968), für den Naschy zugleich sein erstes Drehbuch verfasste, war er bis Mitte der 70er Jahre achtfach in seiner Paraderolle zu sehen, wobei einer der Filme nie fertiggestellt worden ist; und noch weitere fünf Male ab den Nachzüglern ab "El retorno del Hombre Lobo" (1981), wobei der letzte dieser späten Beiträge komplett außerhalb Spaniens entstanden ist.[2]
Naschy, der als Autor und Hauptdarsteller auch "The Mummy" (1932) als "La Venganza de la momia" (1975) neu auflegte und in Javier Aguirres "El Gran amore del conde Dracula" (1972) als Graf Dracula zu sehen war, machte aus seiner Vorliebe für die Universal-Vorbilder nicht nur in seinem Mumien-Streifen kein Geheimnis: In seiner Waldemar Daninsky-Reihe betont er die Nähe zu Lon Chaney jr.s Auftritten als Werwolf Larry Talbot vor allem durch den Kniff, dass der Werwolf meist nur durch den Schuss einer ihn wahrhaft liebenden Frau getötet/erlöst werden kann - wie es einst durch "House of Frankenstein" vorgegeben worden ist. Vor allem das Monster-Crossover, das bei Universal einer Überbietungslogik gemäß die Attraktivität der Horrorfilme steigern sollte - und letztlich nur zweitklassige Qualität bewirkte -, hatte es Naschy angetan: Er ließ seinen Werwolf Waldemar auf Vampire ("La marca del Hombre Lobo", "La noche de Walpurgis" (1971), "El retorno del Hombre Lobo"), auf Dr. Jekyll ("Doctor Jekyll y el Hombre Lobo" (1972)), auf Hexen ("El retorno de Walpurgis" (1973)) oder den Yeti ("La maldición de la bestia" (1975)) stoßen. Und in "El aullido del diablo" (1987) - seiner ersten Zusammenarbeit mit Howard Vernon, dem anderen Star des (nicht nur) spanischen Horrorfilms, der vor allem unter Jess Francos Regie zu sehen war! - gab er nicht bloß selbstironisch einen Schauspieler des Horrorkinos, sondern auch noch den Wolfsmenschen, Frankensteins Monster (im Universal-Look), Mr. Hyde (aussehend wie Frederic Marsh in der 1931er Version), Fu Manchu, das Phantom der Oper, Blaubart, Rasputin, Quasimodo und den Teufel.[3]

Das reinste dieser Monster-Crossover war jedoch sein "Los monstruos del terror", in welchem er Dracula, Frankensteins Monster, den Werwolf Waldemar und eine wandelnde Mumie aneinander geraten ließ. "Los monstruos del terror" erschien zu einer Zeit, als man bei Hammer zumindest im Hinblick auf Vampirfilme den Zenit erreicht hatte: Zwei Dracula-Filme brachten die Studios 1970 heraus, sowie den ersten Teil der Karnstein-Trilogie, deren folgenden Teile (mit dem Bathory-Vampirfilm "Countess Dracula" (1971)) bereits 1971 erschienen. Auch die Frequenz ihrer Frankenstein-Filme war mit drei Beiträgen zwischen 1967 und 1970 so hoch wie noch nie bzw. nie wieder. Die Popularität beider Figuren, welche den Werwolf und die Mumie deutlich hinter sich ließen, schlägt sich vor allem im deutschen Titel "Dracula jagt Frankenstein" nieder - und im englischen Titel "Dracula Versus Frankenstein", der ständige Verwechslungen mit Al Adamsons "Dracula vs. Frankenstein" (1970) bewirken sollte. Doch gerade die Figuren Dracula und Frankenstein werden im Film selbst mit gänzlich anderen Namen ausgestattet und kommen als Graf Janos und Farancksalans Monster daher: vermutlich eine Maßnahme, mit der man die (gerade im Frankenstein-/Farancksalan-Fall) rechtlich betrachtet höchst streitbare Anlehnung des Make Ups an Universal-Vorbildern wieder etwas relativieren wollte, um einem Rechtsstreit vorzubeugen. Dabei wird dem Universal-Vorbild eindeutig gehuldigt, wenn noch vor Hammers "Vampire Circus" ein kleiner Wanderzirkus eine Mitschuld am Geschehen trägt, insofern dessen ausgestelltes Skelett des vampirischen Grafen Janos nach der Entfernung des Holzpflocks zu neuem Leben erwacht... oder wenn Werwolf Waldemar nur von der ihn wirklich & wahrhaftig liebenden Frau erschossen werden kann...
Bei "Los monstruos del terror", an dessen Inszenierung gleich drei - zum Teil nicht sonderlich routinierte - Filmschaffende mitmischten, handelt es sich um den dritten bzw. zweiten vollendeten Beitrag zur Waldemar Daninsky-Reihe, den Naschy als Autor und Darsteller ablieferte: Im Getümmel der Monstren nimmt seine Paraderolle jedoch eine bloß untergeordnete Rolle ein - ganz im Gegensatz zu den Außerirdischen, die in Menschengestalt hinter dem unheilvollen Treiben stecken. Und indem man für die Rolle des außerirdischen bzw. des von Außerirdischen besessenen Dr. Odo Varnoff - dessen Name an Lugosis Dr. Eric Vornoff in Edward D. Wood jr.s "Bride of the Monster" (1959) erinnert, derweil der Plot selbst einiges mit Woods Kultfilm "Plan 9 From Outer Space" (1959) gemeinsam hat -, Michael Rennie gewinnen konnte, der in Wises "The Day The Earth Stood Still" (1951) den Außerirdischen Klaatu gab (und hiermit seine letzte Rolle spielte), setzt man auch im Hinblick auf den SciFi-Sektor auf sinnvolle Bezüge, die sich zum Teil Naschys Liebe zum Genrefilm verdanken, zum Teil aber auch bloße Marktschreierei darstellen...

Weniger sinnvoll als diese Bezüge fällt hingegen die Handlung des Films aus, die Naschy als Drehbuchautor künftig nicht mehr unterbieten sollte: Außerirdische vom Planeten Ummo, die sich mehr oder weniger gezwungenermaßen die Erde unter den Nagel reißen wollen, stiften zu diesem Zweck ihre Handlanger auf der Erde dazu an, die populärsten Monstren zum Leben zu erwecken, welche sich dann allerdings gegenseitig an die Gurgel gehen, derweil die auf der Erde stationierten Handlanger den Wert und die Macht menschlicher Gefühle ziemlich unvermittelt zu schätzen lernen und bisweilen den Aufstand proben, was gelegentlich mit bunt leuchtender & hektisch tutender Lichtorgel-Stromstoß-Folter geahndet wird... Bereits der Vorspann, der aus den Weiten des Alls zum Volksfest von Blaustadt überleitet, unterstreicht nochmals den unseriösen Eindruck, den bereits der Titel hinterlässt.[4] Wie ernst oder ironisch distanziert die Geschichte im spanischen Original dieser spanisch-italienisch-deutschen Koproduktion dargeboten wird, lässt sich mangels optimaler DVDs oder BluRays kaum sagen: Unüberhörbar hat es jedoch die deutsche Synchronisation darauf angelegt, den Nonsens des Films zu unterstreichen. Wenn die titelgebende und angesichts der Namensänderungen ohnehin nicht passende Zeile "Dracula jagt Frankenstein" gerade dann ausgesprochen wird, als Dracula/Janos bereits tot und Frankensteins/Farancksalans Monster abwesend ist, derweil sich der Werwolf mit der Mumie rauft, lässt die deutsche Fassung keinen Zweifel daran, dass sie sich selbst nicht ernst nehmen mag.[5]

Die Handlung ist letztlich so doof wie erheiternd; dass sich angesichts der mangelhaften Spannungsdramaturgie, der quasi vollkommen abwesenden Schockeffekte und der vielen Widersprüchlichkeiten, Uneindeutigkeiten und Fehlschlüsse der Unterhaltungswert in Grenzen hält, dürfte kaum jemanden überraschen: gerade die Mumien-Episoden ziehen sich subgenretypisch wenig unterhaltsam in die Länge. Der eine oder andere Hauch einer Hommage, der hier durch den kommerziellen Motive- & Ideenklau geistert, kaschiert diese Mängel kaum. Und die nicht einmal durchschnittliche Inszenierung, die vor allem durch das geringe Budget, eine plumpe Kameraarbeit und läppische Effekte & Highlights - wie die bunten & lärmenden Foltereinlagen, in denen sich unter anderen Bondgirl Karin Dor um den Verstand kreischt - besticht, rundet das eher unschöne Bild adäquat ab.
Naschy-Fans kommen an dem Werk natürlich trotz alledem nicht vorbei. Und mit einem Faible für groben Unfug & unfreiwillige Komik, die hier - und besonders in der deutschen Synchro - immer wieder auch als freiwillige Komik in Erscheinung tritt, kann man sogar ganz passabel über die Runden kommen. Ein guter Film ist "Los monstruos del terror" aber ganz sicher nicht: eher der Tiefpunkt der klassischen Waldemar Daninsky-Reihe zwischen 1968 und 1975...

3,5/10


1.) Und nicht weniger abstrus waren die Wiedererweckungen vermeintlich toter Schlitzer in den Slasherfilmen der 80er Jahre: Dass in "Friday the 13th Part VI: Jason Lives"  (1986) ein Blitz in Jason Vorhees' Grab fährt, reicht für dessen Auferstehung völlig aus.
2.) Die Rede ist von Fred Olen Rays "Tomb of the Werewolf" (2004). In Ivan Cardosos spätem
terrir-Stück "Um Lobisomem na Amazônia" (2005) trat Naschy dann nochmals als Wolfsmensch (und als Dr. Moreau) auf, wobei seine Rolle als Waldemar Daninsky bloß als vage Assoziation für Genrekundige im Raum steht.
3.) Die autobiographischen Züge dieses Films hallen im späten "Rojo sangre" (2004) nach.
4.) Wer im Weltall mühelos größere Strecken zurücklegen kann und dann ernstlich Blaustadt als Objekt seiner Invasionspläne auswählt, gibt Anlass zum Gelächter. Die für Theorien des Lachens so wichtige & bedeutsame Unangemessenheit könnte kaum größer ausfallen.
5.) Das macht dann auch die ach so lustige Kommentierung des Films im
SchleFaZ-Format durch Kalkofe & Rütten höchst überflüssig. Dass gerade ein TV-Moderator, der dem Irrglauben anhängt, dass mit der derben Verulkung stupider TV-Formate ein qualitativeres TV-Format zu bewerkstelligen sei, Geschmack am höchst überflüssigen MST3K-Konzept finden sollte, überrascht natürlich nicht sonderlich.

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