Review

An sich bin ich ja eher die Sorte Mensch, die zum Lachen in den Keller geht. Zumindest zähle ich mich zu dieser Kategorie. Aber wenn ich meine Lieblingsfilme so anschaue, dann sind da erstaunlich viele Komödien dabei. Frank Capras ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN gehört zu meinen Top-Drei-Filmen überhaupt, Billy Wilders EINS, ZWEI, DREI erzeugt immer noch ernsthafte Atemnot wegen seines hohen Tempos, Édouard Molinaros OSCAR reizt mich jedes Mal zu Lachtränen, und DIE MARX BROTHERS IM KRIEG ist von solchen Erlebnissen auch nicht mehr weit weg. Einige der besten und berühmtesten Szenen der Marx Brothers sind hier vertreten: Der Kampf am Popcorn-Stand (der gleichzeitig das bekannte Hütchenspiel neu definiert) oder der Wettbewerb der Nachtgespenster vor dem Spiegel. Klassiker des Slapsticks und der grenzenlosen Anarcho-Komödie.

Mit dem Alter und der (filmischen) Erfahrung erkenne ich hier aber noch viel mehr, nämlich eine böse und höhnische Abrechnung mit dem Production Code, der zwar 1933 noch nicht ultimativ durchgesetzt wurde, den Studios aber schon länger im Genick saß, und gerade Freigeister wie die Marx Brothers in ihrer Kreativität beschnitt. „Dies sind die Gesetze meiner Regierung“ singt Groucho: „Kein Rauchen, keine schmutzigen Witze, und auch das Pfeifen ist verboten. Heil, heil Freedonia. Wer Kaugummi kaut wird verfolgt und landet im Kittchen. Jede Form des öffentlichen Genusses wird angezeigt und verboten. Ich bin sehr streng, so muss es sein. Wir sind im Land der Freiheit!“ Passend dazu dann das Outfit von Raquel Torres, das selbst nach heutigen Maßstäben puren, intensiven Sex verheißt. Die Dame könnte nackt kaum unverhüllter sein …

Handlung hat es selbstverständlich auch ein wenig: Rufus T. Firefly (Groucho) wird auf Geheiß von Mrs. Teasdale Herrscher von Freedonia, der Heimat der Mutigen und Aufrechten, ahnt aber nicht, dass der Botschafter von Sylvanien, Trentino (dessen ursprünglich vorgesehener Name eigentlich Ambassador Frankenstein of Amnesia war), zusammen mit der Tänzerin Vera Marcal Freedonia in einen Krieg ziehen will, damit er das Land übernehmen kann. Warum er das will? Keine Ahnung, und das ist auch nebensächlich. Auf jeden Fall setzt Trentino zwei Spione auf Firefly an, Chicolino und Pinky. Und damit haben wir eigentlich bereits die komplette Handlung im Kasten: Trentino beleidigt Firefly, der Krieg beginnt, und Firefly hat in jeder Kampfszene ein anderes Outfit an: Napoleonischer General, Pfadfinder, Davy Crockett, …

Slapstick und Anarchie feiern hier fröhliche Urständ, etwa wenn Chicolino und Pinky (Chico und Harpo) versuchen in das Haus von Gloria Teasdale zu kommen, sich aber dabei selbst im Wege stehen und auf geradezu klassische Art immer dann an der Tür stehen wenn die Tür zu ist, und hinter dem Gebüsch hocken wenn sie offen ist. Beziehungsweise das Szenario noch erweitern: Harpo rennt durch die offene Tür und sperrt Chico aus. Chico klingelt, Harpo öffnet, kommt raus, sucht Chico, während dieser durch die Tür rennt und sie schließt. Also klingelt Harpo, Chico kommt raus, sucht Harpo hinter der Hecke, und währenddessen nutzt der Diener, der eigentlich draußen die Klingelnden gesucht hat, die Gunst der offenen Tür, rennt ins Haus und schließt die Tür – Harpo und Chico sind wieder draußen. Und dies alles natürlich in einem irrwitzigen Tempo. Solche Filmmomente zu beschreiben ist schwierig bis unmöglich – Wer die Szenen kennt lächelt bereits bei der Erinnerung, alle anderen langweilen sich zu Tode …
Natürlich ist da auch noch Margaret Dumont, Groucho Marx‘ biedere Sparrings-Partnerin – Kann ein Film, der mit einer Zeile von Margaret Dumont beginnt, eigentlich schlecht sein? Oder ist so ein Film nicht bereits ein sarkastisches Statement wider das Spießertum schlechthin? „Ich habe meinen Mann bis zu seinem Ende in den Armen gehalten und geküsst.“ „Also Mord!
Und nicht zu vergessen der Auftritt von Edgar Kennedy, einem beliebten Schurken in den Filmen von Laurel & Hardy, der hier das macht was er nunmal am Besten konnte: Oft spielte er einen Polizisten, dessen Gesicht anzeigt, wie sehr es in ihm brodelt, angesichts des ihm dargebotenen, sich dann in stummer Verzweiflung die Mütze zurückschiebt, seinen kahlen Schädel kratzt oder mit der Hand über sein Gesicht fährt. (1) Slowburn-Komik wie man sie sich nur wünschen kann.

Und sonst? Die Entstehung des Filmtitels kann in der englischen Wikipedia nachgelesen werden: "Duck soup" was American English slang at that time; it meant something easy to do. Conversely, "to duck something" meant to avoid it. When Groucho was asked for an explanation of the title, he quipped, "Take two turkeys, one goose, four cabbages, but no duck, and mix them together. After one taste, you'll duck soup for the rest of your life." (2). Das Musikstück Stars and strips forever von John Philip Souza, in Deutschland in den 70ern als Werbemusik des Putzmittels Der General verwurstet, scheint mich, nachdem ich vor einigen Wochen erst in Nunnally Johnsons DAS UNSICHTBARE NETZ darüber gestolpert bin, dieses Jahr zu verfolgen. Hier will Harpo in der Nacht lautlos einen Tresor öffnen, und als er meint es geschafft zu haben, hat er stattdessen das Radio eingeschaltet, das laut und dröhnend ebendiese Musik schmettert. Der Versuch das Radio auszuschalten oder zu zerstören schlägt fehl, die Musik geht immer weiter, bis Harpo die längst zerstörten Reste des Radios irgendwann durch ein geschlossenes Fenster wirft. Und wir reden hier immer noch von einem heimlichen Einbruch …! Szenen der Marx Brothers werden oft in Anarchie und/oder Chaos aufgelöst, dies dabei aber so dermaßen lustig, dass sogar die Filmcrew zeitweise den Dreh unterbrechen musste - Keiner konnte mehr arbeiten, weil sich alle vor Lachen den Bauch halten mussten …

Und wenn das jetzt alles etwas zerrissen klingt möchte ich mich entschuldigen. Zum einen sind gerade die frühen Filme der Marx-Brothers schlichtweg Nummernrevuen mit nur rudimentärem Handlungskitt, da wird auch ein Text schnell mal zu einer zusammenhanglosen Nummernrevue. Und zum anderen ist es wie erwähnt einfach sehr schwer so etwas zu beschreiben – Wie beschreibt man Komik mit ernsten Worten …?

An sich bin ich ja eher die Sorte Mensch, die zum Lachen in den Keller geht. Aber wenn ich atemlos aus einer Filmkomödie komme und erst einmal durchschnaufen muss, dann kann an dieser Selbsteinschätzung etwas nicht stimmen. Oder es ist ein Film der Marx Brothers.

(1) ]https://de.wikipedia.org/wiki/Edgar_Kennedy
(2) ]https://en.wikipedia.org/wiki/Duck_Soup_(1933_film)


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