Italien, Zombies, ein Weggefährte Argentos als Regisseur, nein, nach sonderlich vielen Innovationen klingt das wahrlich nicht. Um so erstaunlicher, das mit „Dellamorte Dellamore“ ein Film entstanden ist, der den Fan von klassischen italienischen Zombiefilmen enttäuschen dürfte, den Fan von anspruchsvollen Horrorwerken aber lange Zeit beschäftigen kann.
Die Story entwickelt sich dabei zunächst noch in gewohnten Bahnen. Francesco Dellamorte arbeitet als Friedhofswärter auf einem kleinen Friedhof irgendwo in Italien. Unterstützt wird er dabei von seinem geistig etwas zurückgebliebenen Freund und Kollegen Gnaghi. Dabei haben die beiden nicht nur mit den normalen Widrigkeiten des Jobs zu kämpfen, auf ihrem Friedhof geschehen merkwürdige Dinge. So kommen alle Toten innerhalb von 7 Tagen als Wiedergänger zurück und werden von Francesco und Gnaghi endgültig getötet. Die beiden nehmen das aber recht locker und haben sich daran gewöhnt. Kompliziert wird es erst als eines Tages eine wunderschöne Frau auf den Friedhof kommt und Francesco sich in sie verliebt. Beide verbringen eine heiße Nacht zusammen doch die Namenlose wird von ihrem wiederkehrenden Mann getötet und Francesco muss sie endgültig umbringen. Danach gerät seine Welt aus den Fugen.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Film eine herrlich morbide Horrorkomödie, deren Humor sehr eigen und sehr bitter daher kommt, die aber durchweg zu unterhalten weiß. Doch zur Mitte des Films wandelt sich das Bild. Francesco begegnet dem Tod und mit ihm wird er selber zum Todesengel (optisch immer wieder eindrucksvoll versinnbildlicht wenn man Francesco vor Statuen mit Engelsflügeln stehen sieht, die aus ihm zu wachsen scheinen).Er tötet fortan nicht mehr nur die Toten er tötet die Lebenden. Und doch wird er keines Verbrechens belangt. In dieser zweiten Hälfte wird der Film zu einem Meisterwerk, über dessen Bedeutung und Aussagen man lange diskutieren kann. Ist Francesco selber der Tot, ist er es der darüber entscheidet wer lebt und wer stirbt, wird er deshalb nicht für seine Verbrechen belangt, weil er nur der Überbringer ist, nicht aber die Ursache.? Oderist es der Tod, der Francesco zeigen möchte, wo der Unterschied zwischen dem Leben und dem Tod, zwischen der Liebe und dem Tod besteht? Immer wieder begegnet Francesco der Frau die er geleibt hat, immer wieder verkörpert sie andere Typen von Menschen und immer wieder wird er sie verlieren. Man könnte auch spekulieren ob Francesco bereits selber verstorben ist, ob er die Handlung im Film als Übergang vom Reich der Lebenden hin zum Reich der Toten erlebt. In dem die Grenzen zwischen Leben und Tod immer mehr verwischen, und er selber diese letztlich nicht mehr unterscheiden kann.
Auch das Ende deutet darauf hin. Wenn Gnaghi und Francesco sich auf Machen um zu sehen was hinter dem Leben wie sie es kannten (oder dem Leben an sich?!) kommt, und nach der sinnbildlichen Fahrt durch den langen Tunnel an dessen Ende ein helles Licht erstrahlt vor dem Abgrund stehen, erkennen das es nichts gibt nach dem Leben, nur den Tod. Hier wandeln sich dann auch die Rollen, der stumme Gnaghi offenbart, das er den Unterschied zwischen leben und Tod erkannt hat, und noch nicht bereit ist den Weg in den Tod zu gehen, und Francesco, der den unterschied nie ausmachen konnte, nuschelt nur noch vor sich hin, und will das Leben beenden.
Wie gesagt es ließe sich wohl stundenlang über Bedeutung und Sinn des Films diskutieren, meine Theorien sind dabei sicherlich nicht richtiger oder falscher als viele andere. Aber gerade durch diese Vielschichtigkeit, durch das auslassen von jeglichen Erklärungen wird der Film zu einem ganz großen. Es ist sicherlich auch falsch diesen Film in die Kategorie des Zombiefilms zu stecken. Zwar gibt es auch hier die typischen Zombies, doch die Beweggründe hinter dem Film sind einfach komplett andere als im x-ten Zombieaufguss. Hier geht es nicht darum vordergründig zu schocken und Ekel zu zeigen, hier geht es darum den Zuschauer zum Nachdenken zu bewegen. Dafür wurden mit den Themen Liebe, Leben, Tod nun wahrlich keine Nebensächlichen Themen angepackt aber Regisseur Michele Soavi gelingt es aus diesen elementaren Dingen einen großartigen Film zu schaffen, der nicht nur auf gedanklicher Ebene vorzüglich funktioniert, sondern auch optisch. Was bei einem Film ja nun grundsätzlich nicht verkehrt ist.
Von der ersten Minute an gelingt es mit dem Set des alten runtergekommenen Friedhofs eine morbide unheimliche Stimmung zu erzeugen. Die Kamera fängt den Friedhof immer wieder in eindrucksvollen Bildern ein, und schwebt durch die Reihen der Grabsteine. Es wurde hier mit viel Liebe fürs Detail gearbeitet, sei es nun bei den Kulissen oder bei Dingen wie den immer wieder zum Einsatz kommenden wehenden Stoffen, die die Kamera umspielen.
Auch die Effekte wurden gekonnt umgesetzt, sind teilweise durchaus hart, aber zumeist beschränkt man sich auf blutige Kopfschüsse. Das mehr nicht nötig ist, ja man diese Effekte auch komplett hätte weglassen können, zeigt nur das hier ganz klar im Vordergrund stand eine Geschichte zu erzählen, und nicht mit Kunstblut um sich zu werfen. Einzig die deutlich sichtbaren Fäden an denen die Irrlichter über den Friedhof geistern wirken etwas lächerlich.
Die Darsteller, allen voran Ruppert Everett tun ein übriges um den Film aus der Horroreinheitswahre heraus zu heben. Everett spielt den lakonischen und desillusionierten Friedhofswärter mit einer unglaublichen Präsenz. Auch wenn er später selber zum Todesengel mutiert nimmt man ihm diese Wandlung ohne weiteres ab. Er schafft es die Figur so zu spielen, dass sie einem zwar sympathisch ist, aber doch auch der latente Wahnsinn immer präsent ist. Anna Falchi, die gleich in 3 Rollen auftritt, spielt jede der Rollen durchaus überzeugend und ist optisch ein wahres Highlight. Großes Lob auch an François Hadji-Lazaro, der als Gnaghi wahrlich keine einfache Rolle hat.
„Dellamorte Dellamore“ ist anspruchsvolles Horrorkino für den Kopf. Zwar wird auch optisch einiges geboten und der Humor kommt nicht zu kurz, aber letztlich ist es ein Film an dem man nur wirklich Spaß haben wird, wenn man sich auf ihn einlässt und sich nach dem Ende noch weiter damit auseinandersetzt. Wer einen weitren Splatterfilm von der Stange erwartet dürfte hingegen schwer enttäuscht sein und lieber wieder zu einem anderen Zombie- Schmodder Film greifen. Technisch sicherlich auch durch sein Budget begrenzt ist dieser Film einer der innovativsten und interessantesten, die das Horrorkino im letzten Jahrzehnt zu Tage gebracht hat. 8 von 10 Punkten.