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Lebende Tote und sterbende Lebende

Soavis bisher letzter Geniestreich Dellamorte Dellamore basiert auf dem gleichnamigen Roman des italienischen Comicautoren Tiziano Scalvi. Diese in den italienischen Dylan Dog Comics erfolgreiche Figur des Friedhofswächters Francesco Dellamorte wurde mit Rupert Everett exzellent besetzt.Michele Soavi ist ein hervorragender (Geschichten-)Erzähler. Er versteht es, dem Zuschauer seine Charaktere nahe zu bringen, schafft Identifizierungspotential und sprüht vor ungewöhnlichen Ideen. Gepaart mit seinem Sinn für Visuelles, erzeugt dies in Dellamorte Dellamore einen faszinierenden Alptraum über das Leben, die Liebe und den Tod. Der Film ist voll von Metaphern und Symbolen.Francesco Dellamorte lebt den Tod: "I'd give my life to be dead". Er hat keine Ziele, seine Freunde sind der nahezu stumme Gnaghi und der fast nur am Telefon präsente Beamte Franco. Auf seinem Friedhof des kleinen Dorfes Buffalore, tief in der italienischen Provinz, stehen aus unerfindlichen Gründen die Toten wieder auf. Francesco und sein kindlich wirkender Gehilfe Gnaghi haben alle Hände voll zu tun, die "Wiederkehrer" wie sie in der deutschen Fassung genannt werden, in ihre Gräber zurückzubringen.

Der Zerfall seiner Welt beginnt, als Dellamorte sich in eine junge Witwe verliebt. Er steigt aus einem Grab herauf, um mit ihr zu sprechen. Der Aufstieg in die Welt der Lebenden scheint zu gelingen. Doch Francesco verliert sie und weitere zwei seinem Idealbild gleichende Frauen (jedes Mal gespielt von Anna Falchi) und damit schrittweise seine Identität. Zu Beginn ist eine Schneekugel zu sehen, in der zwei Figuren stehen. Im Verlauf des Films wird klar, wer darin zu sehen ist: Francesco Dellamorte und Gnaghi. Soavi baut das heutige Italien nach: tote, korrupte Politiker, eine unverständliche Bürokratie, eine inkompetente Polizei und eine Armee toter Pfadfinder, die wie die Artefakte einer faschistischen Vergangenheit anmuten. Gezwungenermaßen eine deprimierende, melancholische und morbide Welt. Um den Film für den Zuschauer nicht unerträglich zu machen, bietet Soavi reichlich Humor an, britisch und bittersüß. Ständig tauchen hoffnungsvolle Momente auf, vor allem Liebe und Freundschaft werden betont. Dazu zählt die Freundschaft zwischen Gnaghi und Dellamorte oder Gnaghis Liebe zur toten Tochter des Bürgermeisters, die dessen Liebe erwidert.

Am Ende sieht man die Schneekugel vom Beginn des Films wieder. In ihr stehen Francesco und Gnaghi - sie haben ihre Positionen getauscht. Sie versuchten aus ihrer Welt auszubrechen, aber der Rest der Welt existiert nicht.Soavi beherrscht die eingesetzten filmischen Mittel. Seine Kameraarbeit ist hervorragend. Die Kamera gleitet mit den Charakteren durchs Geschehen, stellt sie in den Mittelpunkt, ist mehr als nur stummer Zeuge. Steht das Leben der Figuren auf dem Kopf, tut es die Kamera ebenfalls. Tagsüber ist die Szenerie braun und grün, ein erdfarbenes Gemisch. Nachts leuchtet die Welt, aber nachts kommen die Toten wieder. Der Friedhof lebt auf. Gekonnt eingesetzte Stilmittel wie Zeitlupe und Zeitraffer werden unauffällig und selbstzwecklos verwendet. Alles scheint durchdacht. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren des Horrorgenres wird der Sehnerv nicht mit Farben bombardiert oder das Gehör mit aggressiver Musik beansprucht. Der Zuschauer ist näher am Geschehen und Gefühle werden viel subtiler erzeugt. Soavi versetzt seine filmische Sprache mit lyrischen Elementen. Kunst und Lyrik sind Quellen der Inspiration für ihn, so etwa René Magrittes bekanntes Gemälde "Die Liebenden".

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