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Lucas’ letztes Gefecht – eine kleine Anatomie der Star Wars-Serie

Bevor hier angesichts meiner Wertung keiner weiterliest, möchte ich hier eins klar stellen: seit ich 1980 zum ersten Mal »Krieg der Sterne« im Kino sah, war ich lange Jahre unverwüstlicher Star Wars-Fan. Und bevor ich mich näher mit dem (wortwörtlich) allerletzten Kapitel der Star Wars-Saga befasse, möchte ich kurz darauf eingehen, was ich unter einem gelungenen Film verstehe.

Was macht einen guten Kinofilm aus? Nun, zunächst einmal basiert er auf einem guten Drehbuch, einem spannenden, glaubwürdigen, dramatischen oder komischen Plot mit gelungenen Dialogen und einem gut aufgebauten Spannungsbogen. Die Rollen aus diesem Drehbuch werden mit professionellen Schauspielern adäquat besetzt, die der Regisseur dann so anleitet, daß seine Vision des Stoffes für den Kinozuschauer spürbar und sichtbar wird. Gefilmt wird das Geschehen von einem professionellen und künstlerisch begabten Kameramann (Kadrierung, Lichtgestaltung, Farbtemperatur, Kamerabewegung etc.), vorzugsweise im Studio oder »on location«. Der Cutter (oder richtiger: Editor, Schnittmeister) montiert dann das Material so, daß die filmische Logik nicht verletzt wird. Sein Gespür für Timing haucht dem Film einen Rhythmus ein, der schnell sein kann oder auch langsam, auf jeden Fall aber den Zuschauer in seinen Bann zieht. Gekrönt wird das Werk in der Regel durch eine gelungene Musik, die dem Gesamtkunstwerk Film eine vertiefte Emotionalität und dramatischere Präsenz verleiht. Ist die Vision des Regisseurs stark genug, daß sie sich auf alle Beteiligten überträgt, kann ein Filmkunstwerk entstehen, das unterhält, den Geist anregt und lange im Gedächtnis bleibt. Beispiele dafür sind – um im Genre zu bleiben – Kubricks »2001«, Ridley Scotts »Alien« oder »Blade Runner«, oder auch Spielbergs »Unheimliche Begegnung der Dritten Art«. Meisterwerke, deren Inhalte man ablehnen mag, deren formale Meisterschaft anzuerkennen aber kein echter Filmfreund umhin kann.

Auf der anderen Seite (der dunklen?) gibt es traurige kleine Machwerke wie »Star Wars – Die Rache der Sith« (*Vorsicht, ab hier Spoiler!*).

Als ich mit elf Jahren zum ersten Mal »Star Wars« sah (in München im alten Mathäser, in brillanter 70 mm-Qualität und dem damals bestmöglichen Ton), war mein Leben verändert. Ich wurde zum besessenen Fan, der sich zunächst gar nicht vorstellen konnte, jemals im Kino wieder etwas anderes zu sehen als Star Wars. Erst Jahre später konnte ich akzeptieren, daß es im Kino auch um etwas anderes gehen durfte als um Weltraumschlachten und Special Effects. Um echte Charaktere etwa, um Menschen. Doch bevor es soweit kam, war der zweite Star Wars-Film für mich die Krönung – die ultimative Space Opera, packend und stimmig bis ins kleinste Details, wunderbar altmodisch und modern zugleich. Von da an konnte es nur bergab gehen. »Die Rückkehr der Jedi-Ritter« fiel dann schon fast zu kalkuliert aus, zu kindgerecht. Immer noch ein guter Star Wars-Film mit spektakulären Weltraumschlachten (bis heute die besten), viel Witz und Tempo. Und dann kam »Episode I«, und George Lucas stürzte von dem Thron, auf den ich ihn gestellt hatte (neben Spielberg, Kubrick, Hitchcock, Kurosawa, Tarkovsky, Polanski, Scorsese und Coppola, für die, denen diese Namen noch etwas bedeuten). Was ich sah war ein eiskalt durchkalkuliertes, zielgruppengerechtes (Kinder bis 14 Jahre) Plastikprodukt mit ausufernder, aber wenig überzeugender Storyline und infantilen Einfällen. Immerhin, der Film hatte noch Unterhaltungswert, und seine erfolgreichste Actionszene, das Pod-Rennen, zitierte einigermaßen erfolgreich das Wagenrennen aus »Ben Hur«. Was mir allerdings hier schon sehr unangenehm auffiel, war, daß Lucas aus der KUNST der Special Effects, die es in den ersten drei Filmen der Reihe zu bestaunen gab, die totale TECHNIK gemacht hatte. Die Effekte waren nunmehr reines Muskelspiel, pubertär aufgemotzt, optisch überladen und selbstgefällig bis zum Erbrechen. Statt stimmiger Farbdramaturgie (Tatooine – Gelb- und Brauntöne, imperiale Truppen nebst Gerät – Weiß, Grau, Schwarz, usw.) kitschig farbiges Geflacker allerorten, kuppelverseuchte postkartenbunte Stadtansichten und das offensichtliche Bemühen, in jeder Szene alle 16,7 Millionen vom menschlichen Auge wahrnehmbaren Farben auf einmal unterzubringen. Mit anderen Worten: technischer OVERKILL statt Kreativität. Dazu ein ekliger kleiner Klugscheißer in der Hauptrolle, gegen den JarJar Binks noch erfrischend war. Wenigstens die Kämpfe mit Darth Maul waren packend, wenn auch eher kurz, und man hätte sich mehr von derart gut choreographierter und vor allem WAHRNEHMBARER Action gewünscht.
Dann kamen die »Klonkrieger« und meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr: es ging noch schlechter, noch verworrener, noch überladener, noch langweiliger. Das schlimmste war der pubertierende Annakin, ein Kotzbrocken wie aus dem Bilderbuch. Das fiel jedem Kinozuschauer auf, nur nicht seinem bärtigen Jedimeister.

Die Vorschußlorbeeren für den dritten Teil bewogen mich dann tatsächlich, den Film im Kino anzusehen. Es ist ein Glück, daß ich am Kinotag ging und nur 4,50 Euro ausgab für den schlechtesten Film, den ich seit langer, langer Zeit im Kino gesehen habe. Die ersten Minuten sind noch durchaus packend, aber dann, ca. 130 Minuten vor Schluß, hat Lucas sein Pulver bereits verschossen, und der Film offenbart sich mehr und mehr als das, was er wirklich ist: ein unglaublich schlecht geschriebenes, gespieltes und inszeniertes Nichts, eine mehr als zweistündige Werbeveranstaltung für Lucas’ Trickfirma ILM. Der Film macht schlichtweg keinen Spaß, nach einer knappen Stunde begann ich, immer wieder auf die Uhr zu sehen und mich zu fragen, warum ich über zwei Stunden meiner Lebenszeit verschwenden sollte mit der totalen Zerstörung des Kinomythos, der meine Liebe zum Film geweckt hatte.

Beginnen wir, um an obige Kriterien anzuknüpfen, mit dem Drehbuch. Die Enstehung stelle ich mir folgendermaßen vor: George Lucas fertigt eine Liste an mit allen Punkten, die in »Sith« abzuhandeln sind (wie wird Annakin zu Darth Vader, wie wurden die Jedi beinahe ausgelöscht usw.). Die Liste diskutiert er jeweils beim Frühstück mit seinen minderjährigen Kindern (»Sagt mir mal einen Dialog zum Thema Liebe« - »Äh: ‘Ich liebe dich!’ ... ‘Nein, ich liebe dich!’ ... ‘Du kannst mich gar nicht so doll lieben wie ich dich liebe!’«). Die Vorschläge seiner Kinder notiert Lucas zwischen Kellogs und Milchtüte auf einen Kassenbon von Fry’s und übernimmt sie fast wortwörtlich ins Drehbuch, das er abends bei einer Flasche Wein (nach zwölf Stunden Geldzählen und Diskussionen mit seinem Anlageberater) über zwei Jahre hinweg zusammenschreibt. Was er in seinen Computer geklopft hat, wird auf der Liste abgehakt. Am nächsten Morgen geht es weiter . Mehr muß ich dazu, denke ich, nicht sagen ...
Anschließen holt er sich ein paar durchaus profilierte Schauspieler und ein paar, die gerne welche wären, läßt sie vor seiner blue screen aber völlig in der Luft hängen, bis sie agieren wie besonders hölzerne Konsorten aus der Augsburger Puppenkiste.
Der »Director of Photography« schläft auf dem Set regelmäßig ein, da er sowieso immer nur mit fest montierter Digitalkamera vor der blue screen hockt und der »focus puller« die ganze Arbeit macht.
Nachdem er die ersten Szenen am Laptop begutachtet hat, schwant Lucas, daß er alles kräftig mit Effekten aus dem Computer zukleistern und -dröhnen muß, damit dem Zuschauer die Armseligkeit seines Unterfangens nicht so schnell klar wird. Also beauftragt er ca. zwei Hundertschaften bei ILM, mit den Mäusen nur so draufloszuklicken, damit am Ende auf jedem Quadratzoll Leinwand irgendetwas fliegt, blinkt, zappelt oder explodiert. Anschließend wird die minderbemittelte Kampfchoreographie der Laserschwertkämpfe satt mit hektischem und unscharfem Laserschwertgefuchtel überdeckt.
Für den Schnitt am Computer hat er bereits ein Programmskript erstellen lassen, das er nach Abschluß des digitalen Budenzaubers mit einem Doppelklick startet. Drei Stunden später ist der Film fertig geschnitten.
Fehlt nur noch die Musik von John Williams. Der immerhin zieht sich (wie so meist) mit Anstand aus der Affäre, auch wenn er ein bißchen viel bei »Episode I« abschreibt.

Weil’s alles gar so unglaublich schlecht ist, hier noch ein paar Highlights:

- General Grievous: ein Roboter (bzw. Cyborg, aber definitv ohne Lungen), der gebückt geht und ständig asthmatisch hustet
- Die Klonkrieger, die zwar per Funk Befehle empfangen, untereinander aber in der Sprechweise eines taiwanesischen Platikentchens kommunizieren
- Annakin, der ja sooo hin- und hergerissen ist zwischen der guten und der dunklen Seite der Macht, daß er nach zwei Minuten Belabern durch Palpatine kleine Kinder ermordet
- Padme, die sich zwar Namen für ihre ungeborenen Kinder ausdenkt, dann aber einfach bei der Geburt stirbt, weil sie »einfach aufgegeben hat«
- Obi-Wan, der den verstümmelten und halb verbrannten Annakin einfach liegen läßt, ohne ihm den Todes- bzw. Gnadenstoß zu versetzen.

Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Wie kann man sich, als denkender Mensch, von so einem schlecht gemachten, puren Unsinn, der nicht einmal per Trashfaktor zum Lachen animiert, so einspinnen lassen? Die Macht ist offenbar mit George Lucas, und es gibt genug kleine Annakins, die sich einfach auf seine Seite ziehen lassen, um ihm ihr Geld in den Rachen werfen.

George Lucas, der Künstler, oder wenigstens: der Unterhaltungsmagier? Diese Illusion habe ich mir längst abgeschminkt. Lucas ist ein Technokrat (ein geld- und machtversessener noch dazu), und er macht Filme für Technokraten. Packendes Kino sieht anders aus. Bleibt zu hoffen, daß Lucas seinen Freund Spielberg, mit dem er den vierten Indiana Jones-Film zu machen gedenkt, nicht auch noch auf die dunkle Seite hinüberzuziehen vermag. 1/10

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