Nachdem sich die ersten fünf Marx-Brothers-Filme allesamt eher als Flops herausgestellt hatten, weil sie zwar in den Großstädten ihr Publikum fanden, auf dem flachen Land jedoch in ihrem anarchischen Humor zur Zeit der Depression nicht verstanden wurden, blieb den Brüdern nach „Duck Soup“, ihrem vermutlich besten Film, nichts anderes übrig, als auf ein Angebot eines großen Hollywoodproduzenten einzugehen.
Zu ihrem Glück handelte sich um Irving Thalberg, den Mega-Producer der 30er Jahre, dessen angeschlagene Gesundheit ihn nicht daran hinderte, 20-Stunden-Tage auf die Produktion von Filmen zu verwenden und sie wieder und wieder zu drehen, bis sie optimal auf den Publikumsgeschmack zugeschnitten waren.
Die ersten fünf Filme waren wild und anarchisch, stets nach ähnlichem Konzept und was den Humor der Marxes anging, so wollte Thalberg daran nichts ändern – was Groucho auch nicht zugelassen hätte.
Allerdings sorgte Thalberg zusammen mit einer ganzen Reihe von Autoren (darunter auch Buster Keaton, der für Groucho so wenig übrig hatte, wie dieser für ihn), dass die Filme eine ordentlich strukturierte Story bekamen.
Die Jokes und Witze bekamen ihren Teil der Story, dazu kam also eine Liebesgeschichte (ein Part, den bisher ihr Bruder Zeppo übernommen hatte, der sich von nun an jedoch verstärkt als Agent betätigen sollte) und eine Reihe von Musiknummern, Songs, Gassenhauern, die auch das weibliche Publikum binden sollten.
Das erste Projekt hieß ergo „A Night at the Opera“ und brachte in 87 Minuten das Beste aus beiden Welten zusammen. Das hieß, die drei Brüder in ihren üblichen Rollen (großmäuliger Aufschneider, Windhund, lockenköpfiger Wirrkopf), Margaret Dumont als finanzkräftiges Ziel im Hintergrund für Grouchos Avancen, eine Klaviernummer für Chico, ein Harfenspiel für Harpo, ein paar hervorragende Opernnummern, eine Lovestory und ein paar denkwürdige Comedyszenen.
Daß damals mit ausgezeichneten Opernarien große Kasse gemacht werden konnte, kann man lange nach Mario Lanza schon gar nicht mehr glauben und rückblickend scheinen die Elemente von Oper und Komödie auch nicht komplett flüssig ineinander zu fließen.
Dafür waren die Comedynummern aber so erinnerungswert, das „Opera“ Grouchos Lieblingsfilm blieb bis ans Ende seines Lebens.
Die wesentliche Szene, an die sich die meisten Menschen erinnern, ist sicherlich die Kabinennummer, in deren Verlauf tatsächlich 15 Personen in einer kleinen Ein-Personen-Kabine zusammenkommen, angefangen von den Brüdern und dem Tenor über die Zimmermädchen, den Heizer samt Assistenten, einer Maniküre bis zu vier Kellnern, die das Essen servieren, bis Margaret Dumont schließlich die Tür öffnet und sich eine Menschenlawine auf den Gang ergießt.
Aber auch sonst ist viel Erinnernswertes dabei, ein Frühstücksszene, in der Harpo allerlei Unverdauliches zwischen Pfannkuchen verfrühstückt, die berühmte Vertragsszene zwischen Groucho und Chico und eine stark an eine Bühnennummer erinnernde Szene, in der die Brüder samt befreundetem Tenor vier verschiedene Betten von einem Zimmer ins Nächste tragen, um einen Polizisten komplett aus dem Konzept zu bringen.
Das große wilde Finale während der Oper im vollbesetzten Saal ist erfrischend komprimiert und nicht so wild und endlos ausufernd wie im nachfolgenden „A Day at the Races“.
Zu bedenken bleibt, dass Marx-Brothers-Filme in keinem Fall in der deutschen Übersetzung genossen werden sollten, selbst bei besten Bemühungen der Synchronabteilungen mit ein paar Wortspielen mitzuhalten, geht das Meiste von Grouchos Stänkerhumor leider Gottes vollends verloren (und die Zweideutigkeiten gleich mit). Insofern empfehlen sich hier wirklich Untertitel und die am besten auch noch in englisch.
„A Night at the Opera“ ist sicherlich der rundeste und publikumswirksamste der Marx-Filme und nach seinem Vorbild wurden bis zu “The Big Store” alle weiteren Filme gestrickt (mit unterschiedlichem Erfolg) und zurecht einer der angesehensten. Daß die Zähmung mit diesem Film jedoch schon begonnen hatte, darf man aber nicht unterschlagen. (8/10)