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" Nun, Blue Velvet war Mitte der 80ger vielleicht sehr schockierend. Gemessen an dem, was uns heutzutage in Talkshows serviert wird- Inzest, Pädophilie und Selbstverstümmelung, also fast jede Form menschlicher Abartigkeit- wirkt der Film doch recht harmlos."

Mit dieser wunderbar einfachen Aussage hat Lynch, wie so oft, wieder mal genau ins Schwarze getroffen. Ja Blue Velvet war ein so genannter Skandalfilm, heute ist man schon viel schlimmeres gewohnt, da fällt es einem leichter den Film zu analysieren. Doch objektiv kann man nie an einen David Lynch Film herangehen. Ich bin ein großer Bewunderer und halte Lynch für einen großartigen Künstler. Blue Velvet bedeutete nach dem Desaster von Dune einen Neuanfang für ihn. Doch wie gut ist Blue Velvet denn heute noch? Für mich lautet die Antwort ganz klar: Sehr gut.

Kein anderer Film vergleicht die Fassade der heilen Welt, so im krassen Gegensatz, mit den Abgründen der menschlichen Seele. Für einen Lynch hat Blue Velvet eine verhältnismäsig simple Story, ist allerdings um einiges komplexer und intelligenter als die meisten anderen Filme. Manche Szenen wirken schon etwas verstaubt und ein paar Szenen sind ziemlich kitschig, wobei ich glaube das dies von Lynch auch beabsichtigt war, um die Naivität der Kleinstadtbewohner darzustellen. Nach einem etwas holprigen Anfang, gelingt es Lynch meisterhaft den Zuschauer in die Geschichte hineinzuziehen und ihn bis zum Ende nicht mehr loszulassen, seine Regie ist einfach schlichtweg wieder meisterhaft. So kann ich manche Leute, die dem Film Langeweile vorwerfen, wirklich nicht verstehen.

Auch wenn Blue Velvet heute nicht mehr so skandalös ist wie damals, gehört er bei weitem noch nicht in ein Kinderprogramm. Es sind schon noch einige derbe Szenen enthalten, sei es die Vergewaltigungszene oder ein ziemlich heftiger Kopfschuss. Auch was Nacktheit betrifft, ist doch einiges zu sehen, sodass man sich leicht vorstellen kann, wie der Film damals im prüden Amerika gewirkt haben könnte. Und trotzdem, obwohl Lynch immer die menschlichen Abgründe so intensiv darstellt, geht er nie zu weit, im Gegensatz zu anderen Regisseuren, auch das ist an ihm zu bewundern.

Die Darsteller sind wirklich großartig. Kyle MacLachlan ist schlicht eine ideal Besetzung, wenn er ein wenig als Lynchs Alter Ego durch den Film stolziert und nicht genau weiß ob er nun nur neugierig ist, oder pervers. Dennis Hopper liefert als total perverser Psychopath eine unglaublich geniale Leistung ab und obwohl er manchmal etwas übertreibt, ist er wohl einer der besten Bösewichter der Filmgeschichte.
Besonders loben muss ich noch die Leistung von Isabella Rosselini, die diesen schwierigen Part ( manche Schauspielerinnen fühlten sich sogar persönlich angegriffen, als Lynch ihnen díe Rolle anbot), wahrlich grandios spielt und mich sehr aufgewühlt hat. Laura Dern fällt da doch ziemlich deutlich ab, ist aber trotzdem noch zu ertragen.

Fazit: Auch heutzutage ist Blue Velvet immer noch ein polarisierender Film, die einen werden begeistert sein, die anderen werden damit gar nichts anfangen können. Ich halte ihn trotz kleinerer Schwächen, für einen großartigen Film, der sich perfekt in Lynchs beeindruckende Filmografie eingliedert.
So unrealistisch ist er, obwohl er ein paar surreale Sequenzen hat, wirklich nicht. Denn Frank Booths gibt es leider genügend auf der Welt, um sich davon zu überzeugen, genügt oftmals nur ein Blick in die Tageszeitung...
9/10

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